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Morgens 5:30 in der Hütte

Veröffentlicht: 16.08.2019

Es ist 5:30h. Eben war noch alles herrlich ruhig. Bis die ersten Wanderer beschließen, direkt unter unserem Fenster ihr Sonnenaufgangsfrühstück abzuhalten. Jetzt bin ich wach. Und da kann ich auch ein paar Zeilen für den Blog schreiben. Wird eh Zeit. Wir sind nun schon knapp eine Woche hier. Zeit an sich wäre gewesen. Zeit gibt es hier oben eine Menge. Aber Muße hatte ich noch nicht, weil ich noch unzufrieden mit der Gesamtsituation bin 😉 und mich die Stimmung hier beeinträchtigt. Eine neue Erfahrung hier oben. Ich hätte sie mir allerdings anders gewünscht.
Die Sonne ist jetzt wie ein roter Ball vor unserem Fenster aufgetaucht. Die Wandertruppe tauscht Kaffee und Geschichten aus. Hoffentlich sind sie wenigstens hier hochgewandert. Bei guten Wetter ist oft früh was los: Wanderer, Radler, Jogger und leider auch Autofahrer, da ein hervorragend ausgebaute Fahrweg auf die 1700 des Hochwechsels bis vor die Hüttentür führt. Man hat einen schönen Rundum- und ggfs. Weitblick, im Osten bis zum Neusiedlersee, im Westen zu den höheren Alpen. Insgesamt ist es aber noch recht flach und die Wiesen auch durch fehlendes Wasser schon braun. Die Hütte ist alt, von außen keine Schönheit, von innen in der typisch alten einfachen HüttenHolzromantik gehalten.
Es kommen viele Tagesgäste, aus der Umgebung, Wanderer von den umliegenden Almen, Mountainbiker und Downhillexperten, Senioren mit Krücken und Hund... In ein Weitwandersystem ist die Hütte leider nur schlecht integriert, daher kommen nur wenige Wanderer zum Übernachten.
Oh, jetzt ist es draußen wieder ruhig geworden. Die Sonne steht hellgelb am Himmel, die Truppe ist wohl weitergelaufen, in den heutigen Feiertag hinein. Könnte mir jetzt mal jemand einen Kaffee und ein Semmeln ans Bett zum Schreiben bringen!? Das wäre schön, ist aber der falsche Ansatz: Gäste werden hier nur in Ausnahmefällen individuell bedient und es gibt eine Vielzahl von Verhaltenserwartungen. Die sind zum Teil sicher einer Hüttenlogik und - logistik geschuldet, zum Teil für mich nicht nachvollziehbar. Beim Thema Gastlichkeit und Serviceorientierung gehen die Vorstellungen der Hüttenwirtin und meine auseinander. Sie zeichnet das Bild vom unmöglich fordernden geizigen Gast, den man in seine Schranken weisen und noch ein bissl erziehen muss ("A schlimmsten sind die Wiener, die in Stöckelschuhen Latte macciato bestellen"). Ich finde die Gäste eigentlich bisher alle ganz nett und unkompliziert (und bisher sind mir weder Stöckelschuhe noch Porsche begegnet und den Arschlochzuschlag in der Kasse musste ich auch noch nicht bonnen).
Samstag und Sonntag haben wir ein bissl die Gegend erkundet, umliegende Hütten und Schwaigen (steirisch für Alm) besucht und dem Treiben in der Hütte zugeschaut. Seit Montag arbeiten wir nun in Service und Küche, machen die Lager, putzen die Klos,... Ich bin im Nachhinein nochmal doppelt dankbar dafür, wie wir auf dem Hof und im Burgerladen mit in die Arbeit hineingenommen wurden. Hier gibt es kein Einarbeitungskonzept, aber viele feste Vorstellungen perfektionistischen Ausmaßes, wie was gemacht werden soll, die wir uns versuchen zu erschließen. Selbstständiges oder mitdenkendes Arbeiten ist nur bedingt erwünscht. Und mir fällt das, ehrlich gesagt echt schwer, bzw. macht mir keinen Spaß. (weder der Perfektionismus noch das mit Zurückhalten und nicht Mitdenken). Und die Atmosphäre von vielen unausgesprochenen Erwartungen und Verhaltensvorstellungen strengt mich sehr an.
Zwei Dinge, die ich mir für das Alltags- und normale Arbeitsleben merken will: Menschen Dinge zutrauen und sie (anders als ich) machen lassen! Und: Bilder, die man sich von Menschen gemacht hat nochmal wieder aufbrechen lassen (Es sind nicht alle Gäste Wiener und es sind nicht alle jungen Erwachsenen nervige Kiffer). Und die Regeln und "Erziehungsmaßnahmen", die man aufgrund der Erfahrung mit einigen wenigen aufgestellt hat, hinterfragen und aufbrechen. (Es klauen nicht alle Gäste die Wäsche, die man draußen aufhängt und es gibt vielleicht auch Bewohner bei WundA, die gut ohne ein Besuchsverbot auskommen!?).
So kleine Erkenntnisse für den Alltag sind ja schon mal toll im Sabbatjahr! Aber ich bewege mich hier ungern in einer fehlerunfreundlichen Atmosphäre und mir fehlt der nette gemeinschaftliche Teil des Arbeitsteams, wie wir es von anderen Hütten oder aus anderen Arbeitserfahrungen kennen (z. B. gemeinsames leckeres großzügiges Essen). Ich fühle mich als Personal hier oft wie die 2. Klasse.
Wir hatten es ja geahnt. Die facebookseite gab bereits einen kleinen Einblick. Aber wir hatten keine andere Möglichkeit. Seit letzten Herbst haben wir uns in bestimmt 50 Hütten beworben: Der Zeitraum zu kurz, zu wenig Erfahrung, zu alt, zu zu zweit! Auch jetzt konnte ich die Situation natürlich nicht aushalten, ohne selbst aktiv zu werden. Ich habe den DAV und den OeAV kontaktiert. Alle neuen Jobausschreibungen gecheckt: keine Chance: der Zeitraum zu kurz, zu wenig Erfahrung, zu alt, zu zu zweit!
Ich hatte mich eigentlich sehr auf die Hüttenzeit gefreut. Das hier ist noch nicht so ganz die Erfüllung! Trotz schönen Sonnenaufgangs, jetzt wieder mit Bergruhe und leisem Kuhglockengebimmel. 

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