Uji (Alb. Wasser)
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vakantio.de/lucas

Kroatien 1.1: Zwischen Autobahn und Schotterstraße

Veröffentlicht: 31.05.2023

Nein, natürlich mussten wir nicht über die Autobahn fahren, aber ersetzt man das Wort Autobahn durch Bundesstraße hört sich der Titel weniger eloquent an. Richtiger wäre es aber so herum und vom Gefühl her beschreibt es das Radfahren in Kroatien ganz gut.

Am 19. Mai fuhren wir von Montenegro aus über die Berge rein nach Kroatien. Wir gingen das erste Mal beide Schwimmen und genossen auch hinter der Grenze, dank einigen anstrengenden Bergetappen, wunderschöne Aussichten auf das Mittelmeer. Doch die folgenden Tage hielten neben schönen Erlebnissen wie diesem auch einige Stimmungsdämpfer bereit.

Wir steuerten zum Abend hin ein Weingut an, das als Stellplatz für Wohnmobile ausgewiesen war. Nach über einer Stunde des Wartens mussten wir diesen Platz dann weiter Richtung Dubrovnik verlassen, da die Eigentümerin und eindringlich erklärte, dass Zelten rechtlich nicht in Ordnung sei, Wohnmobile und Vans allerdings schon - vermutlich laut kroatischem Recht. So fuhren wir in die Dämmerung hinein weiter, bis wir nach insgesamt 68km und 980 Höhenmetern den nächstgelegenen Zeltplatz, voll mit größtenteils deutschen Campern, erreichten.

Am nächsten Tag ging’s direkt weiter Richtung Dubrovnik. Zusammenfassen lässt sich diese recht kurze Fahrt (14km und 250 Höhenmeter) mit den Worten: Volle Bundesstraße, sehr unachtsame und schnellfahrende Autofahrer*innen und extrem schlechter Laune nach wenigen Kilometern. Wir wurden in Albanien schon von Menschen auf diese Fahrsituationen aufmerksam gemacht und entschieden uns deshalb sehr direkt zum Fährhafen zu fahren und die nächste Fähre auf irgendeine Insel zu nehmen. Ebenfalls gar nicht so leicht, denn Autofähren gibt es, vor allem in der Nebensaison nicht so sonderlich viele, und die Personenfähren nehmen offiziell keine, inoffiziell gegen unserer Meinung nach recht hohem Trinkgeld Fahrräder mit. Nach einigem Warten konnten wir so auf einer Fähre auf die Insel Mljet fahren. Die Insel ist sehr naturbelassen und im Großen und Ganzen auch nicht allzu touristisch. Wir fuhren noch 17km und 400 Höhenmeter zu einem Campingplatz in einem kleinen Dorf, wo wir ganz alleine unter der Obhut der sehr mütterlichen Besitzerin recht günstig unter Olivenbäumen zelteten. Abends saßen wir alleine auf den Felsen der kleinen Bucht des Dorfes und ich war ganz begeistern von der kroatischen Adriaküste.

Am nächsten Tag ging es recht spät los. 16km und 330 Höhenmeter führten und durch den pflanzlich sehr vielfältigen Nationalpark in den Norden der Insel. Von dort aus nahmen wir die Fähre nach Hvar auf der Insel Hvar. Lucas lernte auf der Fahrt eine amerikanische Familie kennen, die unfassbar höflich und nett und offensichtlich so fasziniert vom Radfahren waren, dass sie uns kurzerhand zum Essen einluden. Wir trafen uns mit ihnen, nachdem wir sehr kurios in unserer Appartement eingecheckt haben und verbrachten einen netten Abend mit vielen Fragen. Appartement? Ja, denn in Kroatien ist es manchmal günstiger ein ganzen Appartement inklusive Badezimmer und Küche zu buchen, als mit zwei Personen und zwei Rädern in der Nebensaison auf einem Zeltplatz zu zelten.

