fortfahren und ankommen
fortfahren und ankommen
vakantio.de/fortfahren-und-heimkommen

August 22/I - Ungarn, Rumänien, Serbien

Veröffentlicht: 14.08.2022

Szegedin (HU) - Kikinda(RS) - Jimbolia (RO) - Deta (RO)- Bela Crkva (RS) - Smederevo (RS) Smilajnac (RS) - Ćupria (RS)

Die letzten Julitage radeln wir in Ungarn Richtung Süden. Der Tisza Stausee entlässt uns auf gut asphaltierten Radwegen bei angenehmer Temperatur. Endlich wieder am Wasser fahren. Endlich wieder Badestopps. Trinkwasser bleibt mangelhaft. Die wenigen Brunnen am Wegesrand führen zwar Trinkwasser, aber Genuss kommt dabei selten auf. Trotzdem leuchten jedesmal meine Augen wenn ich einen dieser blauen Pumpbrunnen erspähe. Relikte aus Zeiten als es in den Haushalten noch keine Wasserleitungen gab. Die Landschaft abseits der Augebiete zeigt sich steppenhaft. Ein Anblick der uns in der Fremde wähnt.

Wir sind nun nur wenige Wochen unterwegs und doch scheint es eine Ewigkeit. Neulich am Telefon fragte mich eine Freundin ob wir schon im Flow sind. Ich verneinte. Es stellt sich eine Normalität ein. Das schon. Die Handgriffe des Lagerlebens sind routiniert. Auch erprobt bei ankommenden Regen und sturmhaften Wind.

Der Kopf und die Gefühle sind noch nicht ganz auf Reisen eingestellt.

Wenn sich die Landschaft verändert, wenn Wasser nicht mehr der tägliche Begleiter ist oder dann wieder, wenn sich das Wetter ändert, ist es notwendig den Rhythmus zu ändern. Gewohnheiten müssen verändert werden. Das erfordert zusätzlich Energie. Das erfordert Beweglichkeit.

Wie erleben wir Ungarn?

Ein unnahbares Land. Mit unnahbaren Menschen. Wenig Freude ist zu sehen. An Orten der Erholung, an denen wir uns doch öfter befinden, ist keine ausgelassene Leichtigkeit zu spüren. In Städten und Dörfern sind die Begegnungszonen spärlich belebt oder gar leer. Man schaut sich nicht neugierig an, ignoriert was sich um einen tut. Je nach Stimmung nehme ich das als respektvolles Seinlassen oder unangenehme Ignoranz wahr.

Serbien - Rumänien - Serbien

Am 1. August rollen wir bei Szegedin über die ungarisch-serbische Grenze. Aufgeregt und äußerst freudig radeln wir dem was kommt entgegen. Landschaftlich ändert sich nicht viel. Die Agrarflächen werden größer und zahlreicher. Das Fliesswasser ist verschwunden. Wir stellen uns wieder darauf ein nach Wasser suchen/fragen/es kaufen zu müssen. Einen Tag später geht es auch schon wieder raus aus einem Land, das sich aufs erste nach Leben und Offenheit anspürt. Es steht im Kontrast zu dem was wir später in den Nachrichten lesen.

Oh Rumänien! Ich hab mich verliebt in die Ausstrahlung dieses Landes! Zwei Tage fahren wir an der Serbisch/Rumänischen Grenze am EuroVelo 13. Es ist heiss, es ist flach, die Räder rollen auf wunderbarem Asphalt. Wir fragen nach geeigneten Schlafplätzen und jedes Mal wieder ist es ein Geschenk wo wir unser Nachtlager aufschlagen dürfen. Begegnungen mit Menschen lassen mich nachdenklich zurück.

