Veröffentlicht: 18.03.2019
Das Warten hat sich gelohnt! Von der Stadt Malang aus geht es los, und zwar früh, schon um 12 Uhr Mitternacht klingelt unser Wecker, nachdem wir zwei Stunden gedöst haben. Wir fahren zum Bromo-Vulkan. Die Fahrt dauert drei Stunden und wir fahren mit dem Auto steiler und steiler den Berg hinauf, bis wir in einer langen Schlange von Autos enden. Es ist super voll hier! Als wir ein Dorf passieren, in dem sicherlich hundert Jeeps an den Straßenrändern aufgereiht sind, mit lauten, laufenen Motoren, dazwischen rufende Männer und verwirrte asiatische Touristen, die aus ihren Reisebussen ausgestiegen sind und umherirren, beschleicht uns ein schlechtes Gefühl. Hatten wir doch gedacht, der Andrang in dieser Gegend sei um einiges geringer, da es ja schließlich Regenzeit ist und es keine Wetter- und Aussichtgarantie gibt. In dem kleinen Bergdorf Cemoro Lawang steigen wir in unseren Jeep um, den wir für uns alleine haben, und los geht es durch die Dunkelheit, denn ausser dem Licht der Sterne sehen wir nichts. Wie wir später merken, fahren wir bereits ganz nah an den Vulkanen entlang! Der Aussichtspunkt liegt auf der anderen Seite des grossen Kraters und als wir ankommen, sind nicht nur schon viele Menschen vor Ort, frierend und Tee trinkend, sondern auch noch viel mehr Jeeps auf dem Weg zu uns - langsam schlängelt sich eine ganze Autoschlange durch den riesigen Krater. Und ja, es ist wirklich kühl, vor allem durch den Wind, der geräuschvoll durch die Ebene fegt. Es ist kurz vor vier, als wir dann eigentlich bereit für den Sonnenaufgang wären, doch jetzt heisst es einfach: warten. Hüpfend (um uns warumzuhalten) und zitternd warten wir also. Wie kalt ist es überhaupt? Wir schätzen es auf circa fünf Grad (was sich für unser momentanes Empfinden schon SEHR KALT anfühlt - wie soll es nur werden, wenn wir nach Hause kommen?). Irgendwann kommt dann die Sonne und enthüllt, was da vor uns liegt: der Bromo-Vulkankrater, tiefgrau zerfurcht und rauchend, davor der Batok-Vulkan, aussehend wie man sich einen Vulkan so vorstellt, ein perfekter, grüner Kegel mit ebenfalls tiefen Furchen, und im Hintergrund majestätisch der riesige Semeru-Vulkan. Man muss dazu sagen, dass uns dieser Anblick erst später geboten wird, denn bei Sonnenaufgang hängen viele Wolken in der Ebene, sodass wir meist nur Ausschnitte des ganzen Panoramas sehen können.
