The India Eight - 2020
The India Eight - 2020
vakantio.de/india-2020

Tag 6 - Flip Flops und andere Katastrophen

Veröffentlicht: 08.01.2020

07.01.2020

Am Dienstag stand einiges auf dem Programm: einige Besichtigungen mit Ravi und die Übergabe der gespendeten Notebooks an das Schulprojekt in der „Sanjay-Community“, einem der über 200 Slums in Delhi. Um 9:00 wurden wir mit dem Bus abgeholt und sind zum „Lodhi Garden“ gefahren, wo wir Ravi getroffen haben. Er hat uns die Geschichte der drei Tempel und der Gräber, die sie beinhalten nähergebracht und dabei die Bezüge zur Geschichte und Entstehung seines Landes erklärt. Am Ende haben wir dann noch durch Zufall das Bollywood-Potenzial von Joe entdeckt. Wahnsinnig sinnlich der Mann.

Danach sind wir zum größten Hindu-Tempel Indiens gefahren. Dieser erst 2005 entstandene Tempel ist ein beeindruckendes Gebäude, welches innerhalb von 5 Jahren unter Mitwirkung von über 10.000 Arbeitern entstanden ist. Dabei wurde Wert darauf gelegt, dass die Architektur traditionellen Vorgaben entspricht. Schon bei der Anfahrt konnte man erahnen, was für ein beeindruckendes Gebäude das sein muss. Die bisher größten Sicherheitsvorkehrungen außerhalb eines Flughafens, zeigten uns dann sehr schnell, dass es hier ein ganz besonderer Ort ist. Weder Video, noch Fotoaufnahmen waren erlaubt und Smartphones durften ebenfalls nicht mit reingekommen werden. Wir sind dann alle ziemlich blank ohne Rucksäcke aufgebrochen. Da es noch recht früh war und wir einen Wochentag erwischt haben, war glücklicherweise noch kein großer Andrang. Ravi erzählte uns, dass man sonst schon mal locker 2 Stunden anstehen kann. Kurz vor der Sicherheitskontrolle gab es dann noch ein Schild mit zusätzlichen, verbotenen Gütern, was dazu führte, dass Ravi das Feuerzeug von unserem persischen Freund schnell noch an einer Mülltonne verstecken musste, um es nicht schon wieder abgeben zu müssen. Die meinten es also wirklich ernst. Wie ernst, zeigt sich dann auch direkt nach dem Security Check, als Ramon, oder wie wir ihn liebevoll nennen „Terror-Ramon“, NATÜRLICH wieder aus der Reihe gezogen wurde, um ihn nochmal intensiv unter die Lupe zu nehmen. Da er wie immer seine übliche, für einen Staatsfeind typische Kombination aus kurzer Hose und Flip Flops trug, konnten wir alle die Entscheidung des geschulten Sicherheitspersonals vollkommen nachvollziehen. Daher neben der besagten Kleidung aber gar nichts anderes dabei hatte, war die zusätzliche Kontrolle dann eher aus dem Bereich Comedy, denn der Beamte merkte auch schnell, dass er da nichts weiter kontrollieren konnte, als das, was eh schon gecheckt wurde. Nachdem sich dann beide 19 Sekunden scharf in die Augen geschaut haben und der Beamte sich dann sinnigerweise Ramons Pass zeigen ließ, war die Zusatzkontrolle beendet. Kann man machen...muss man nicht. #unnötig

Aber nun zum Tempel. Dieser ist tatsächlich sehr beeindruckend. Auf einem riesigen Areal, mit tausenden, in Handarbeit entstandenen Skulpturen und Statuen geht man ab einem bestimmten Punkt barfuß bzw. auf Socken in den großen Tempel. Man lernt in einem Rundgang viel über die verschiedenen Gottheiten des Hinduismus und deren Geschichte. Ravi hat uns dazu nochmal zusätzlich mit Infos versorgt, um alles besser einordnen zu können. Ein wirklich tolles Erlebnis.

Auf dem Weg aus dem Tempel zurück zu unseren Schuhen begann es dann zu regnen und ab hier überschlugen sich dann die Ereignisse bzw. eine bestimmte Person. Der Boden des ganzen Areals ist aus Granit oder Marmor gefertigt. Man kann sich vorstellen, dass der Regen das dann zu einer sehr glitschigen Angelegenheit macht...zumindest für alle Schuhe, die nicht zur Gattung „festes Schuhwerk“ gehören: richtig also auch FLIP FLOPS. Gallant wie eine Elfe, der man im Flug die Flügel abgeschossen hat, rutschte Ramon über die glatte Fläche an einer Treppe. Nur ein Metallgeländer konnte dabei den sicheren Tod von unschuldigen Passanten verhindern, die er mit Sicherheit mit in den Abgrund gerissen oder unter sich begraben hätte, wenn besagtes Geländer sich nicht tief in seine seitlichen Rippen getrieben hätte. Klingt lustig, war aber tatsächlich kurzzeitig etwas erschreckend, da er erstmal etwas nach Luft schnappen musste. Die anderen 7 machten sich für Wiederbelebungsmassnahmen bereit und Joe hatte auch schon zur Mund-zu-Mund-Beatmung angesetzt, da räusperte sich Ramon kurz und die Gefahr war vorüber. (Jahrelanges Training in Terror-Camps härtet halt ab). Spaß beiseite, außer ein paar Schmerzen beim Lachen und Niesen ist nichts zurückgeblieben...Glück gehabt.

