eine-prise-nordwind
eine-prise-nordwind
vakantio.de/eine-prise-nordwind

Trondheim-Roadtrip

Veröffentlicht: 17.01.2021

Trautes Heim, Glück allein. Wohlbehalten in meinem neuen Trondheimer Domizil eingetroffen, lohnt es sich die Fahrt noch einmal Revue passieren zu lassen.

Nach dem Beladen des Autos konnte gegen 9 Uhr gestartet werden. Da ich die kürzere Strecke gewählt hatte, war ursprünglich mit einer Fahrtzeit von 8 Stunden zu rechnen. Tatsächlich wurden etwa 10 daraus. Dies hat allerdings mehrere gute Gründe. Zu aller erst kann ich bestätigen, dass Norwegen (wer hätte es gedacht) schöne Landschaften zu bieten hat. Und zwar so schön, dass das Fahrttempo zuweilen darunter gelitten hat. Zum anderen wäre da noch der nicht zu unterschätzende Sicherheitsaspekt aber von vorn.

Vor der Abfahrt begrüßte mich ein von den ersten Sonnenstrahlend in Szene gesetzter Eispanzer auf der Windschutzscheibe. Und nicht der 0815-Möchtegern „Eispanzer“, mit dem man vor seinen Arbeitskollegen in Deutschland prahlen könnte, weil man sich ja schon zu so früher Stunde so sehr ins Zeug legen musste, um ihn mit purer Willens- und Muskelkraft zu sprengen. Nein, ich rede von einem richtigen, von Meer, Wind, Sonne und wechselnden Bedingungen gewachsenen Eispanzer. An einigen Stellen 2 Centimeter dick. Und ganz unprahlerisch füge ich hinzu, dass es mir nach einiger Zeit (und einigen Gallonen Flüssigenteiser) gelang mit purer Willens- und Muskelkraft diesen Eispanzer zu sprengen. Die erste Heldentat gemeistert, stand dem Aufbruch mit den ersten Sonnenstrahlen nichts mehr im Wege.

Von Sandefjord aus ging es erstmal gemächlich Richtung Oslo. Die gerade aufsteigende Sonne sorgte für lange Schatten, so dass das Innere der Tunnels, die die Norweger erstklassig und häufig bauen, zum Teil bis zur Hälfte von der tiefen Sonne beleuchtet wurden (Schade um die Autofahrer der entgegengesetzten Richtung, die sie dann wohl im Gesicht hatten). Oslo selbst konnte man auf der Straße E18 und später E6 leider nicht so sehr bewundern. Die Tunnels innerhalb der Stadt erschwerten die Sicht zusätzlich. So ging es relativ unspektakulär durch die Hauptstadt Norwegens.

Das anfängliche Bedauern mangelnder Eindrücke konnte jedoch schnell im weiteren Verlauf der Fahrt wettgemacht werden. Die norwegischen Autobahnen sehen im Winter genauso aus wie die deutschen, sieht man davon ab, dass hier Autobahnen nicht mit reflektierenden Leitpfosten alle 50 Meter, sondern durchweg mit Beleuchtung ausgestattet sind.

Die Beleuchtung könnte einen Fremden verwundern, scheint die Logik dahinter doch zu schreien „Pff - Wer braucht schon reflektiertes, mit anderen Worten wiederverwendetes, recycletes, also altes Licht“. Für die Norweger gibt’s nur die feinsten, direkt vor Ort in abertausenden Straßenlaternen frisch erzeugten Photonen. Das anfängliche Wundern darüber klärt sich auf, bedenkt man doch, dass fast die gesamte elektrische Energie regenerativ aus Wasserkraftwerken gewonnen wird. Zumindest dieser Fakt und die Vermutung, dass nur die hochwertigsten quecksilberfreien Energiesparlampen verbaut wurden, tröstet mein Energietechnikerherz über diese buchstäbliche Energieflut hinweg.

Die Autobahnen waren jedoch nicht der spannende Teil der Fahrt. Dieser beginnt, sollte man es wagen, von der Autobahn auf eine Landstraße einzuschlagen. Was Google dazu geritten hat mir diesen Weg vorzuschlagen und mich dazu, diese Entscheidung nicht zu hinterfragen, ist mir bis heute rätselhaft. Und doch verhalf diese „digitale Naivität“ mir dazu, eine der schönsten Fahrten zu erleben die man sich vorstellen kann.

Abgelegenere Landstraßen haben im norwegischen Winter eher die Bezeichnung Schneepiste verdient, was bei der Größe des Landes natürlich unausweichlich ist. Besonders während der Fahrt hervorgetan hat sich „Fv607“. Auf der benannten Straße kombinieren sich verschiedene Faktoren zu einem beeindruckenden Landschaftsbild. Die Schneestraße, die langen Schatten der tiefstehenden Sonne, die verschneiten Nadelwaldalleen, der See zur einen Seite, die Berge am Horizont. All das vermischt sich zu einem Eindruckssturm, den Bilder nicht wiedergeben können (zur Vollständigkeit seien einige dennoch beigefügt🤷‍♂️). 