Am nächsten Tagen, eigentlich ein Off-Day, weil ich den ganzen Tag immer wieder arbeiten musste, fuhren wir über einen ganz schön hohen Berg, meinen Beinen nach zu urteilen, 21km und 520 Höhenmeter in die älteste Stadt Kroatiens Stari Grad (übersetzt alte Stadt). In einem nahegelegenen Dorf erwartete uns A., die Gastgeberin unser ersten Warm Shower Unterkunft. Warm Shower ist eine Plattform, auf der Radfahrende auf der ganzen Welt Schlafplätze für andere Radfahrende anbieten und in Anspruch nehmen. A. wohnte in einem sehr alten Haus auf einem kleinen Hügel und war eine sehr spannende, durchaus außergewöhnliche Person. Wir blieben zwei Nächte dort, machten morgens Yoga, aßen geklaute Artischocken und Bananenschalenbrot und sprachen über Gott und die Welt. Unseren doch nun endlich umgesetzten Off-Day verbrachten Lucas und ich in den wunderschönen relativ einsamen Buchten einer kleinen Halbinsel ein paar Kilometer entfernt von A.s Haus. Wir genossen das Meer, die Sonne und unser Buch, das wir zum Vorlesen dabei haben.

Am nächsten Tag machten wir uns dann wieder auf zum Festland, in der Hoffnung auf schönere Straßen. Mit der Fähre von Strai Grad aus ging es nach Split und von dort aus 30km und 190 Höhenmeter auf einen relativ teuren mittelmäßig schönen, also nach unserer Auffassung typisch kroatischen, Campingplatz kurz hinter Trogir. Unser Ziel war schon etwas länger nun möglichst schnell aus Kroatien rauszukommen und so fuhren wir am folgenden Tag 62 km und 760 Höhenmeter auf einen uns empfohlenen günstigen Campingplatz bei Śibenik. Wir folgten dem Rat einer Radfahrerin, die wir getroffen hatten und fuhren über kleine Schotterwege recht bergig durch das Inland, bevor es wieder zum Meer ging. Wir genossen die Ruhe und auch die schöne grüne Landschaft voller Blumen, die hier in Kroatien für mich jede Bergfahrt nur halb so anstrengend machen. Besonders schön war auch die Aussicht auf eine Mündung des Flusses Krka von der Sibenik-Brücke aus.

Der Zeltplatz war wirklich relativ günstig, dank dem Mitgefühl der Person an der Rezeption. Und in Preis inklusive war auch das Erlebnis eines kroatischen Zeltplatz-Boule-Turniers mit anschließender Schlagerparty.

Dennoch hatten wir am nächsten Tag die Kraft 86km und 470 Höhenmeter weit zu fahren, um unser nächstes Etappenziel Zadar möglichst noch am selben Tag zu erreichen. Über kleine Schotterstraßen ging es zunächst am wahnsinnig blauen See Vransko Jezero vorbei bevor wir über die zwei sehr festlandnahen Inseln Pašman und Ugljan, die uns beide nicht zum Bleiben überzeugten, nach Zadar gelangten. Eine spontan gebuchte Unterkunft, die erneut deutlich günstiger als ein möglicher Zeltplatz war, gab uns die Möglichkeit am späten Abend noch einige Stunden durch die engen Gassen der Altstadt von Zadar zu bummeln und im Restaurant zu Abend zu essen. Nach einem Mitternachts-Eis auf der Stadtmauer mit Blick auf den Hafen, ging es dann aber doch schnell ins Bett, um am nächsten Tag nach guten 18km und 100 Höhenmetern einen kleinen, feinen Zeltplatz bei Nin zu erreichen. Dort wurden Punkt 13:15 Uhr den Trekking-Outdoor-Urlaub mal kurz pausiert, zwei Bier und das IPad auf einen weißen Plastiktisch gestellt und in der 6. Minute der Nachspielzeit den VfL Osnabrück am 27. Mai 2023 phänomenal und vor allem emotional für den ganzen Zeltplatz hörbar (alle haben sich aber mit uns gefreut) aufsteigen zu sehen. In dem Moment haben wir unser zu Hause dann doch zum ersten Mal wirklich vermisst.

Auch wenn Dortmund unsere Wünsche anschließend nicht erfüllen konnte fuhren wir etwas verkatert am nächsten Tag auf die Insel Pag, wo vor allem mich bei 27 Grad, knapp 40km und 340 Höhenmetern ein kurzer Schwächeanfall ereilte und wir für 30€ auf dem bisher teuersten Platz unserer Reise übernachteten. So konnten wir aber die Ruhe am Meer genießen und Lucas um den (noch) nicht aufgestiegenen HSV trauern. Das war’s jetzt aber erstmal. Zu unseren letzten Kroatientrips über die Inseln im Norden dann später mehr. 

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