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Davouds Traum

Veröffentlicht: 14.04.2025

Galicien 12.-14.04.25

Unser nächster Stop auf unserer (mehr oder weniger) Rundreise durch Galicien ist einer, der im Prinzip nichts mit dem Entdecken der Landschaft und Umgebung zu tun hat. Stattdessen wurden wir Opfer toller Bilder eines AirBnB-Inserats!

Diese sahen so vielversprechend und erholsam aus, dass wir nicht lang überlegen und dieses kleine Fleckchen Paradies auch in Natura betrachten wollten!

Vorher heißt es aber packen und Allariz den Rücken kehren. Eine äußerst missratene Nacht lässt uns der Wohnung und Lage mitten in der Altstadt nicht allzu sehr hinterhertrauern, lernen wir doch die für uns Deutschen eher untypischen Essens- und Feierzeiten der Spanier kennen! Denn ab 2 Uhr nachts startete in der Bar gegenüber ein Karaoke-Wettbewerb, dem wir dank wenig isolierender Fenster bis aufs Dezibel genau beiwohnen durften.

Die Musikauswahl war sogar ganz schön, nur eben nicht von 2-6 Uhr morgens!

Naja…mit dem Fuße zum Rhythmus wippend kämpften wir erfolglos gegen den Lärm an und fanden von 7-8 Uhr dann doch noch ein Stündchen Schlaf!

Nun brauchte es also erst Recht Entspannung.

Nach einer knappen Stunde Fahrzeit über Land, in der wir Dorf um Dorf durchqueren und sich Straße und Feldweg abwechseln, erreichen wir das „O Castro Art Village“!

Zumindest die Idee und die Anfänge davon.

Auf einem kleinen Hügel hoch oben über dem Rio Miño liegt der Traum unseres nächsten Vermieters!

Davoud, ein kanadisch-persischer Filmemacher und Künstler, hat in den letzten fünf Jahren hier oben und in unmittelbarer dörflicher Umgebung etliche Häuser (Ruinen trifft es besser) den ortsansässigen Bauern abgekauft und möchte hieraus eine Art Künstlerdorf/Kommune mit Hilfe der einheimischen Bevölkerung entstehen lassen. Erste Schritte dahin sind mit dem Bau eines Seminarraums mit Rundumblick über die komplette Umgebung und zwei am Hang gelegenen Kuppelzelten mit Panoramasicht ins Miño-Tal für Gäste bereits gemacht. Dazu eine große Gemeinschaftsküche und etliche Sitzgelegenheiten zum Verweilen, Lesen, Arbeiten und (in unserem Fall) Spielen!

Wir kommen beim Rundgang aus dem Staunen nicht mehr heraus und sitzen minutenlang schweigend auf unserem Bett, die Aussicht genießend und froh, hier einen Zwischenstop einzulegen, wöhrend Ida ihre Freude auf ihre Art kundtut. Sie hüpft und quitscht freudig durch die Gegend und erkundet jeden Meter des Geländes!

Auch die dritte Station scheint erstmal ein Volltreffer zu sein, was sich zu unser aller Freude auch bis zum Abreisetag nicht entkräftet!

Herumgeführt werden wir im Übrigen auch nicht von Davoud selbst, da er noch mit Frau und Kind unterwegs ist, sondern von Monique, einer…ja, keine Ahnung, was sie eigentlich genau ist! Einer Künstlerin, die zum Beispiel im adretten Dreiteiler von Barcelona nach Paris gewandert ist, auf dem Weg im Wald schläft, von Kräutern lebt und dies fotografisch festhält -> ZACK, Kunst!

Ursprünglich aus den Niederlanden, hat sie Davoud bei einem gemeinsamen Filmprojekt kennengelernt und arbeitet nun immer wieder mal hier in diesem Kunstdorf-Projekt mit, bzw schreibt hier an ihrem nächsten Buch. Was genau der Inhalt ihres letzten Buches war, können wir beide trotz ihrer hervorragenden Deutschkenntnisse nicht ergründen. Mir scheint, sie weiß es selber auch nicht so ganz…aber ZACK, Kunst!

Aber wie sagte schon der Maler Conti im fast schon epochalen Meisterwerk „Emilia Galotti“ von G. E. Lessing: „die Kunst geht nach Brot“!

Und Monique backt ihr Brot aktuell selbst…mit Mehl von Davoud…

Und so wie wir (Gruß an Benny) in der Oberstufe diesen vermaledeiten Conti’schen Satz bis in seine atomaren Einzelteile interpretieren mussten, damit er sich auch 20 Jahre später noch wie eingebrannt im Hirn befindet, lassen wir die Leser nun mit unserer Meinung zu Moniques Erfolg auf literarischer Ebene allein!

Oder, um es mit Marcel Reich-Ranickis Worten zu sagen: „Ich nehme dieses Mehl nicht an!“

Das alles ändert aber nichts an der Tatsache, dass sie ein super freundlicher und aufmerksamer Mensch ist, die uns bei unserer Ankunft im Regen sofort einen Kaffee anbietet und zubereitet und uns mit leuchtenden Augen von Davouds Projekt erzählt!

Auch Davoud selbst ist sehr herzlich und man spürt seine Begeisterung und seinen Willen, das hier zu etwas Großem heranwachsen zu lassen.

Den Rest des Tages verbringen wir in unserer Kuppel, lauschen dem Plätschern des Regens und beobachten die Wolken, wie sie die Hänge hinaufziehen und die Szenerie in stetem Wechsel halten! Fast schon mystisch!

Da wir uns für den Aufenthalt hier wirklich so gar nichts vorgenommen haben und wir tagsüber deutlich besseres Wetter als erwartet haben, läuft unser Tag wie folgt ab:

Munchkin -> Lesen -> Munchkin -> Spaziergang -> Munchkin -> Lesen

Den Spaziergang lässt Ida zu Gunsten eigener Umgebungserkundigungen aus, was wir ihr auch nicht so sehr übel nehmen können. Denn bis auf die in der Tat phänomenale Aussicht, die lediglich von Falke und Kuckuck gestörte Ruhe, und der Gemütlichkeit bietet diese Gegend hier keine Alternative zur bspw Ribiera Sacra.

Führt aber im Umkehrschluss ja dazu, sein Hüttchen umso mehr genießen zu dürfen, ohne das Gefühl zu haben, man könne etwas verpassen!

So lassen wir auch die zweite Nacht zum wechselnden Ruf des Kuckucks und der Eule passieren und packen tagsdrauf ein wenig wehmütig unsere Rucksäcke und Taschen, um unseren letzten Stop an der Nordküste anzufahren, bevor wir an Gründonnerstag pilgergleich in Santiago einkehren!

Eines wissen wir aber: O Castro hat uns nicht zum letzten Mal gesehen!

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