Veröffentlicht: 15.12.2016
Phnom Penh - die quirlige Hauptstadt Kambodschas. Nach über einer Woche Strand, Meer und Beachlife fällt es mir schwer, mich zurück zu erinnern, mir die Gerüche, Geräusche, Menschen und Gebäude dieser chaotischen Großstadt wieder in Gedanken zu rufen. Sie ist keine Schönheit, weit entfernt von modernen asiatischen Metropolen wie Bangkok oder Singapur, dennoch strahlen die kleinen Straßenstände und bunten Märkte einen gewissen Charme, eine Gemütlichkeit und eine Ursprünglichkeit aus, die in Großstädten heutzutage wahrscheinlich nur noch schwer zu finden sind. Trotz dieser schönen Aspekte liegen die Erinnerungen an den grauenhafte Krieg der Roten Khmer nach wie vor wie ein dunkler, trauriger Schatten über der Stadt. Die Menschen sind nach wie vor schwer traumatisiert , überall erinnern Mahnmale und Denkmäler an die Greueltaten, an allen Ecken und Enden sind noch Nachwirkungen spürbar. Überlebende Kinder von damals sind heute kaum älter als ich, überlebende Erwachsene von damals sind heute im Alter meiner Eltern.
Tuol Sleng - dieser Ort steht für das Grauen und das barbarische Wirken der Roten Khmer. Der Besuch dieses Gefängnisses hat mich schockiert, traurig gemacht und gleichzeitig animiert, meinen Reisebericht diesen Geschehnisse zu widmen.
Es war einmal Paul Pot, der in den 60er Jahren als junger Kambodschaner zum Studieren nach Paris ging . Inspiriert und angeheizt von den kommunistischen Bewegungen in Frankreich kehrte er in sein Heimatland zurück mit dem Ziel, in Kambodscha eine radikal-kommunistische Agrarwirtschaft einzuführen und so eine "Bedürfnislose Gleichheit der Menschen" zu schaffen. Mit zahlreichen Verbündeten zog er sich in den nordkambodschanischen Urwald zurück, um diese zu Guerillakämpfer auszubilden. So entstanden langsam die Roten Khmer, die 1975 in Phnom Penh einwanderten und es innerhalb weniger Stunden schafften, die gesamte Bevölkerung - über eine Million Menschen - zu vertreiben, unter dem Vorwand, die Amerikaner würden erneut Luftangriffe starten. Phnom Penh glich nach der Massenflucht einer Geisterstadt. Getäuscht von dieser erfundenen Warnung wurden noch Wohnungen geputzt, in dem Glauben, man würde in wenigen Tagen wieder zurückkehren, doch es war eine Flucht in Unglück, Folter, Hinrichtung und Tod. Sämtliche Personen, die als vermeintliche Intellektuelle (dazu zählten sämtliche Brillenträger, Personen, die Fremdsprachen beherrschten oder die zarte anstatt Handwerkerhände hatten) eine Gefahr durch das einberufene autarge Regime darstellten, wurden sofort nach Tuol Sleng gebracht - einer ehemaligen Schule, die Paul Pot zu einem Foltergefängnis umgebaut hatte. Ich habe Tuol Sleng besucht, ich habe noch nie einen schaurigeren, erschreckenderen und traurigeren Ort gesehen. das Gebäude gleicht nach wie vor einer alten Schule, die Spielgeräte wie etwa das Schaukelgerüst wurden zu Foltergeräten umfunktioniert, aus Klassenräumen wurden Gefägniszellen und Käfige. Geht man heute durch die Räume und Gänge, kann man förmlich die Angst- und Schmerzschreie noch hallen hören, so unverändert bedrückend wirkt die gesamte Anlage. Alle Gefangenen wurden solange mit brutalsten Methoden gefoltert, bis sie aus Verzweiflung irgendwelche erfundenen Verbindungen zu Geheimdiensten oder zur alten Regierung zugaben. Anstatt dann befreit zu werden, wurden sie - vollkommen unwissend darüber, was passiert oder wohin sie gebracht wurden - in vergitterten Kastenwägen in den Tod chauffiert- zu den berühmten Killing Fields. Das gesamte Handeln und Tun der Verbündeten rund um Paul Pot musste absolut im Geheimen passieren, sodass die schlimmste Bestrafung dann erfolgte, wenn die Gefolterten schrien oder weinten.
Auch die Killing Fields waren einen Besuch wert, den circa zweistündige Rundgang empfand ich als sehr aufwühlend und bedrückend. Noch heute kommen nach starken Regenfällen Knochen und Kleidungsstücke regelmäßig an die Erdoberfläche. Besonders berührend war der sogenannte Killing Tree - da aus Sicht der Roten Khmer Patronen und Munition zu wertvoll waren, wurden vor allem Kinder solange gegen einen Baum geschlagen, bis sie starben. Bis zum Ende der Roten Khmer Herrschaft fielen circa 2 Millionen Kambodschaner - fast ein Drittel der gesamten Bevölkerung - dem grausamen Massenmorden zum Opfer.
Nachdem wir letzte Woche bereits zum dritten Mal Phnom Penh ansteuerten ( die beiden Male davor waren wir jeweils nur für ein paar Stunden zum Umsteigen in der Stadt) waren der Besuch der Killing Fields und des Tuol Sleng Gefängnisses quasi ein Muss - ohne sich näher mit dieser schockierenden Geschichte zu befassen, würde man die Menschen, die Atmosphäre in Kambodscha und der Entwicklungsstand in diesem Land kaum verstehen.
Nach unserem kurzen Phnom Penh Abstecher haben wir uns spontan entschieden, noch ein paar Tage auf der thailändischen Insel Koh Chang zu verbringen und Sonne zu tanken, bevor wir unsere Reise auf Bali ausklingen wollten. Die Anfahrt nach Koh Chang von Phnom Penh aus war aber alles andere als eine entspannende Einstimmung auf Sonne, Stand und Meer, nachdem wir an der Grenze zu Thailand gemeinsam mit der einzigen anderen Touristin im Bus, einer zwanzgjährigen Finnin, aus unserem Bus geworfen wurden, zu Fuß den nicht sehr hoch frequentierten Grenzübergang passierten und auf der thailändischen Seite plötzlich kein Bus mehr für uns bereit stand. Nach längerem verzweifelten Warten und x-maligem Umsteigen in diverse Transportmittel (von Bus in Minibus, von Minibus in Pick Up, von Pick Up auf Fähre und von Fähre auf Pick up), erreichten wir nach einer fast zwölfstündigen Tortur endlich unser Hotel in Koh Chang. Ziemlich erschöpft von den ganzen Reisestrapazen und den vielen Eindrücken in den letzten Wochen, haben wir die Tage auf Koh Chang mit Relaxen, ein bisschen Laufen und Yoga verbracht. Die Erinnerungen an die furchtbaren Geschehnisse in Kambodscha rücken dadurch natürlich in den Hintergrund, vergessen werde ich diese Erfahrung aber sicher nie!