Veröffentlicht: 26.08.2018
Yerevan
Stolze fünf Nächste verbrachte ich in Yerevan.
Zuerst hatte dies einen gar nicht mal so schönen Grund. Ich war krank. Nachdem mein Magen bereits seit Georgien rumpelte, kippte die Magen-Darm-Situation in Yerevan und ich war auf eine naheliegende Toilette angewiesen. Der Trotz war natürlich trotzdem noch groß, nur ans Bett fesseln wollte ich mich nicht lassen, wollte ich doch die Stadt erkunden. Nur zwei Stunden nach der Ankunft im Hostel erspähte ich eine verwuschelte, alternative Italienerin, die im Hostel eintraf und ins Bett neben mir einzog. Als sie sich in den Gemeinschaftsraum setzte, ging ich auf sie zu und fragte ob sie Lust habe, Yerevan mit mir zu erkunden. Wenige Minuten später waren wir dann auf dem Weg durch die ordentlich gepflasterten Straßen. Yerevan ist sehr schön, sehr ordentlich, shiny. Abends geht das Leben los und die Restaurants platzen aus allen Nähten. So wurden wir direkt auch bei zwei Restaurants aufgrund fehlender Reservierung abgewiesen. Auf den gebeutelten Magen gönnte ich mir einen Schawarma, was mir den Dolchstoß gab.
Den nächsten Tag verbrachte ich also im Bett. Ende der Geschichte.
Der dritte Tag sollte dann ganz ¨entspannt¨ sein. Doch so entspannt war es gar nicht. Morgens gingen wir los, um zum Genozid Museum zu fahren. Dieses liegt ein bisschen außerhalb, sodass der Hinweg schon einige Zeit beanspruchte. Die Lage des Museum über den Dächern der Stadt zeigt jedoch schon von weitem die hohe Relevanz, die das Thema für Armenien spielt. Beim Museum angekommen fiel mir direkt der große Tannenwald auf. Verschiedene Staatschefs und Persönlichkeiten hatten hier Tannen in Erinnerung an den Genozid gepflanzt. Eine Tanne eines deutschen Präsidenten war hier nicht gefunden, aber wollen wir mal nicht so sein, schließlich haben wir auch erst 2016 den Genozid anerkannt, bis dann so eine Tanne gepflanzt ist kann ja noch Zeit vergehen. Auffällig im Tannenwald sind die unterschiedlichen Größen der Tannen. Ich schloss daraus, dass die Größenunterschiede eventuell darauf hinweisen, wann der Genozid von welchem Land anerkannt wurde. Google sollte helfen. Und half. Pustekuchen tiefe Bedeutung: die Tannen haben unterschiedliche Größen, weil sie wegen der Hitze ständig eingehen und neu gepflanzt werden müssen. Ein Nadelwald bei 40 Grad, das schreit ja schon nach einem harten Baumleben. Insgesamt ist das Museum absolut zu empfehlen. Es ist sehr eindrucksvoll und immens informativ. Wahrscheinlich müsste man ein zweites Mal hin, um all die Facetten und Details der armenischen Geschichte aufnehmen zu können.