Nach dem Tempel ging es in das „alte Delhi“. Zunächst zu Fuß ab dem roten Fort durch kleine, enge Gassen bis zum „Hochzeitsmarkt“ und danach zum „Gewürzmarkt“, wo wir zuerst ordentlich zugeschlagen (Tee, Gewürze, Nüsse) haben und wir anschließend über den Dächern nochmal „Old Delhi“ von oben betrachtet haben. Ein eigener Mikrokosmos aus tausenden Menschen, Autos, TukTuks, Ständen, Gassen, Geschäften und jeder Menge Hupen. Zum Abschluss gab es einen kleinen Snack, der sehr sehr lecker war: Lassi, ein indisches Joghurtgetränk, dass man süß oder herzhaft servieren kann. Wir hatten die süße Variante.

Nach einer verstörenden Fahrt mit einer Elektro-Rikscha, bei der insbesondere Sven Gefahr lief, vom Gegenverkehr halbiert zu werden, sind wir mit unserem Bus zum „Lunch“ gefahren ... gegen 16:30 :-) wir haben dann entschieden, dass es eher ein vorgezogenes Dinner wird und haben ordentlich reingehauen. War auch wieder sehr lecker. Diesmal hat Sergej die „Spicy“-Karte gezogen, was er aber wie ein Mann mit hoch roten Ohren ertragen hat.

Mit gut gefüllten Mägen ging es dann endlich zur „Sanjay“-Community. Schon der erste Besuch tagsüber vor 6 Monaten war sehr beeindruckend. Nun, nach Sonnenuntergang, war es ein ganz anderes Bild. Nicht mehr tausende Menschen, die in Zelten die angelieferten Stoffreste recyceln, sondern geschäftiges Marktreiben. Ravi führte uns direkt in den inneren Bereich des Slums, um uns zunächst eine private Klinik zu zeigen. Einer seiner Freunde, der eine medizinische Ausbildung genossen hat, betreibt diese auf ca. 8 qm. Die Behandlung ist dabei kostenlos, nur für die Medikamente müssen die Patienten bezahlen. Das war sehr bestürzend und beeindruckend zu gleich. Darauf folgte ein Ausflug auf die Dächer der Community, wo uns Ravi noch ein paar Informationen zu aktuellen politischen Lage geben konnte, inkl. dem bemerkenswerten Fakt, dass wir in einem Kilometer Luftlinie den Ausgangsort der aktuellen Proteste sehen konnten, eine Universität, die seit dem geschlossen und vom Internet getrennt ist.

Danach ging es dann zur Schule und dem nahegelegenen Computer-Lab, für das wir die Ausrüstung mitgebracht hatten. Man hat uns dort sehr freundlich und emotional empfangen und wir haben uns mit den Gründern und Unterstützern des Projekts in einer kleinen Runde austauschen können. Die Notebooks, die sie von uns bekommen haben, werden nun einen tollen Beitrag zur Ausbildung der Kids leisten können. Das Engagement der dort arbeitenden ist großartig und wir alle waren beeindruckt, mit welchem Enthusiasmus und mit welcher Freude dort den Kindern geholfen wird. Zum Abschied haben wir alle eine handgeschriebene Dankeskarte bekommen, die die Schüler vorher für uns gebastelt haben...mit Hilfe von „YouTube-Videos“... da schließt sich der Kreis :-) bei der Übergabe der Karten konnte man dem ein oder anderen in der Gruppe ansehen, dass er mit seinen Emotionen kämpfen musste. Es war tatsächlich ein toller Moment und wird uns glaube ich allen noch lange im Gedächtnis bleiben. Nach der herzlichen Verabschiedung hat uns Ravi dann aus dem Labyrinth der Community geführt und zum Bus gebracht, mit dem wir dann zum Hotel gefahren sind.

Nun war der Tag eigentlich vorbei, zumal es am nächsten Tag um 5 Uhr per Zug nach Jaipur gehen sollte..aber es kam dann erstmal etwas anders und auf einmal Stand der Rest der Reise plötzlich auf der Kippe. Ich will hier nur soviel schreiben: durch sehr ungünstige Umstände ist Ravi in eine finanziell sehr missliche Lage gekommen, die er uns leider erst an diesem Abend erzählt hat und die dazu geführt hat, dass wir erstmal ab dem nächsten Tag keinerlei Hotel mehr gehabt hätten. Da er sich aber der Situation gestellt hat und wir diesem 22 Jahren jungen Mann für das, was er leistet und bisher aufgebaut hat sehr viel Respekt entgegenbringen, haben wir uns bis Mitternacht mit ihm zusammen in Bar gesetzt und gemeinsam an einer Lösung getüftelt. Durch einen tollen Zusammenhalt in der Gruppe konnten wir dann erstmal den weiteren Verlauf der Reise sichern und das kleine Häufchen Elend wieder etwas aufmuntern.

Erkenntnisse des Tages: Flip Flops können zur Gefahr werden, gerade dann, wenn als gefährlich eingestufte Perser sie als passive Waffe einsetzen; die Hilfe für die Community ist kein Tropfen auf den heißen Stein, sondern hilft ab dem ersten Tag und manchmal erlebt man dann noch das, was man bisher nur von anderen Reisenden gehört hat. Achja ... und Joe ist der neue Shah Rukh Khan...nur besser.

Antworten (1)

Änne - Kristin
Lasst den Tag von Tarantino verfilmen ;)

Indien
Reiseberichte Indien
##flipflopdesaster##delhi