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Yungas - die Gefährliche

Veröffentlicht: 16.10.2018

Die Yungas-Strasse ist ca. 80 Kilometer lang und führt von La Paz in die Region Yungas. In den Jahren 1931 bis 1936 gebaut, gilt die Yungas-Straße, die bis im Dezember 2007 als zweispurige Straße geöffnet war, als gefährlichste Straße der Welt und trägt den Beinamen Todesstraße «Camino de la Muerte». Bis 2007 sollen jährlich zwischen 200 und 300 Reisende auf dieser Strecke ihr Leben gelassen haben. Seit 2007 existiert eine moderne, zweispurige Verbindung zwischen La Paz und Coroico und die alte Yungas-Strasse wird nun primär für touristische Zwecke genutzt. So kann man sie zum Beispiel mit dem Mountainbike hinunterbrettern. Was unsere Mütter im Vorfeld nicht unbedingt wissen mussten: genau das haben wir getan.

Dass ihr diesen Bericht lesen könnt, beweist, dass sich die Yungas-Strasse problemlos überleben lässt. Es ist aber schon auch eine Frage der Wahl des Tourveranstalters, da genau wie in Uyuni auch hier wenig Licht und viel Schatten vorhanden ist. Nach einiger Recherche im Internet blieb eigentlich nur Gravity-Tours und das war definitiv die richtige Entscheidung. Das Konzept ist sehr klar. Man fährt mit einem Bus zum Ausgangspunkt wo Schutzkleidung montiert und die Bikes bereitgemacht werden. Maximale Gruppengrösse ist 14, wir waren gestern 10. Ein Guide fährt immer voraus, einer bleibt am Schluss gefolgt vom Bus. Über die rund 60 km Strecke gibt es 15 Stopps, wo jeweils die nächste Etappe mit Besonderheiten, Schwierigkeiten und Gefahren erklärt wird. Wird es jemandem mulmig, kann er jederzeit sein Bike verladen lassen und sich in den Bus setzen (welcher dann natürlich auch am Rande des Abgrundes entlangfährt...). Das klang für uns sehr professionell und meine etwaigen Bedenken wurden ausgeräumt.

Treffpunkt war um 7.30 Uhr in einem Cafe im Zentrum, dann gings mit dem Transporter hinaus aus La Paz in dünne und dünnere Luft bis zu unserem Ausgangspunkt auf dem Le-Cumbre-Pass, welcher auf 4700 m.ü.M. liegt! Die Strecke führt dann zuerst ca. 22 km auf der Hauptstrasse hinunter bis zum Ausgangspunkt der eigentlichen «Death Road». Dies ebenfalls eine sehr wohlbedachte Massnahme des Veranstalters, damit sich die Teilnehmer zuerst auf asphaltiertem Grund mit dem Bike und vor allem der Bremsen vertraut machen können.

Die weiteren 40 km verlaufen dann auf der alten Schotterstrasse mit einer Höhendifferenz von 3500 Metern und durch fast sämtliche Klimazonen Südamerikas bis nach Yolosi, wo die Strecke auf 1200 m.ü.M im feuchtwarmen Regenwald schliesslich endet.

Schon das Anziehen der Schutzhose auf dem Cumbre-Pass verlangte mir so Einiges ab und geatmet hatte ich auch schon leichter. Umso besser, dass es fortan nur bergab gehen sollte. Nach letzten Instruktionen und der rituellen Segnung der Bikes mit einem 96% Alkoholgetränk, von dem man dann noch einen Schluck nehmen darf/muss ging es schliesslich los. Schon während der ersten Kilometer war das Panorama atemberaubend und das Bike stabil, die Bremsen hervorragend. Das gibt schon einmal ein gutes Gefühl. Der Verkehr war an diesem Morgen spärlich und auch die wenigen Lastwagen und Kleinbusse überholten sehr gesittet. Dass wir auf dem Weg nach unten selber Lastwagen überholen mussten, war dann eher etwas überraschend, funktionierte aber auch ziemlich gefahrlos.

Zwischenzeitlich wurden wir und die Bikes nochmal aufgeladen um eine 8km Steigung (die auf immer noch rund 3500m wohl etwas zu viel des Guten gewesen wäre) zu überbrücken und so starteten wir just beim Beginn der eigentlichen Dead Road. Auf dieser Strecke wurde aus Sicherheitsgründen Linksverkehr eingeführt, um dem talwärts fahrenden Fahrzeug das Kreuzen zu erleichtern, indem der Fahrer so die Position der Räder zum Abgrund einsehen kann. Entgegen meiner Befürchtungen hatte ich nicht das geringste Problem damit, denn grundsätzlich habe ich es nicht so mit ungesicherten senkrechten Abhängen von bis zu 500m. Die Szenerie ist unbeschreiblich, zumal noch alles in Wolken gehüllt war. Dichter Regenwald, Wasserfälle, die teils über die Strasse hinwegreichen und links der Abgrund in den grünen undurchdringlichen Dschungel. Fantastisch!

