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Erlebnisse und Abschiede in der Sommerpause

Veröffentlicht: 02.08.2021

Der August und der Start des neuen Semesters rücken näher. Dies nehme ich als Anlass, den zugegeben ruhigen Juli in den Rückblick zu nehmen.

Nachdem wir von unserer Woche auf dem Schiff zurückgekehrt waren, waren alle meine Mitbewohner bis auf einen bereits im Heimaturlaub. Auch der Letzte verabschiedete sich in der ersten Juliwoche, so dass die Wohnung halbverwaist unter meiner Aufsicht stand.

Mit dem Juli kamen auch die ersten „richtig“ warmen Perioden mit bis zu 31°C über einige Tage hinweg. Durch die Gewöhnung an die Kälte, fühlt sich diese Temperatur nichtsdestotrotz wie 40°C in Deutschland an. Eine schweißtreibende Angelegenheit. Da kann man sich nur damit behelfen die Freizeit gut zu nutzen. Da der Juli generell von fast Allen für den Urlaub genutzt wird, gibt es hinsichtlich der Masterarbeit keine größeren Aufgaben zu erledigen. Also bot es sich an den Sonnenschein zu nutzen und etwas mehr Zeit in der Stadt zu verbringen. Trotz des letzten halben Jahres war die Zeit, die ich Downtown verbracht hatte, eher begrenzt und dies wollte ich nun etwas nachholen.

Regenschirmstraße in der Downtown
Tolle Wetterphänomene in der Sommerluft
Ein großer Seifenblock in der Öffentlichkeit... Händewaschen ist wichtig!

Im Laufe des Juli konnte man beobachten, wie es Tag für Tag minimal dunkler in der Nacht wurde. Heute am 31.07 haben wir neben „Tag“ und „Bürgerlicher Dämmerung“ ebenfalls bereits die „Nautische Dämmerung“ (diese Begriffe beschreiben, wie viel Grad die Sonne unter dem Horizont steht). Mitte August kommt die „Astronomische Dämmerung“ dazu bevor Anfang September die „Nacht“ wieder Einzug hält.

Sonnenuntergang Mitte Januar 15:30
MItte Juli steht sie 15:40 weit im Zenit
Tageslichtdiagramm für das ganze Jahr in Trondheim, die 2 "abgeschnittenen Bereiche ergeben sich durch die Zeitumstellungen (von www.timeanddate.de)

Auch in der Sommerpause bieten sich jedoch Gelegenheiten auf etwas Abwechslung. In einer Unistadt wie Trondheim kann es vorkommen, dass hier und da für Versuche Testpersonen gesucht werden. So stieß ich in der ersten Juliwoche auf eine Facebook-Anfrage einer Forscherin, die für Tests an Overalls für den Offshorebereich noch Teilnehmer suchte. Dass die Teilnahme auch mit einer Aufwandsentschädigung vergütet wurde, war dabei nur der Bonus obendrauf. Die Tests waren zum einen die Kompatibilitätsprüfung von den Overalls mit verschiedenen Schwimmwesten sowie ein Kaltwassertest. In diesem liegt man in einem Trockenanzug mehrere Stunden im Wasser. Die Körpertemperatur wird währenddessen überwacht.

