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Bolivien - wie kommen wir nur über deinen Fluss?

Veröffentlicht: 25.02.2019

Als wir mit dem Nachtbus von Sucre langsam nach La Paz rein fahren ist es früh am Morgen und bewölkt. Plötzlich kommt die Sonne raus und wir erkennen, dass wir uns mitten in den Wolken befinden, da La Paz auf 4.000 Meter über dem Meeresspiegel liegt. Die Stadt liegt in einem langezogenen Canyon und überall sieht man rote kleine Häuser, die sich eng aneinander geschmiegt die Berghänge empor erstrecken. Je höher die Häuser am Hang liegen bzw. sich auf dem Bergplateau befinden, desto ärmer sind die Menschen. In der Sonntagmorgenstimmung laufen wir vom Busbahnhof quer durch die Stadt zu unserem Hostel und sehen noch einige betrunkene Menschen, die auf dem Heimweg von ihrer durchzechten Samstagnacht sind. In dem Hostel bleiben wir ungewollt 4 Nächte, warum es eine Nacht länger wurde als gedacht zeigt sich weiter unten. In La Paz gibt es insgesamt 8 Gondelbahnen, die als Ubahn Ersatz dienen und je nach Weglänge ungefähr 50 Cent kosten. Uns macht es viel Spaß wahllos mit den Gondeln umher zu fahren, die Aussicht zu genießen und an irgendwelchen Ecken auszusteigen und uns so durch die Stadt treiben zu lassen. Viele besondere Sehenswürdigkeiten gibt es nicht, es ist mehr das Feeling das die Stadt ausmacht. Wir essen das beste Avocado Sandwich, genießen eine Menge frisch gepressten Orangensaft und finden leckere Streetfood Nudeln mit Ei. Wir laufen auf einen tollen Aussichtspunkt hoch und gehen in einen nahegelegenen Park. Die Ruhe und die saubere Luft im Park tut sehr gut, denn La Paz übertrifft alle anderen Städte hinsichtlich Verkehrschaos und Smog. Miriam wird mittlerweile sogar übel, wenn sie zu viel der Abgase einatmet. Wir merken es wird mal wieder Zeit für uns in die Natur zu entfliehen und wir planen den Choro-Trail zu laufen, der drei Tage von den Anden bis ins Yungas Gebirge verläuft und hinter La Paz startet.
Ausgerüstet mit viel Essen fahren wir zuerst mit der Gondel Richtung Busbahnhof, wo wir einen Minibus zum Startpunkt des Trails nehmen wollen. Zum Terminal müssen umsteigen und quetschen uns mit den Rucksäcken in einen weißen Collectivo. Wir sind schon dabei in den Minibus zum Startpunkt des Trails einzusteigen als Jakob merkt, dass sein Handy weg ist. Es muss in dem weißen Collectivo aus der Tasche gefallen sein und wir haben es wegen dem vielen Gepäck nicht bemerkt. Sofort drehen wir um und stellen uns an die Straße, um den weißen Collectivo wieder zu finden. Ein völlig sinnloses Unterfangen, denn es sind so viele Kleinbusse auf der Straße und die meisten von ihnen sind weiß! Wir versuchen das Handy zu lokalisieren und anzurufen, doch vergebens. Gedrückt machen wir uns auf den Rückweg zum Hostel, um noch irgendwie eine Lösung zu finden. Doch leider gibt es keine und Jakobs Handy ist weg. Am Nachmittag gehen wir in der Stadt auf die Suche nach einem Neuen und werden auch fündig. Am nächsten Tag gleiches Spiel, wie am Tag davor: erst Gondel, dann Collectivo zum Busbahnhof, nur dass wir diesmal 10 mal kontrollieren, ob wir alles haben.
Der Choro-Trail ist 53km lang, verläuft von La Cumbre bis Chairo und es werden mehrere Klimazonen durchquert. Insgesamt geht es 3.000 Höhenmeter von den Anden hinunter bis ins Yungas Gebirge mit einigen steilen Anstiegen dazwischen. Zu Beginn geht es erstmal auf 4.800 Meter Höhe, man merkt den geringen Sauerstoffgehalt und es ist relativ frisch. Wir freuen uns auf die Aussicht am Gipfel über die Anden, doch leider ist es sehr neblig und wir erkennen rein gar nichts. 