Wir waren zu Beginn noch vor einer weiteren Gefahr dieser Strecke gewarnt worden – den Tourgruppen der nicht so guten Anbieter. Und schon sehr bald machten wir Bekanntschaft mit ihnen. Sie wurden direkt auf die Schotterstrasse gefahren ohne Angewöhnungsphase, dann mit blauem Anorak und einem Integralhelm versehen und schon geht’s los – ohne korrekte Einweisung und wer bremst, verliert. Die Gruppe war schon optisch eine Offenbarung, das Bild der unter den Integralhelmen hervorquellenden Hippsterbärten und Rastafrisuren sucht seinesgleichen. Zudem fuhren sie natürlich konsequent rechts und schon nach wenigen Kilometern – zum Glück hinter uns – landete der erste Blaue in einer Kurve an der Vorderfront eines entgegenkommenden Minibusses – Minus 1! Er hat sich offenbar nicht schwerer verletzt, ob er hingegen etwas gelernt hat, bleibt offen. «Die Blauen» kreuzten nun immer mal wieder in hirnrissigem Tempo von hinten auf und überholten an jeder unmöglichen Stelle. Irgendwann waren sie dann glücklicherweise gänzlich verschwunden. Weiteres Highlight war noch ein Motorradclub aus Brasilien, der an der berühmtesten Stelle der Strasse gleich seine Werbebanner aufpflanzte und dann sein privates Fotoshooting veranstaltete. Durch eine ebenso resolute wie unsympathische Dame wurden alle anderen Menschen auf der Strecke angewiesen zu warten, bis auch sie sich noch in «Jesus Redentor-Pose» verewigt hatte. Schön wie gewisse Individuen immer den gesamten öffentlichen Raum für sich vereinnahmen...

Leider hatten wir auch in unserer – wirklich sehr coolen – Gruppe einen Unfall. Eine junge Frau aus Deutschland machte offenbar einen Fahrfehler und stürzte. Sie war etwas benommen und ist dann mit dem Bus weitergefahren aber ein paar Etappen später wieder dazu gestossen. Das System funktioniert und es lohnt sich wohl, für ein solches Unterfangen etwas mehr Geld in die Agentur und damit in die Sicherheit zu investieren.

Der Rest verlief reibungslos und wir erreichten unser Ziel, das Tierrefugium «Senda Verde» mitten im Regenwald ohne weitere Ausfälle. Dort warteten ein kühles Bier, eine warme Dusche, viele Tiere, ein leckeres spätes Mittagessen und natürlich das Sieger T-Shirt auf uns.

Wir liessen uns dann noch das Affenrefugium zeigen und hatten grossen Spass an den Kapuziner- und Brüllaffen. Für die Fahrt zurück entschied sich unser Fahrer, der diese Strecke seit 40 Jahren fährt, wiederum für die alte Route. Im Bus ist die Strecke übrigens fast gruseliger. Zurück in La Paz hatten wir dann noch ein spontanes und sehr fröhliches Nachtessen mit einem Paar aus Australien, welches wir auf der Tour kennengelernt hatten.

Fazit: die Tour kann auch gemacht werden, wenn man es mit Höhe nicht so hat. Neben den wirklich exponierten Stellen gibt es auch viele Bereiche, wo die Strasse sehr breit ist und links nicht senkrecht abfällt. Zudem sind Ausweichstellen zahlreich vorhanden. Ein versierter Mountainbiker muss man auch nicht sein - Velofahren hingegen muss man unbedingt können und es braucht durchgehende Konzentration. Die Unfälle sind zahlreich und in 90% der Fälle entweder auf Selbstüberschätzung oder simple Dummheit zurückzuführen, wie im Fall einer Japanerin, die es für eine gute Idee hielt, während des Fahrens ein Selfie zu schiessen. Sie landete 400m tiefer irgendwo im Urwald.

Ein fantastischer Tag - auch mit dem Wetter hatten wir Riesenglück und nur kurz und wenig Regen – eine Supertour und ein unvergessliches Erlebnis!

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