Für den ersten Test der Kompatibilitätsprüfung fanden ich und einige andere Teilnehmer uns vor der Uni ein, von der wir in das nahegelegene Testzentrum fuhren. Nach einem Kaffee ging es mit neuer Unterwäsche in die Anzüge und in die Testhalle. In dieser wartete ein großer Pool für die Tests. Der erste und wahrscheinlich spannendste Test war die Simulation eines Helikopterabsturzes und das Entkommen aus einem Fenster der untergetauchten Kabine. Eine nervenaufreibende Sache, war das Fenster doch nicht allzu groß und der Anzug mit der angelegten Schwimmweste doch etwas sperrig. Eine große Hilfe war jedoch die kleine, im Anzug beinhaltete Druckflasche, welche Atemluft für ein paar Minuten fasst. Einmal unter Wasser bringt der erste Atemzug die Nerven wieder zur Ruhe und man kann sich auf das Lösen des Gurtes und den Ausstieg fokussieren, Alle Teilnehmer nahmen an dem Test mit viel Ruhe Teil, nur eine Testperson konnte sich auch nach mehrmaligen Anläufen nicht befreien. Auch dies ist wichtig zu ermitteln, um die Anzüge und Schwimmwesten zu bewerten. Der zweite an diesem Tag geführte Test war das zeitgestoppte Anziehen einer Neoprenkapuze. Demnach relativ unspektakulär. Nach einem hochwertigen, reichlichen und kostenlosen Mittagessen ging es zum letzten Test. Das Besteigen einer aufgeblasenen Rettungsinsel. Etwas schwierig, waren die Rettungswesten nun doch vollkommen aufgeblasen. Dieser gigantische mit Luft gefüllte Vorbau erschwerte das Erklimmen der Rettungsinsel, so dass nur wenige Teilnehmer dies tatsächlich erreichten. Größe und Krafttraining kamen mir dabei zugute. Selbiger Test wurde anschließend im Fjord wiederholt. Wie sich herausstellte, geben die hohen Wellen dem Test noch eine Extraebene an Komplexität und ich erklomm die Rettungsinsel nur mit Ach und Krach. Ganz wie die Taucher ließ ich mich danach wieder in das Wasser fallen, ohne meine Schuhe zu checken. Ein Stiefel hatte sich in der Trittleiter der Rettungsinsel verhangen so dass ich nun hilflos an einem Bein an der Rettungsinsel hinabhing und meinerseits befreit werden musste.

Die Testcrew


Die Tests waren allesamt abwechslungsreich und auch ohne Vergütung (100€) hätte ich diese mir nicht entgehen lassen. Etwas anders stellte sich jedoch der Kältetest dar. Ein Versuchsleiter wies uns schon darauf hin, dass der 6-stündige Test nicht angenehm werden würde und so erwartete ich gespannt den zweiten Testtag. Dieser begann an einer anderen Einrichtung und nachdem ich mich mit der zweiten Testperson einfand, gab es eine kurze Einleitung und die Vorbereitungsprozedur. Für diese brachten wir die wichtigste Temperaturmesssonde in einer ganz speziellen Körperstelle an. Weitere kleinere Temperaturmessgeräte wurden oberflächlich befestigt. Natürlich wurde jedes von den Testleitern minimal zu straffe Ziehen der an dem Kabelbündel (von dem ein Kabel an einer Sonde hing, die bereits fixiert an einer ganz speziellen Körperstelle saß) mit entsprechend gequälten Ausdrücken quittiert. Manche Teilnehmer vor uns wären wohl durch Rektalsonden schon ohnmächtig geworden und einfach zusammengeklappt. Mein Zwischenziel war es somit auf den Beinen zu bleiben. Wir stiegen nach Anziehen der Anzüge in das Wasserbad, in welchem bereits die Eiskristalle schwebten. Im Wasser liegend und schwimmend sollte dies nun unsere Position für die nächsten 6 Stunden sein. 

Einige Stunden im kalten Wasser "chillen"

