Veröffentlicht: 24.09.2019
Ich habe gerade nochmal nachgeschaut, ziemlich genau vier Wochen ist mein letzter Post her: 24.08. Wir hatten 14 Tage auf der Hütte geschafft. 14 Tage lagen noch vor uns. Zum Hüttendasein ist alles geschrieben. Da hat sich in der zweiten Hälfte nicht mehr viel geändert. Ich muss schon wirklich überlegen, was den Hüttenalltag noch geprägt hat, wenn ich das hier noch festhalten will. Wir sind ja nun schon wieder 14 Tage zu Hause.
Interessant ist ja, wie sich, wenn man zurück kommt, im Erzählen vier Wochen erlebtes reduzieren. Auf die fünf Sätze verkürzen, in welchen man anderen über die Zeit berichtet. Diese vier Wochen werden quasi reduziert, eingekocht, wie ein Bratensaft auf dem Herd und das kleine Bild, das bleibt, verfestigt sich auch als Erinnerung. Dabei frage ich mich, ob man in diesem Einkochvorgang wirklich die Essenz der Zeit trifft. Für Helmut steht bei seinen Berichten der Erkenntnisgewinn durch den Blick in die Tiefkühlschränke einer Hüttenküche im Vordergrund und die Einsicht, dass er sich nicht vorstellen kann mal eine ganze Saison auf einer Hütte zu verbringen, schon gar nicht, wenn man diese nicht mit dem Auto verlassen kann. Ich werde häufig auf den vagen, aus unseren Blogs und Kurznachrichten hängen-gebliebenen Eindruck „das auf der Hütte war ja nicht so doll“ angesprochen und versuche dann in wenigen Worten, ausgeschmückt mit kleinen Fallbeispielen, zu berichten, wie es mir in der „Zusammenarbeit“ mit der Hüttenwirtin ergangen ist.
Dann versuchen wir noch anderes Bild von Österreich, der Landschaft, den Menschen, der Umgangsformen und der Esskultur zu zeichnen, als die meisten unserer Gegenüber es von Besuchen in Tirol oder Kärnten kennen.
Mich hat in der Zeit und auch noch in den ersten Tagen danach, die Frage sehr beschäftigt, warum man sich (in dem Fall wir beide) ohne lebenswichtige Notwendigkeiten so schnell einem System unterordnet, dass man von Beginn an zumindest in einzelnen Punkten suspekt, nicht gerecht, nicht trag- oder vertretbar findet. Unter dem Strich: ohne Aufbegehren und ohne in Konflikte zu gehen. Gut, es macht sich jetzt nur an kleinen Dingen wie Duschzeiten, Verkauf von 3 Tage altem Kaffee oder der Ausgabe von Trinkwasser fest. Aber auch „rebelliert“ haben wir eigentlich nur im Kleinen.
Warum? Konfliktscheue, weil man ja den Chef im Prinzip 24h um sich hat, weil man eh nach vier Wochen wieder weg ist, weil man sich so schnell gewöhnt!? Stolz? Sich selbst, die eigenen Einschätzungen oder auch Bedürfnisse nicht ernst genug nehmen? Das Abhängigkeitsverhältnis als Angestellte, weil man einen Dienstvertrag höher stellt als das menschliche Verhältnis?
Wir haben uns auf jeden Fall arrangiert. Der Arbeitstag begann meist um 10h. Wenn das Wetter schön war haben wir draußen mit dem Blick auf den Hochwechsel unser Müsli und unseren Kaffee gefrühstückt, gelesen, die Zeit für einen kleinen Sprint bergab und bergauf genutzt, selten ein bisschen Pilates gemacht … Die Tage, an denen es dann stressig wurde ( bis max. 16h) lassen sich an einer Hand abzählen: Feiertag, Wetter gut, Gruppen angemeldet. Ansonsten hat man auch schon mal eine Stunde im Internet verbracht, gelesen, gemalt in der Hoffnung, dass sich doch noch Gäste in die Hütte verirren. Helmut hat furchtbar viel abwaschen müssen. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so viel gefegt. Manchmal haben wir noch selbst gekocht, weil wir das Hüttenangebot nicht mehr sehen konnten, vor freien Tagen sind wir oft schon abends weggefahren. Ein schönes letztes Sommerwochenende war so der 1. September. Wir haben in Königsdorf am Badesee übernachtet, waren abends und morgens schwimmen, sind den Tag durch Graz gebummelt, … Am Wochenende davor war ein Lindy-Festival in Fürstenfeld mit tollen Bands und wir haben viel getanzt und anschließend irgendwo in der Butnik übernachtet. Einen Samstag habe ich noch eine riesen Almentour gemacht, so dass ich Sonntag echt Muskelkater hatte.
Trotz all dem habe ich die Tage gezählt und war froh über das angekündigte schlechte Wetter für unser letztes Wochenende. Nebel, Nieselregen und kaum Sicht. Und so haben wir mit der Chefin vereinbart, dass wir bereits am Freitagmorgen statt am Sonntagabend abreisen konnten. Ich bin ja schon geübt im Kofferpacken, aber so schnell und so gut vorbereitet war ich noch nie, glaube ich. ;o)
Ein komisches Gefühl bleibt, merke ich, wenn ich über die Zeit nachdenke. Ich habe selten die Erfahrung gemacht, dass ich mit jemandem so schlecht auskomme, Verhaltensweisen weder gutheißen, noch entschuldigen, geschweige denn nachvollziehen konnte. Aber es stimmt schon, dass ich wenn das so ist, schwer bis gar keinen persönlichen Kontakt zu diesen Menschen aufbauen kann. Das merke ich, wenn ich über andere Beispiele nachdenke. Auch eine Erkenntnis. Meine Idee von einer Zeit auf einer Wanderhütte war zwar eigentlich eine andere. Aber darum mit sich selbst allein zu sein, darum ging es in meiner Idee von einem Sommer in den Bergen ja auch. Gut, meine Version mit fließend kaltem Wasser, Holzofen und schlechtem Handyempfang (=Hugo-Gerber-Hütte) sah etwas romantischer aus...
So, jetzt habe ich die Reduktion wieder etwas aufgefüllt, erweitert. Ich weiß gar nicht, wie man das im Küchenjargon sagt, mit Weißwein abgelöscht!? Auch wenn in einer Stunde und auf einer Seite bestimmt noch nicht alle Aspekte berichtet sind. Es gab ja z.B. auch noch andere Mitarbeiter auf der Hütte (eine ungarische Köchin, ein Mädel vom Dorf, den Sohn der Chefin). Nette Begegnungen mit Gästen (vier lustige Fahrradfahrjungs, ein Wiener Pärchen, Leute aus den Dörfern, der Schnapslieferant, ein Mähdrescherverleiher). Aber davon erzählen wir dann vielleicht lieber mal persönlich, wenn ihr mögt auch in mehr als fünf Sätzen.
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