Geplättet von all den Informationen und schlimmen Geschichten schaute ich auf mein Handy und sah eine Nachricht. Der Tage zuvor kontaktierte Mensch der Free Walking Tour Yerevan fragt, ob ich teilnehmen wolle, ich müsse mich anmelden. Zwischen körperlicher Schwäche und seelischer Genozidbelastung schrieb ich, dass ich noch nicht komplett sicher sei, da ich seit Tagen krank sei. Kurz angebunden kam zurück: Ohne Anmeldung keine Tour. Okay okay. Ich meldete mich und die Italienerin an und fragte noch einmal nach dem Treffpunkt. ¨Alle Informationen sind auf der Webseite zu finden.¨ Hoppala, das ist aber nicht sehr freundlich...trotzdem gingen wir zum Treffpunkt, an dem Vako, der Walking Tour Guide wartete. Die Namen wurden gecheckt, als er meinen vorlies, fragte er vor der Gruppe ¨Do you still feel sick?¨. Hoppala, fand ich auch nicht sehr sensibel. Dass ich die Frage mit Ja beantwortete, interessierte ihn nicht besonders. Wir rannten durch die Stadt und wurden vollgestopft mit historischen Informationen, die immer darin endeten, dass Armenien das erste, das beste, das älteste, das wichtigste und kulturell reichste Land in allen erdenklichen Belangen ist. Wir blieben bei der Tour, obwohl es uns beiden nicht besonders gefiel. Die Stimmung war so anders, als bei den Walking Tours in Tbilisi, die jung waren und einem die Stimmung der Stadt widerspiegelten. Als die Tourgruppe dann die vielen Treppen des Alexander Tamanyan Museum hochstiefelte, die Noemi aus Italien und ich schon am Vormittag erklommen haben, seilten wir uns mit einem estonischen Pärchen ab. Das Pärchen bestätigte alle Eindrücke, auch sie hatten negative Erfahrungen in der Vorkommunikation gemacht und sind über die Arroganz des ältesten, besten, reichsten, ersten Landes gestolpert (bzw. Die Erzählweise dazu). Das Pärchen und Noemi gingen ohne zu bezahlen, ich hatte aber das Gefühl, im trotzdem etwas geben zu wollen, dafür dass er uns drei Stunden durch die Stadt geführt hatte. Promt lief ich also Vako in die Arme, der mich begrüßte ¨I thought you and your friend ran away. I made the whole group wait for you, so dont do this again on a tour.¨ Das gab mir den Rest, nach drei Stunden rennen ohne Rücksicht auf Verluste und die Laufeinschränkung einer Teilnehmerin sowie Sätze wie ¨Please respect the fast ones.¨ war ich jetzt echt sauer. In meiner passiv-aggressivsten Arroganz schaute ich ihn an, steckte ihm Geld in seine Hand und wünschte ihm vor der Gruppe einen schönen Abend, den ich nicht mehr mit ihm verbringen werden.¨Is she angry now?¨ Jup.
Am folgenden Tag und mit Hilfe von Immodium hatte ich eine klassische Touri-Tour gebucht. Mit Reisebus, Tourguide und 10 anderen Touristen mit einem Durchschnittsalter von 65 Jahren tuckelten wir durchs Lande und erkundeten Kirchen. Trotz inneren Protests gegen diese Form des Tourismus hatte auch die Italienerin eingewilligt mitzumachen, sodass sie neben mir im Bus saß. Ja gut, Kirchen interessieren mich noch immer nicht so sehr. Beeindruckend war es trotzdem. Vor allem eine Kirche bleibt in Erinnerung. Nowawank liegt wundervoll gelegen und ist wunderschön. Das Highlight war dann, dass hier sogar gerade geheiratet wurde und wir bei der Trauung Mäuschen spielen konnten. Herrlich!
Auf dem Weg zurück ins Hostel überlegten wir, für den nächsten Tag ein Auto zu mieten und noch einmal zu den Highlights der Tour zu fahren. Im Zimmer recherchierte ich gerade nach Autos, als Noemi reinkam und mir eröffnete, dass sie für den nächsten Tag eine Gruppe anderer Menschen kennengelernt hatte, mit denen sie nun reisen würde. In ya face, Pläne futsch! Ich war irgendwas zwischen beleidigt und traurig, aber so ist das nun einmal als Alleinreisende, s wie ich egoistisch einige Pläne durchziehe kann ich niemandem anderen den Vorwurf machen, die bestmögliche SItuation herauszuholen.
Garni
Ich entschied mich in das einstündig entfernte Garni zu fahren. Mit der Maschrutka war dies auch einfach. Mit einem kleinen Rucksacke machte ich mich auf die Suche nach einer Unterkunft und fand auch schnell einen hübschen Ort. Von dort begann mein Tag.
