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Verspieltes Erbe

Veröffentlicht: 11.09.2018

Kutaisi ist die zweitgrößte Stadt Georgiens. Beim Durchfahren ist man als Westlerin geneigt anzunehmen, dass die Selbstmordrate hier hoch ist. Es regnet viel. Wer die Filme von Emir Kusturica kennt, weiß, wie Regen offensichtliche Armut optisch verstärkt. Das Wasser rinnt nicht ab, weil die Kanalisation nicht gut funktioniert. Selbst in der Stadt sind wir über das hochstehende Auto froh, so tief sind die Schlaglöcher in den Straßen. Einfamilienhäuser stehen reihenweise verfallend am Straßenrand, sowjetische Plattenbauten wirken desolat. Sehr alte Frauen, die längst ihre Rente genießen sollten, arbeiten als Straßenkehrerinnen (das gilt allerdings auch im Rest des Landes). 

Doch Kutaisi hat auch ein UNESCO Weltkulturerbe (und deshalb Tourismus), wenn auch ein fragwürdiges. Es stand seit langer Zeit auf der "Roten Liste", war also davon bedroht, seinen Status zu verlieren - wir Wiener/innen sind mit der Roten Liste bestens vertraut ;-). Genauer gesagt, bestand das Kulturerbe aus dem Kloster Gelati, das außerhalb der Stadt liegt, und der Bagrati-Kathedrale in der Stadt. Letztere war der Grund für das Missfallen der UNESCO. Ich persönlich verstehe nicht einmal, wieso die Kathedrale jemals Kulturerbe werden konnte.

Zugegeben, sie muss einmal - im 11. Jhdt., als sie erbaut wurde - ein tolles Ding gewesen sein, aber schon Anfang des 20. Jhdts. war sie völlig ruinös. Eigentlich alles, was man heute sieht, wurde danach gebaut, mit einigen wenigen erhaltenen Originalteilen dazwischen. 1994 hat dies bei der UNESCO noch niemanden gestört. Als jedoch Präsident Micheil Saakashvili, der das ganze Land mit - übrigens immer wieder sehr guter - zeitgenössischer Architektur beglückte, beschloss, die Kathedrale wieder völlig aufzubauen, zeigte sich die UNESCO wenig erfreut, und nur das idyllische Kloster Gelati rettete vorerst den Kulturerbe-Status. Seit 2017 ist die Kathedrale endgültig gestrichen und das Kloster Gelati allein Kulturerbe, wo übrigens ein König begraben liegt, der ein Vorbild Saakashvilis gewesen sein soll: Davit IV. mit dem Beinamen "der Erbauer", ab 1089 Herrscher von Georgien.

Übrigens: Die Menschen hier in Kutaisi wirken keineswegs depressiv. Das mit der Wahrnehmung aus westlicher Perspektive ist so eine Sache. Heute haben wir jedenfalls bei einem fröhlichen jungen Paar das bisher beste Essen hier in Georgien bekommen - und die Latte liegt hoch. Ein Hoch auf Tomas Mama, eine wirklich begnadete Köchin (#Toma's Wine Cellar). Bin ich froh, dass ich Wickelröcke mithabe, die mit mir mitwachsen.

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#georgien#kutaissi#bagrati-kathedrale#gelati