Nachdem es hell geworden ist, geht es dann mit dem Jeep wieder herunter und zu Fuss weiter direkt zum Bromo-Vulkan. Das Geschäft mit Ausleih-Pferden floriert, sodass dutzende Pferde mit ihren Besitzern bereit stehen, um fusskranke Touristen den Berg hinaufzuführen. Wir laufen, freuen uns aber über tolle Pferde-Anblicke auf dem Weg, denn die Tiere machen sich fotogen mit dem Vulkan-Hintergrund. Eine steile Treppe führt uns schliesslich bis hoch zum Krater und von dort aus schauen wir in den rauchenden Schlund des Vulkans. Hin und wieder weht uns ein starker Schwefelgeruch in die Nase. Unten im Krater sehen wir, wenn sich der Rauch ab und zu lichtet, kochend heisses, schäumendes Wasser im Vulkaninneren. Dazu rauscht der Vulkan dumpf. Eindrucksvoll! Claudio geht ein wenig entlang des Kraters und Elena bleibt nah an der Treppe am Geländer stehen, denn eben dieses ist nicht gerade hoch (und es befällt sie eine Art Höhen/-Sturzangst). Nachdem wir genug gestaunt und fotografiert haben, geht es dann zurück zu Jeep und später zum Auto und nach einer weiteren 7-stündigen Fahrt kommen wir übermüdet in der Stadt Banyuwangi an. Solche nächtlichen Ausflüge und die langen Autofahrten schlauchen sehr und deshalb haben wir uns dazu entschieden, einen Tag Pause einzulegen. Da wir ein Zimmer in einem wirklich sehr gemütlichem Homestay in Banywangi haben, fällt uns der Pausetag auch gar nicht schwer - hier ist es wirklich paradiesisch, denn wir sind im Hinterland, mitten in grünen Feldern mit vielen Palmen. Auf unsere Nachfrage, was man so in der Gegend machen könne, weiss unsere Gastgeberin schnell Rat und empfiehlt uns, eine Kaffeetour zu machen. Sie ruft bei dem Inhaber der Kaffeeplantage an (der offensichtlich nicht vor Ort ist) und meldet uns an, und mit Hilfe von Onlinekarten finden wir schliesslich den Weg, immer weiter aufs Land, bis wir in einem winzigen Dorf auf der Kaffeeplantage ankommen. Über die Schotterstrasse fahren Kinder mit ihren rostigen Fahrrädern und am Strassenrand hocken mehrere Frauen, die unsere Ankunft laut kommentieren: „Ada turis!“ - die Touristen sind da. Uns empfangen zwei junge Typen und zuerst bestellen wir beide einen Kaffee. Aus Ermangelung an Kuhmilch (auf der Plantage gibt es nur Ziegenmilch) trinken wir beide einen schwarzen Kaffee, nachdem der komplette, grobe Kaffeesatz, der in den Tassen schwimmt, abgesunken ist. Javanischer Kaffee-Style. Schmeckt „geht so“. Als wir dann fragen, ob wir etwas über Kaffee lernen können, merken wir schnell, dass die beiden Jungs nur minimalste Englischkenntnisse haben - aber zum Glück konnte Elena einmal recht gut Indonesisch sprechen und verstehen, und so trauen wir uns, es einfach zu probieren. Die Art, wie die beiden dann sehr lange über den Preis diskutieren, den sie von uns verlangen können, zeigt einerseits ihre Unerfahrenheit mit Touristen, andererseits ihre Herzlichkeit: sie verlangen 30.000 Rupiah, also umgerechnet 2 Franken, um uns zu zeigen, wie sie den Kaffee rösten. Unglaublich! Die folgende Stunde verbringen wir damit, uns mit Händen und Füssen, mit mehr Indonesisch als Englisch und mit Online-Übersetzer zu verständigen und etwas über die Kaffeeproduktion und -Rösterei zu lernen. Die ungerösteten Kaffeebohnen sind ungewohnt anzusehen, denn sie sind beige-grün und liegen schwer in der Hand. Die abenteuerlich aussehende Apparatur (eine Stahl-Trommel mit Drehvorrichtung), die sich als Röster entpuppt, muss einige Minuten durch eine darunterliegende Gasflamme erhitzt werden, dann werden die Kaffeebohnen hineingefüllt und die Stahltrommel gedreht und gedreht und gedreht. Immer mal wieder testen wir die Röstung der Bohnen, die langsam hellbraun und schliesslich dunkel-schwarz-brau werden, und immer mehr steigt uns der Geruch von Kaffee in die Nase. Herrlich.