Dieses Land erleben wir so gegensätzlich. Die Menschen sind freundlich, begegnen uns einladend und wollen uns in Sicherheit wissen. Dem eigenen Volk wird misstraut. Die Menschen machen sich schick, wenn sie es können, genauso wie ihr Häuser und Dörfer. Man scheint überrascht, dass sich Fremde für das Eigene interessieren könnten. Aufbruch und Zuversicht auf Besseres ist zu spüren.

Die geplante Route lässt es diesmal nicht zu, weiter ins Landesinnere zu kommen. Das Gefühl nah an der EU Aussengrenze, mit der patrouillierenden Grenzpolizei, ist etwas schal. Lustiges Reisen erscheint uns unangebracht mit dem Wissen, dass sich hier viele Schicksale finden, die aus lebensnotwendigen Gründen ihre Heimat verlassen haben und in der Ferne ein Ankommen erhoffen. Während wir uns gerade unseren Lebenstraum erfüllen, zerschellen wohl genau an dieser Grenze so viele Träume anderer.

Als uns der Radweg, der spärlich aber doch beschildert ist und auf Haupt- und Nebenstraßen verläuft, wieder zurück nach Serbien führt, sitzen wir bereits 8 Tage im Sattel. Unsere Beine, unsere Körper sind müde. Jetzt sind wir im Reisen angekommen!

Ein Familien-Campingplatz am Baggersee in Bela Crkva beherbergt uns für die kommenden Tage. Hier kommen wir in der Ferne an, hier rasten wir uns aus.

Wenn wir, nach einigen Nächten in der Natur, einen Campingplatz ansteuern, verbringen wir diese Tage wenig aufregend. Schlafen, lesen, planen und umplanen und damit, unsere Räder mit Schmutzlöser und Schmierfett und uns mit Turnübungen und gutem Essen in Schuss zu halten.

Das Serbien, durch das uns dann, nach 6 Urlaubstagen am See, die erneut angesteuerte EuroVelo 11 Route führt, ist landschaftlich nicht sonderlich spannend. Landwirtschaft und Schwemmland - zuerst nochmal kurz an der Donau, dann der Morava gen Süden folgend.

Die Straßen geleiten uns durch kleine und etwas größere Dörfer. Es ist schön zu sehen wie hier gelebt wird. Und hier wird gelebt!!! Die Kultur hat sich verändert, die Mentalität und der Ausdruck dessen was wir sehen. Auch der Geruch. Das serbische Volk wirkt selbstsicher, aus dieser Sicherheit begegnet man uns freundlich und hilfsbereit. Es begegnet uns weniger die Neugier als das Bedürfnis von sich zu erzählen. Was wollen Reisende mehr!!!!

Das suchen und finden eines Schlafplatzes wird zur Gewohnheit. Doch immer mehr säumt den Weg zu wunderbaren Naturplätzchen die eine oder andere Müllkippe. Unverständnis, Ärger und Sprachlosigkeit kommen in mir auf.

Langsam kündigt sich in diesen Augusttagen das bevorstehende Bergland Südserbiens an. Wir dürfen bereits die ersten Hügel befahren. Kleinbäuerliche Flächen und Wälder zeigen sich hier. Das Brennholz für den Winter wird vorbereitet und verliefert.

In meinen Gedanken gehe ich immer wieder mein Gepäck durch, in der Hoffnung mich von vielem lösen zu können.

Die Tage werden merklich kürzer und die Temperaturen lassen uns auch wieder durch die Mittagszeit hindurch fahren.

Jeder Tag beginnt erneut mit Neugier auf das was kommt, darauf wo wir am Abend ankommen werden. Ich bin immer wieder erstaunt, was unsere Körper zu leisten bereit sind und wie schnell wir uns an dieses Vagabund:innen-Leben gewohnt haben, wenn auch vielem noch der Geist des Anfangs innewohnt. 

Antworten

Serbien
Reiseberichte Serbien
#radreise#weltreise#ungarn#rumänien#serbien#eurovelo11#eurovelo13#eurovelo6#slowtravel#travelbybike#biketravel#mitradundzelt