Ich marschierte in die Touristeninfo, ein kleiner Raum im Rathaus. Als ich die Türe hereinkam, strahlte mich ein junges Mädchen an. Sit down, do you want to drink something, how can I help you? Die Frau hatte in ihrer Schulung aufgepasst. Sie versorgte mich mit Informationen und ich lief los. Zuerst zur ¨Symphonie der Steine¨. Basaltsteine die wie aus einer anderen Welt arrangiert waren. Wow, so etwas hatte ich noch nie gesehen. Von dort wollte ich zu einer drei Kilometer entfernten Kirche laufen. Die Wege waren vielversprechend aufbereitet. Dass ich nur Flip-Flops trug war kein Problem...bis zum letzten Kilometer. Den Aufstieg sah ich nur nach Hinweis eines Anwohners - es sollte den letzten Kilometer steil einen sandigen Boden hochgehen. Schon nach wenigen Metern rutschte ich ständig aus. Ich probierte es sogar, den Berg barfuß zu besteigen, was zwar wesentlich einfacher ging, mir jedoch als keine besonders intelligente Idee vorkam. Abbruch. Mit dem Schuhwerk war hier nix zu machen. Drei Stunden später erreichte ich also wieder den Dorfkern und schaute mir nun auch endlich den berühmten Tempel an, zu dem täglich Reisebusse gebracht werden. Die sind abends wieder weg, sodass ich den Tempel echt genießen konnte.
Um 10 war Schlafenszeit.
Auf den folgenden Tag freute ich mich schon jetzt. Denn es sollte mal wieder reiten gehen. Das Mädchen aus der Touristen-Info hatte mir ein Pferd organisiert und einen rüstigen Armenier dazu, der das Pferd an den Zügeln führte. Gemütlich gingen wir zur Symphonie der Steine und ich genoss das Schaukeln auf dem Rücken von Pferd Julie. Die allerdings fand des Ausritt nicht so dolle. Sie hatte keine Lust von ihrem Pferdewirt ständig in andere Richtungen gezogen zu werden und bockte. Das tat mir etwas Leid, aber was sollte ich machen? Etwas tiefer im Nationalpark fragte mich der Armenier, ob ich die Zügel mal haben wolle und ob ich reiten könne. Selbstbewusst nach meinem einmaligen Ausritt in Udabno stimmte ich zu. Und dann ging der Spaß los. Julie fand es wesentlich cooler, nicht mehr gezogen zu werden und lief ganz lieb aber etwas beschwingter den Weg entlang. Auch ihr Herrchen (wie nennt man das bei Pferden?) Fand es klasse, nicht mehr länger an dem Tier herumziehen zu müssen. Über Stock und Stein ritten wir wie Amadeus und Sabrina, während der arme Mann neben uns her lief. Das machte ihm aber nichts aus, sodass er noch eine Stunde länger als vereinbart mit mir unterwegs war. Toll! Leider wusste der Mann nicht, wie man eine Handykamera bedient, sodass es auch von diesem Ausritt kein gebrauchbares Bild gibt aber die Erinnerungen sind in meinem Kopf gut gespeichert.
Nachmittags ging es zurück nach Yerevan und dort mit der Italienerin auf ein Volkstanzfestival, das kostenlos in der Stadt stattfand. Das war also Yerevan. Während ich es erst toll fand, dann etwas skeptisch wurde, da alles in der Stadt so hochgestochen modern und auf hübsch getrimmt wurde, mochte ich die Stadt nun doch wieder. Es ist kein Vergleich zu Tbilisi. Dafür fehlt der Charme alter Städte. In Yerevan wurde vor einigen Jahren der Fehler gemacht, die meisten historischen und alten Gebäude der Innenstadt abzureißen und neue Gebäude hinzustellen. Diesen Fehler sind sich die Yerevaner inzwischen bewusst und fangen nun wieder an die Altstadt mit den Steinen von damals aufzubauen. Ob das klappt und der Stadt wieder mehr alten Charme verleiht, bleibt abzuwarten.