Veröffentlicht: 28.08.2017
Mein einziger Tag in Córdoba begann am 6. Juni morgens um 8 Uhr. Nach der Nachtfahrt wartete ich frierend in der "Bar Panorama" bei einem Capucchino im Busterminal, bis es draußen endlich hell wurde. Ich war froh, jetzt Richtung Norden zu gehen, wo es „hier unten" so richtig Winter wurde. Auch wenn es schon oft kalt war und ich die letzten Tage trotz Decken und meinem Schlafsack gefühlt fast erfroren bin, gab es doch immer noch wärmere Sonnentage. Aber damit würde es bald vorbei sein.
Ich fühlte mich so tot. Meinen Schlafrhythmus hatte ich mit meinen Reisevorbereitungen schon zerstört und dann noch diese verrückten nächtlichen Busfahrten.
Mit nur drei Stunden Schlaf bin ich am Morgen meiner Abreise, der Tag zuvor, noch zu einer letzten Behandlung von Lidia. Davor musste ich noch Geld abheben, was sich als eine Tortur herausstellte. Montag morgens um 8:30 Uhr sind alle Geldautomaten leer. Dabei kann man pro Tag nur knapp umgerechnet 100€ abheben und zahlt als Ausländer dabei noch jedes mal eine Gebühr von 6€. Das Geldabheben war also die ganze Zeit ein teures und nerviges Unterfangen und an diesem Morgen besonders. Bei der vierten Bank erbarmte sich der Automat dann meiner und ich atmete durch, als ich Geld und Ersatzkreditkarte wieder in den Händen hatte. Denn seit meine eigentliche Kreditkarte von dem Automaten verschluckt wurde, habe ich jedes mal Panik, wenn meine andere im Automaten verschwindet.
Als ich dann abends nach hektischem Packen mit der Metro zu dem Abschiedstreffen mit Jaacinthe fuhr, war ich beeindruckt, wie respektvoll diejenigen, die sich in der Metro Geld verdienen, miteinander umgehen. Ein Typ mit eingepackter Gitarre stand da und unterhielt sich total nett mit einer Frau, als ein anderer Gitarrist kam, ihn sah und sich schon entschuldigend zurückziehen wollte. Doch der hatte gar keinen Bedarf und so verschönerte der Andere mit seinem Spiel meine Fahrt, und ich gab ihm am Ende gerne ein paar Pesos. Zwischendrin kam ein Verkäufer von irgendwelchem Zeug, stoppte sein Verkaufsgeschrei sofort, als er den Gitarrespieler sich bereitmachen sah, entschuldigte sich und lief leise ins nächste Abteil.
Nach dem Treffen mit Jaacinthe musste ich im Dunkeln zum Busterminal Retiro laufen, das zwar ganz in der Nähe unseres Cafés war, aber sehr berüchtigt für seine Gefährlichkeit. Aber mit meiner Taktik, mich in der Nähe von anderen Gruppen aufzuhalten, die mir sympathisch erscheinen, gelangte ich unbehelligt an allen dubiosen Gestalten vorbei. Im Terminal drin war alles gut. Abgesehen davon, dass der Reisverschluss meiner Bauchtasche kaputt ging. Und ich konnte meinen Nachtbus suchen.
Bei der morgendlichen Ankunft in Córdoba nervte ich mich, dass der Typ, der mir meinen Rucksack aus dem Gepäckraum herausgab, mir fordernd seine Hand für ein Trinkgeld hinhielt. In dem Moment zog ich, mich genötigt fühlend, einen Schein aus meiner Tasche aber eigentlich seh ich es echt nicht ein. Die Busfahrten in Argentinien sind die teuersten von allen Ländern in Südamerika. Und dann noch die Einzigen, bei denen Trinkgeld fürs Gepäck herausgeben gefordert wird. Soweit ich das gelernt habe, ist die Idee von Trinkgeld, besonders guten Service zu belohnen (ja gut, im Restaurant gehörts halt dazu, aber selbst da kann man die Höhe je nach Service variieren) und nicht dafür extra zu zahlen, wenn jemand halt seinen Job macht. Ich hab ja keine Wahl, meinen Rucksack nicht abzugeben oder die Möglichkeit, ihn selber rauszuholen. Wenn man mir den Ruckack von der- und auf die Schulter hebt, dann ist das schon ein bisschen ein extra Service, aber das schlichte auf den Boden stellen echt nicht.
Und dann bahnte sich auch noch eine kleine Krise an, die mich in meinem übermüdeten Zustand noch viel mehr traf. Am Warten in dem Café im Terminal realisierte ich, dass meine geliebte Reisefreundin Bénédicte, mit der in Uruguay und bis jetzt alles so perfekt schien und mit der ich mich für Uyuni in Bolivien verabredet hatte, sehr enttäuscht auf meine letzte Nachricht reagierte. Der Grund war, dass Pati, die ich ja in San Pedro de Atacama im Norden Chiles treffen wollte, vorgeschlagen hatte, dass wir noch zusammen nach Uyuni in Bolivien weiterfahren, bevor sie zurück nach Deutschland muss. Ich dachte mir so gar nichts Böses dabei und war froh, nicht alleine über die Grenze zu müssen. Denn vor Bolivien ist mir schon unglaublich viel Angst gemacht worden. Umso mehr war ich überrascht, als Béné dann echt sauer war und mir vorwarf, dann hätte sie ja auch länger in Brasilien bleiben können. Das machte für mich gar keinen Sinn und für mich gab es keinen Widerspruch zu dem, was wir ausgemacht hatten. Ich war der Meinung, ich kann ja wohl mit Beiden was verschiedenes Anschauen und vielleicht wäre ich eh erstmal von der Höhe kaputt. Béné war aber der Auffassung, dass ich jetzt mit Pati „Die Salzwüste mache“ und sie das dann alleine machen müsste. Das machte mich alles total fertig und ich hatte das Gefühl, total versagt zu haben und dass jetzt alles zwischen uns unwiderruflich kaputt sei. Zum Glück standen Freija und meine Mama am Nachmittag (als mir das ganze Ausmaß bewusst wurde) virtuell parat, um mich aufzufangen und mir Mut zuzusprechen.
