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Vorbereitung auf den Weltuntergang

Veröffentlicht: 03.07.2025

"If you have any questions ask now but I speak only very basic English", beendet der Guide seine einstudierte und offensichtlich hunderte Male exerzierte Tour durch den Bunker, der gleichzeitig mein Hostel für die nächsten Tage ist. Wir stehen in der mir zugeteilten Einzelzelle. Aber gut, what you see is what you get. Was sollte man auch erwarten, wenn man eine Unterkunft in einem Bunker aus dem kalten Krieg bucht? Duschen im Dekontaminationsraum, Muckefuck zum Frühstück, Militärschlafsäcke aus den 70ern. Ein Porträt von Parteigenosse Gustav Husak hängt an der Wand. Ich google ihn, im aktuellen kalten Krieg gibt es WLAN im Bunker..


Als Gast darf man sich das angegliederte Museum kostenlos anschauen. Der Luftschutzbunker wurde schon von den Nazis in den 40ern errichtet und später ausgebaut und vom Militär der CSSR genutzt. Ich stehe im Wechsel vor Schildern mit tschechischen Warnhinweisen zum Bunkerleben und Tafeln mit einem Wehrmachtssoldaten mit Hitlerbart, der u. a. für richtiges Bandagen Anlegen Modell steht.


Am Abend meines ersten Tages sitze ich auf einer von vielen Bänken auf der Burgmauer über der Stadt, lese und lausche gelegentlich den Gesprächen. Hinter mir eine laute Gruppe Tschechen, dazwischen hält ein Ami seiner Begleiterin einen Ted Talk über Charisma, alles klar.. vor mir facetimed ein Brasilianer mit seiner Freundin während seine Gitarre locker am Stuhl lehnt. Aber ohne ein Wort zu sagen, verrate ich meine Nationalität vermutlich am meisten. Der Barkeeper, den ich außer mit "Dobre dan" komplett in Englisch angesprochen habe, antwortet nach dem Zahlen mit "Danke!" - entweder es war mein Akzent oder, wahrscheinlicher, mein Aussehen, das mich als Deutschen verraten hat. Die Kombination aus Bauchtasche UND kleinem Daypack, Basecap, Turnschuhe mit weißen Socken - nichts schreit so sehr "Funktion vor Stil" als mein Outfit. Muss ich akzeptieren und meine Rolle so gut spielen, wie es das Drehbuch vorgibt: "Bitteschön." Antworte ich lächelnd.


Am letzten Tag in Brünn lese ich wieder auf meiner Bank unterhalb der Burg. Auch auf 2-Tages-Städtetrips kann und sollte sich *der Reisende* Gewohnheitsorte suchen! Eine ältere Dame auf der Nachbarbank hat ihren schick frisierten Yorkshire Terrier auf ein Kissen neben sich gesetzt und erfüllt die Regel, dass sich Besitzer im Aussehen immer ihrem Hund angleichen müssen. Ein Heißluftballon fliegt über uns und sie versucht ihn darauf aufmerksam zu machen wie eine Mutter ihr Kleinkind. Als jemand, der kein Haustier hat, amüsiert mich das. Als ob's ihn kümmert. Beim Weggehen legt sie dem absolut harmlos wirkenden Kläffer den winzigsten Maulkorb an, den ich je gesehen habe. Vorschriftsmäßig süß.


Abends gehe ich ins Freilichtkino. Es läuft eine deutsche Doku über Gerhard Richter. Organisiert wie ich bin, habe ich mich per Mail darüber informiert, dass es sich auch ja um die Original Fassung handelt. Aber leider sind die Aufnahmen im Atelier zu leise und zu hallig und die Antworten des Malers kaum zu verstehen. Die Tonspuren aus den 60er Jahre O-Tönen fehlen gleich ganz. Die Tschechen scheint es nicht zu kümmern, die haben ja Untertitel. Was soll's. Ich genieße die mediterrane Atmosphäre, schaue Richter beim abstrakten Malen zu während die Grillen zirpen und erinnere mich daran, wie ich einmal in einem Kino in Krakow Everything everywhere all at once gesehen habe. Da gibt es eine längere Szene, in der sich die beiden Protagonistinnen als Steine komplett über Untertitel unterhalten. Der ganze Saal lachte sich weg, nur ich weiß bis heute nicht, worum es in dem Dialog eigentlich ging..


Am Abreisetag sitze ich im Frühstücksbunker und unterhalte mich mit einer Slowenin, die im Gegensatz zu mir nicht ein Einzelzimmer gebucht hat und mir von ihrem schnarchenden Zimmergenossen erzählt. Sie hat das penetrante Schnarchen aber weniger genervt und dafür vielmehr zum Lachen gebracht, auch weil ein weiterer Typ im Zimmer ständig darüber geflucht hat. "I had to watch out so I wouldn't laugh out loud", grinst sie. Ich habe mein Bunker-Training für die Apokalypse unter gediegeneren Bedingungen beenden dürfen und steige in den Bus nach Budapest.
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