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Kap Kaliakra und unsere bulgarische Vignette

Veröffentlicht: 16.10.2017

Auf unserem Weg entlang der Schwarzmeerküste gen Süden erreichten wir am Freitagabend schließlich Bulgarien, welches uns sogleich mit einer Anekdote begrüßte: In Bulgarien herrscht Mautpflicht, welcher in Form von Vignetten folge geleistet werden muss. Also halten wir pflichtbewusst unmittelbar nach der Passkontrolle und wollen am dafür vorgesehenen Kassenhäuschen eine Vignette erwerben. Bulgarisches Geld hatten wir noch nicht, aber VISA macht's ja möglich – 21. Jahrhundert und so… denkste!

„No card. Only cash“, war die Aussage des kleinen netten Beamten. „Oh! Bulgarisches Geld haben wir aber leider noch nicht.“ – „Euro oder rumänische Lev?“ – „Ne. Alles ausgegeben. Bringt uns ja hier auch nichts mehr. Wo können wir denn Geld abheben?“ – *Schulterzucken* – „…?...“ – „Der Nächste bitte.“

Leicht irritiert fuhren wir zur nächsten Tankstelle, wo bekanntlich in Grenznähe auch Vignetten verkauft werden. Das tat man dort auch, aber ebenfalls mit: „Only cash!“ – „Ja wo ist denn dann hier der nächste Geldautomat?“ *Schulterzucken* – „…?...“ – „Probieren Sie es mal im nächsten Ort, 5km weiter von hier. Dann kommen sie einfach wieder her“, so der ebenfalls freundliche Tankstellenbetreiber.

Also düsen wir an Bauernhöfen vorbei zum nächsten „Ort“ und finden dort dann tatsächlich und unvorstellbar eine Bank. Wobei… eher ein Gebäude mit der Leuchtreklame einer Bank, sowie als Gesamtwerk geschlossen und verfallen. Auf der anderen Straßenseite saß unter großen Bäumen nebst einem Tante-Emma-Laden der Ältestenrat des „Ortes“ und schaute schon komisch herüber. Hmpf super… na was soll's: „Excuse me, where is the next money machine?“ – *betretenes Schweigen und verwirrte Blicke* – „Bankomat?“ – „What is your main language?“, fragte der offensichtlich Schwerste von allen. – „Deutsch“, entgegnete ich wahrheitsgemäß, woraufhin ich nun folgend mit Herrn Keno, dem Dorflehrer, mein Problem mit einem Multilinguisten austauschen konnte. Wo findet man schon qualifiziertes Lehrpersonal, wenn nicht in bulgarischen Dörfern? Als Resultat dieser aufschlussreichen Unterhaltung hatte ich 20 bulgarische Lew in der Hand. Warum? Hier gab es keinen Geldautomaten, sondern nur in dem „Ort“ zuvor, wobei es unsicher ist, ob dieser gegenwärtig überhaupt Geld ausspuckt. Obendrein steht dieser auf dem Gelände eines Gyrosimbisses, welcher um die Uhrzeit vielleicht schon geschlossen hat und wir damit gar keinen Zugang zum Automaten hätten. Würden wir weiter ins Landesinnere fahren, kämen wir bereits durch die erste Mautkontrolle und hätten ohne gültige Vignette mit einer dreistelligen Buße zu rechnen. Und morgen ist sowieso Wochenende, da arbeite in Bulgarien wohl auch keiner, entsprechend auch der Imbiss nicht. Also könnten wir es tatsächlich nur schnell am hoffentlich noch geöffneten Gyros-ATM probieren. Für den Fall, dass dies (völlig widererwartend) doch nicht klappen sollte, lieh uns Herr Keno einfach in seiner Gastfreundschaft das nötige Geld und bat uns um eine selbstverständliche Rückgabe.

Ok – dann also so schnell wie möglich zum Gyrosimbiss. Dieser hatte natürlich tatsächlich schon geschlossen, aber das Gelände war noch offen und – praise the lord – wir konnten sogar unsere eigenen bulgarischen Lew ziehen. Damit nun also zur Tankstelle, um endlich diese verfluchte Vignette zu kaufen. Dort rissen dann all meine Nervenschnüre. Der Tankstellenbetreiber saß vor der Eingangstür und bat mich, kurz fünf Minuten zu warten, denn im Laden war hinter dem Schalter eine Frau mit Geldzählen beschäftigt. Exakt nach diesen fünf Minuten setzte sich der Tankstellenbetreiber in sein Auto und fuhr von dannen. „…?...“ + *Schulterzucken*. Ich gehe nun also erst nach der gewünschten Wartezeit an die Tankstellenkasse, lege stolz wie Bolle und mit dem breitesten Grinsen meine Lev auf die Theke und bestelle „eine Vignette, bitte“. Da schaut mich die armeverschränkende Dickbusige auf der anderen Seite an und schüttelt den Kopf: „No! Finish!“ 20Uhr. Kasse geschlossen …….… Lachen? Heulen? Alles in Stücke hauen? So viele verlockende Optionen gingen mir durch den Kopf. Ich beließ es bei Ersterem…

Sichtlich erschöpft fuhren wir also (back to the roots) wieder an die Grenze, um dort endlich unsere Vignette zu erwerben. Als Belohnung für das Überstehen dieser Irrenhausnummen wurde Anne beim unumgänglichen Toilettengang an der Grenze noch von einem kleinen, zahnlosen Opi geküsst. Fliehend fuhren wir wieder zu Herrn Keno und gaben ihm seine Leihgabe zurück, bestellten als Dankeschön sein Lieblingsgetränk und saßen dann zusammen (man trinkt ja nicht allein) mit großzügig eingeschenktem Vodka noch eine Stunde in der Ältestenrunde und wurden umfangreich über Bulgarien, Gott und die Welt informiert, bis wir uns endlich losreißen konnten und am nahegelegenen Strand unseren Stellplatz für die Nacht fanden.

Den nächsten Morgen gingen wir nötig entspannt an und genossen das warme Wetter und die Möglichkeit baden zu gehen. Anschließend besichtigten wir das Kap Kaliakra, ein wichtiger militärisch-strategischer Standpunkt im Schwarzen Meer seit der Antike, wovon zahlreiche Ruinen und Erzählungen zeugen. So wie die von den sich ins Meer stürzenden Bulgarinnen, welche nach der Eroberung der Region durch die Osmanen lieber den Freitod als die Sklaverei wählten.

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