Dann geht es abwärts und immer weiter hinunter bis sich plötzlich die Wolken zur Seite schieben und ein grünes Tal zum Vorschein kommt. Auf diesem grasen Pferde und Lamas, die uns den Weg versperren. Wir sind uns unsicher, ob sie spucken, wenn wir so nah an ihnen vorbei laufen. Dennoch freut sich insbesondere Miriam sehr, die Tiere endlich von so Nahem zu sehen. 




Treu begleitet werden wir die gesamte Wanderung von einem Fluss, der uns frisches Wasser liefert und später zu unserem großen Problem wird. Das Wasser ist so sauber und schmeckt so frisch, dass wir es ohne Wasseraufbereitungstabletten trinken. Für die erste Nacht finden wir einen wunderschönen versteckten Zeltplatz mit toller Aussicht ins Tal. 


Zeltplatz Nummer 1


Zum Abendessen kochen wir Nudeln mit Tomatensoße und Erbsen. Ein bisschen irritiert sind wir davon, dass ein Bauer zu uns meinte, die Brücke wäre kaputt, wir sollen umdrehen und nach La Paz zurück laufen. Am nächsten Tag geht es nur bergab. Viel Spaß macht der Weg nicht, da er aus rutschigen Flusssteinen besteht und uns legt es auch öfters hin. Die Landschaft wird immer grüner, es wird wärmer, es fängt an zu blühen und Bäume tauchen auf. Bisher sind uns keine anderen Wanderern begegnet und wir genießen unsere Zweisamkeit. Wir passieren ein Dorf, wo ein Bauer eine Lamaherde an uns vorbei treibt und wir erkennen, dass Lamas ganz schön große Schisser sind. 




Dann kommen wir an einen großen Fluss, wo wir kurz den Weg verlieren. Unsere GPS-Daten zeigen an, dass in 200 Meter weiter unten die Brücke kommt und wir klettern das Flussbett entlang. Es ist ein bisschen wie eine Flusswanderung, die so schnell nicht aufhören soll. Als wir um die Ecke biegen, sehen wir was der Bauer meinte: die Brücke ist komplett kaputt, nur lose Stahlseile und ein paar Holzplatten baumeln traurig im Wind. Noch machen wir uns nicht so viele Sorgen, der Fluss sieht nicht so breit aus und wir wollen versuchen hindurch zu waten. Drei Stunden später sind wir allerdings anderer Meinung. Wir sind das Flussbett hoch und wieder hinunter geklettert auf der Suche nach einer engen Passage, doch wir müssen uns eingestehen, dass die Strömung zu stark und das Wasser zu tief ist, um hindurch laufen zu können. Am Rande unserer Ideen wollen wir uns gerade auf den Rückweg zum nächsten Dorf machen, um die Menschen um Hilfe zu fragen als ein anderer Tourist auftaucht. Tatsächlich ist es der Tscheche mit dem wir in Potosí wandern waren. Was für ein Zufall mitten im Nirgendwo! Leider hat auch er keine weiterführende Idee, es ist schon Abend und wir beschließen morgen weiter zu suchen. Am Rande vom Flussbett scharen wir die Steine zur Seite und bauen unser Zelt auf, es ist gar nicht so unbequem zu schlafen wie wir dachten. Jakob macht ein Lagerfeuer und wir kochen unsere Polenta mit Mais, Zwiebeln und Oliven über dem Feuer. In der Nacht ist es stockdunkel, es regnet ab und zu, doch ein Glühwürmchen blitzt treu bei unserem Zelt auf. 