Nach ungefähr fünfzehn Minuten ist unser Kaffee dann fertig geröstet. Wir kaufen dann 500 Gramm fertig gerösteten Kaffee als Mitbringsel und sind eigentlich bereit zur Rückfahrt, als uns einer der beiden Jungs von einem Aussichtshügel in der Nähe erzählt, von dem aus man die Küste und die Insel Bali sehen könne, und als Elena antwortet, das klinge ja toll, nickt er uns aufmunternd zu und sagt: „Ayo!“ (Los, lass uns gehen!). Das ist wohl der Moment, der all die Freundlichkeit und Herzlichkeit der Indonesier beschreibt (die, die ausserhalb von Touristenhochburgen leben, die einfach nur nett sind, mit einem Gespräche ohne Hintergedanken fühlen, einfach nur, weil sie es nett finden, sich auszutauschen), denn daraufhin fahren wir zu viert zum Aussichtshügel, der wunderschön bepflanzt ist und ein Sonntags-Ausflugsziel für indonesische Familien, aber auch die „Dorfjugend“ zu sein scheint - Touristen sind hier weit und breit nicht. Plötzlich fühlen wir uns, als seien wir unter Freunden, es kommen noch weitere Jungs hinzu, einer mit Gitarre und Elena spielt und singt den einzigen indonesischen Song, den sie auswendig kann. Und so haben wir einfach eine gute Zeit zusammen, fern ab von all dem Tourismus, der manchmal auch anstrengende Seiten an sich hat.
Zufrieden und glücklich lassen wir den Abend an einem Strand ausklingen, der zwar nicht sehr schön und auch etwas vermüllt, aber wieder voll von netten Einheimischen ist, die mit uns ihren Tisch teilen, obwohl schon alles besetzt ist, uns Essen anbieten, dass wir sonst nie probiert hätten und uns ausfragen, was wir so in Indonesien machen. Hin und wieder kommt es natürlich auch zu grotesken Situationen - wie als ein älterer Herr, der am Nebentisch hockt, Elena zuerst mit Blitz fotografiert und danach eine Videotelefonie-Konferenz mit seiner Familie beginnt, in der er sie filmt und erzählt, dass ihm eine Ausländerin gegenüber sitze (das alles ohne Vorwarnung oder zu fragen, aber das ist schon in Ordnung, es ist ja nicht böse gemeint). Was haben wir eine entspannte und glückliche Zeit in Banyuwangi!
In der zweiten Nacht geht es dann wieder früh los, dieses Mal um 00.30 Uhr nachts, wieder schlafen wir vorher also praktisch nicht! Wir erklimmen den Ijen-Vulkan! Im Gegensatz zum Bromo, den wir uns mit vielen hunderten Menschen teilen mussten, scheint der Ijen-Vulkan geradezu ausgestorben zu sein, als wir ankommen. Wir haben im Vorfeld über den Vulkan vieles gelesen, denn hier gibt es einiges Spannendes zu entdecken: in der Nacht entzünden sich die ausströmenden Schwefelgase des Vulkans manchmal zu einem blauen Feuer, das dann meterhoch im Vulkan lodert. Ausserdem gibt es in diesem Vulkan eine Schwefelmine, in der Arbeiter wohl einen der härtesten Jobs der Welt ausüben: den Abbau von Schwefel und das Schleppen 70-90 Kilogramm schwerer Bambuskörbe mit dem Schwefel, zuerst über enge, nicht gesicherte Wege hoch zum Kraterrand und dann drei Kilometer sehr steil hinunter bis zum Fusse des Vulkans. Das Ganze oft ohne Schutzkleidung, also buchstäblich ungeschützt vor den giftigen Schwefelgasen. Man kann sich nicht vorstellen, was es heisst, in dieser Hölle zu arbeiten. Wir, als Touristen in einer geführten Tour, tragen, als wir nach dem wirklich extrem steilen Weg in den Krater des Vulkans absteigen, Gasmasken. Die Arbeiter nicht. Wir waren also vorbereitet auf den Anblick der Menschen, der dort arbeiten. Als wir dann den ersten Arbeitern begegnen, empfinden wir tiefe Ehrfurcht vor ihnen, und auch Mitleid. Doch, was uns wirklich trifft, ist etwas ganz anderes. Die Arbeiter sind freundlich und nett, sie lächeln, sie grüssen uns und unsere Vulkanführerin und sie plaudern mit ihr. Hatten wir uns doch harte, verhärmte Männer vorgestellt, die böse vor sich hinblicken, treffen wir hier freundliche Menschen - das ist umso krasser. Und macht uns unendlich betroffen.