"Der große Stein"
Der See Storsjøen erhebt sich in die kalte Luft

Am Anfang der Schneestraßen tuckerte ich noch mit vorsichtigen 40 km/h vor mich hin, was einige (alle) Einheimische mit entschiedenen Überholmanövern quittierten. Allerdings gewöhnt man sich schnell an die ausgeloteten Grenzen und gegen Ende kann man den Einheimischen mit ihren 90 km/h fast das Wasser reichen.

Damit sei es auch belassen, denn Worte können diesen Gesamteindruck schwer wiedergeben. Alles in Allem kann man es zusammenfassen, dass es, wohl oder übel, die stereotypische norwegische Natur in ihren vielfältigen Fassetten im Winter widerspiegelte. Mit dem Verschwinden der Sonne und dem Abbiegen auf eine etwas befahrene Straße, lösten sich diese Eindrücke jedoch nach und nach in Dunkelheit auf.

Die restlichen 2 Stunden nach Trondheim hieß es einen Eisenarsch zu zeigen und sich durchzubeißen, da man das Ziel gegebenfalls auch noch zur sittlichen Zeit erreichen will. Und mit einmal liegt sie vor einem. Das folgende Finden der Adresse meines Studentenwohnheims war ebenfalls leichter als gedacht. Lediglich die 2-spurigen Kreisverkehre machen mich verrückt. Ich blicke durch die einfach nicht durch. Zur Sicherheit nehme ich einfach immer die äußerste Bahn. Die Norweger wechseln mit einer Souveränität von Innen nach Außen, dass es einem teils zu denken gibt – wahrscheinlich Gewohnheitssache. Im Wohnheim „Voll Studentby“ angekommen, ließ sich der in einer Schlüsselbox deponierte Zimmerschlüssel schnell auffinden. Nach einiger (langer…) Zeit des Sammelns habe ich es auch geschafft die Wohnung zu betreten. Stellt sich heraus, ich habe 5 Norweger als Mitbewohner. Einen durfte ich an jenem Abend bereits kennenlernen und er gab mir eine grobe Einweisung.

Sandefjord - Trondheim

Da meine mein Bett erst 3 Tage später geliefert werden sollte, musste die Isomatte als notdürftiges Nachtlager Verwendung finden. Dies hat dazu geführt, dass ich den kommenden Tag drauf (Samstag) mehr oder weniger ziemlich schlaftrunken durch IKEA gewankt bin, um wenigstens für einen ordentlichen Arbeitstisch und Stuhl zu sorgen (die ebenfalls noch nicht im Zimmer vorhanden waren). Die Produktbeschreibungen in IKEA haben meine Euphorie über meine bis jetzt erreichten Norwegischkenntnisse pulverisiert und durch meine geistige Verwirrung irrte ich durch wunderbar eingerichtete Wohnstuben, professionelle Küchen und gemütliche Schlafzimmer, ohne jedoch einen Ausgang zu finden – geschweige denn das was ich eigentlich brauchte. Irgendwann hat mich IKEA dann doch wieder vor den Eingang gespuckt, um 160 Euro leichter und mit einem Einkaufswagen, der alle Produkte beinhaltete, die ich brauchte. Egal wie es dazu gekommen war, einfach froh über die Situation und endlich fertig zu sein, belud ich mein Auto. Dann viel mir ein, dass man sich ja normalerweise nicht von IKEA-Möbeln ernährt und sich demnach wohl oder übel noch ein Besuch in einem lokalen Discounter anschließt. Produkte zu übersetzen, Preise von Norwegischen Kronen in Euro umzurechnen und dabei wirklich drüber nachzudenken was man brauchen könnte, war für diesen Tag eine durchaus anstrengende Aufgabe bedenkt man die bisherigen Umstände. Jedenfalls hab ich an diesem Tag Bananen bekommen. Billige. Das Überleben war also damit schonmal gesichert. Über die Preise schreibe ich wahrscheinlich nochmal einen Extra-Beitrag.

Soviel dazu um einen groben Überblick zu geben, wie der Norden mir gerade widerfährt. Vielen Dank für`s Lesen und Grüße gen Süden an Alle!


.

Antworten (2)

Thomas
Um diese Fahrt beneide ich Dich ja etwas. Wir sind nahezu diese Strecke in umgekehrte Richtung gefahren und haben sie ähnlich genossen. Da vergisst man die Zeit recht schnell. Welches Hörbuch hast du gehört?

Jutta
Bewundernswert,wie Du mit den Problemen umgehst ! Meine Gedanken sind bei Dir ! Der erste Brief ist unterwegs!

Norwegen
Reiseberichte Norwegen