Davor ging es für mich bei Sonnenaufgang dann aber erstmal raus. Überall waren sportliche Leute am Joggen und dabei, die Treppen rauf- und runter zu rennen und sich zu dehnen.
Als ich dann auch diese Treppen erklommen hatte, bot sich mir ein schöner Blick auf das Riesenrad.
Auf dem weiteren Weg in Richtung Zentrum kam ich an einem Park mit Schwimmbad vorbei, der auch für weitere sportliche Aktivitäten gedacht war.
Zwischen weiteren Bäumen und Büschen fand sich noch eine Inlineskate-Anlage. Was für eine sportliche Stadt!
Vom „Plaza San Martin“ aus nahm ich an einer „Free Walking Tour“ teil, die so heißt, weil man am Ende selbst entscheiden darf, was man der Person (meist Studenten), welche die Führung macht, geben möchte. Und es steht einem eben auch frei, gar nichts zu geben. Das hat die junge Dame aber nicht so ganz verstanden gehabt und sie regte mich richtig auf mit ihrer dauernder Betonung auf das Trinkgeld. (Ja, dieser Tag war irgendwie nicht so erfolgreich im Bezug auf andere Menschen). Gleich am Anfang betonte sie den hohen Preis der privaten Touren und sagte, man solle ihr danach doch möglichst viel geben, „weil sie reich werden will“. Sollte wohl witzig sein, aber hat einen sehr schlechten Beigeschmack denn genau diese Touren sind ja genau für Reisende, die eben nicht viel Geld haben und der Sinn ist eigentlich mehr, was von seiner Stadt zu teilen, als einfach einen Job zu haben. Klar sollen sie was dabei verdienen, aber ich hab es noch nie erlebt, dass jemand da so darauf rumhackt. Auch am Ende gab es für jeden einen Lolli mit einem Zettelchen „tips are sexy“.
Ich hätte die Tour auf Spanisch bevorzugt. Sie sprach auf Englisch, dass es alle verstehen und übersetzte es nur für einen Mexikaner auf Spanisch. Der allerdings von der ganzen Gruppe am besten Englisch sprach, da er in den Vereinigten Staaten lebte.
Aber nun erstmal zum Inhalt. Córdoba ist nach Buenos Aires die zweitgrößte Stadt Argentiniens und liegt ziemlich mittig in der oberen Hälfte, passend auf meinem Weg in den Norden. Wir bestaunten die Gebäude der Kolonialzeit und erfuhren, wie sehr diese Stadt von den Jesuiten geprägt wurde. Und dass es gar nicht so leicht ist, ein Jesuit zu werden. Man braucht mindestens einen Studienabschluss um aufgenommen zu werden und anscheinend wird sehr viel auf die Kompetenzen gelegt. Darum sind auch die meisten prächtigen Gebäude von eben diesen gebaut. Auch beim Bau der Kathedrale in Córdoba mussten die Stadtherren am Ende die ansässigen Jesuiten um Hilfe bitten, da sie selbst nicht im Stande waren diese stabil genug zu bauen.
Der Maler, der die Bilder an der Decke der Kathedrale gemalt hat, hatte übrigens Höhenangst und deshalb malte er die Bilder am Boden und seine Mitarbeiter mussten sie in der Höhe zusammenstückeln :D
Außerdem war sein Markenzeichen, dass er sich selbst immer mit auf dem Gemälde verewigte. Irgendwo zwischen den Heiligen.
(ich erinne mich leider nur an diese Erzählung, seinen Namen hab ich vergessen und konnte ihn im Internet nicht mehr finden)
Ein anderer schlauer Mensch verewigte folgende Zeichnungen auf dem Boden des Platzes vor der Kathedrale und anderen Gebäuden. Ihr Sinn ist, die vorübereilenden Leute, die nur auf den Boden schauen, darauf aufmerksam zu machen dass es direkt neben ihnen wunderbare Sachen zu bestaunen gibt.
....Heute bräuchte man da schon eine App auf dem Smartphone, die dazu aufpoppt, wenn man an einem Gebäude vorbeiläuft^^
In einer anderen Kirche gab es eine ähnliche Wand hinter dem Altar, wie ich sie schon mit Karin in San Antonio de Areco gesehen hatte.
...und irgendwo ein halbes Haus
... und die älteste Universität Argentiniens und viertälteste in ganz Südamerika: Die Universidad Nacional de Córdoba mit dem Spitznamen "La Docta"
Zum Abschluss der Tour ging ich noch mit ein paar anderen Teilnehmern Mittagessen, unterhielt mich mit einem amerikanischen Pärchen und war stolz, dass mein Spanisch mir sogar schon Komplimente einbrachte. Außerdem war ich froh zu merken, dass ich alleine immer besser klar komme, ohne mich einsam zu fühlen.
Zurück im Terminal gab es während oben genannter Krise noch einen Submarino und um 17 Uhr ging es schon auf den nächsten Nachtbus, hoch in den Norden Argentiniens nach Jujuy.