Zeltplatz Nummer 2


Wir stehen sehr früh auf, um genug Zeit für eine Lösung der nicht vorhandenen Brücke zu finden. Kommen wir nicht über den Fluss müssen wir zurück nach La Paz und somit 2.000 Meter wieder hoch laufen wofür wir nicht genug Essen dabei haben. Außerdem haben wir in Coroico eine Reservierung, die wir bezahlen müssen, wenn wir an diesem Tag nicht erscheinen. Zusammen mit dem Tschechen laufen wir erneut das Flussbett ab, testen die Wasserstärke, überlegen eine Brücke zu bauen oder hinüber zu schwimmen und kommen immer noch nicht weiter. Plötzlich entdecken wir in einiger Ferne einen Bolivianer und laufen zu ihm. Er hat tatsächlich die Lösung für uns parat: ein Stahlseil ist über den Fluss gespannt und an einen Karabinerhaken wird ein zusammen geschussteter Korb aus Stahlriemen gehängt, in dem man über den Fluss düst. Es ist ein bisschen so wie in einem Abenteuerpark, wo die Leute eine Menge Geld für den Spaß bezahlen, dort gibt es jedoch auch mehr Sicherheitsvorkehrungen. Der Mann verlangt von jedem nur 1,20€, er hätte locker mehr fordern können, da es unsere einzige Option ist. (Für alle die den Choro-Trail laufen wollen: fragt auf dem Campingplatz Villa Loba nach dem Mann.) Ein wenig Schiss haben wir schon, doch seht selbst. 




Eigentlich hat es ziemlich viel Spaß gemacht über den Fluss zu düsen und unsere Erleichterung auf der anderen Seite zu sein ist groß. Allerdings steht uns nun eine lange Etappe von 28km bevor, da der Fluss uns am Tag davor einen Strich durch die Rechnung gemacht hat und wir wollen unsere Reservierung nicht verlieren bzw. bezahlen müssen. Es ist schon 10 Uhr. Im strammen Tempo geht es für uns durchs Yungas Gebirge, der Tscheche hat es nicht so eilig und so trennen sich unsere Wege wieder. Es ist heiß, wir passieren eine Menge Wasserfälle und umrunden auf schmalen grünen Pfaden unzählige Bergrücken. Es schwirren viele Schmetterlinge umher, wir scheuchen Papageien auf und entdecken Tausendfüßler. Wir sehen viele Bananebäume, Lilianen hängen von oben hinunter - das Yungas Gebirge hat deutlichen Dschungelcharakter. Die Kilometer werden jedoch nur langsam weniger, der Rucksack wiegt schwer auf dem Rücken und es wird immer später. Nur einmal halten wir an einem Wasserfall an, um Nudeln mit Tomatensoße zu kochen. Für die letzten 4 Kilometer müssen wir unsere letzte Kraft zusammen nehmen, im Stechschritt laufen wir den Pfad entlang während die Dämmerung einbricht. Am Ende rennen wir fast und können den Weg nur noch schwer erkennen. Als wir das Dorf Chairo erreichen ist es dunkel. Die Dorfbewohner sind überrascht, dass noch Wanderer um die Uhrzeit aus dem Wald kommen und wir trinken erstmal eine kalte Orangenlimonade. Wir müssen noch weiter nach Coroico (20km entfernt), es fährt kein Bus und die einzige Option ist ein Taxi. Somit sind wir in einer ausweglosen Situation und die 17€ die wir für's Taxi bezahlen müssen, tun uns weh. Endlich im Hostel angekommen genießen wir erst einmal Teigtaschen gefüllt mit Kartoffeln und Ei und dazu gibt es eine Salsa und Erdnusssoße. Wir duschen den Dreck der letzten drei Tage von uns und zurück bleiben Schrammen, Mücken- und Bienenstiche, sowie sehr schwere Beine. Der Choro-Trail ist landschaftlich sehr interessant, die Ruhe, die Bewegung und die frische Luft hat uns gut getan und wir sind um ein Erlebnis reicher.
Antworten (3)

Sabine
Wiedermal eine sehr schöner, beeindruckender Reisebericht ! Mutig, dass ihr in den Korb zur Flussüberquerung gestiegen seit...

du
Tolle Videos!

nononwil
Ein Abenteuer nach dem anderen. : )

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