Wir einigten uns vorher noch auf Filme, die wir während des Testes schauen konnten und so vergingen die ersten 3 Stunden des Tests mit „Schindler`s Liste“. Vielleicht etwas stereotypisch, dass der eine Deutsche unter den 3 noch anwesenden Norwegern sich natürlich einen Film aus der Zeit des zweiten Weltkriegs suchen musste. Es hatte sich jedoch gelohnt und auch wenn die dritte Stunde sehr unangenehm war, kamen wir in die Halbzeit. Uns wurde von uns ausgewählte Pizza gereicht. Das Essen half etwas gegen die Kälte, auch wenn das Essen im Wasser liegend etwas ungewohnt war. Die restliche Zeit schauten wir noch einen anderen Film und zwei Episoden Simpsons, bevor es durchgestanden war. Mein zeitweise starkes Zittern hat gegen Ende nachgelassen und auch die starren krampfnahen Muskeln in den Waden entspannten sich kurz vor dem Ende. Das Entfernen der Sensoren war mindestens so „witzig“ wie das Anbringen und zur Feier des Tages gab es eine warme Dusche für uns und die restliche Pizza. Meine subjektive Erfahrung des Unwohlseins gestaltete sich für die 6 Stunden etwa so (0-absolut angenehm; 10-unertragbar):

0-1: 2

1-2: 4

2-3: 7

3-4: 5 (Ablenkung Pizza)

4-5: 8

5-6: 4

Oder grafisch dargestellt:

Fingerfertigkeitstest direkt nach dem Ausstieg

Ebenfalls konnte ich im Juli mir den Wunsch erfüllen einmal ins Dovrefjell zu fahren. Einem Naturreservat im Hochland, in dem die einzig wildlebenden Moschusochsenbestände Europas beheimatet sind. Mit dem Zug ging es Richtung Oslo durch malerische Berg- und Tallandschaften. Die zwei Stunden Fahrtzeit vergingen somit schneller als man sich wünschen könnte und ich stieg an der „Kongsvoll“ Station aus. Einem sehr kleinen Bahngleis, welches sich direkt neben dem Beginn der Moschusochsenwanderwege in das Dovrefjell befindet.

Kongsvoll-Station

Da es in einem Tal liegt steigt man zunächst Die Bergflanke flach empor, bis man über die Baumgrenze gelangt. Das Dovrefjell wird von der spärlichen Vegetation der „Bergtundra“ überzogen. Maximal hüfthohe Büche und Gräser wechseln sich mit Gesteinsflächen ab. Die Hochplateaus ergeben ein raues Landschaftsbild. Dies ändert jedoch nichts an den Schwärmen von Mücken und anderen Insekten, welche in den schneegespeisten Tümpeln und Pfützen ihr zuhause gefunden haben. Wer Insekten nicht mag kommt in der Bergtundra im Sommer voll auf seine Kosten. Oder halt eben nicht. Ein Mückenschutz in Form einer Flüßigkeit (oder wahlweise lange Kleidung + Gesichtsnetz) ist unbedingt zu empfehlen. Den ersten Tag zeltete ich in einem kleinen malerischen Tal. Nachdem ich barfuß eine knietiefe Furt durchquerte und mich durch hüfthohe Büsche schlug fand ich schließlich eine Stelle in der Nähe des Sees im Tal. Der steinige Boden bot gerade genug Halt gegen den Wind. Vor dem Schlafen lud das klare Wasser ein, Schweiß und Mückenschutz vor dem Schlafengehen abzuwaschen. 

Raue Lebensbedingungen fordern ihren Tribut


Snøhetta in der Ferne
Die Furt
Klares Wasser läd zum Baden ein

Den folgenden Tag trackte ich quer feldein Richtung des Haupttrails, der zum höchsten Gipfel des Dovrefjells führt. Schon von weitem gab sich der Gipfel der Snøhetta mit seiner Schneekuppe zu erkennen. Der Pfad war gut besucht. Gefühlt von mehr Deutschen als Norwegern selbst. Die Grenzen hatten sich wieder geöffnet. 

Der Wanderpfad Richtung Snøhetta
Wollgras

Zwei Norweger machten mich dann überraschenderweise noch auf die Moschusochsen aufmerksam, welche sich in der Ferne auf der jenseitigen Seite des Flusses im letzten Schnee abkühlten. Aufgrund der Größe des Dovrefjells ist es trotzdem nicht so leicht diese zu sehen und deswegen war ich nicht wenig überrascht einige Kilometer weiter eine zweite Gruppe auf der anderen Flussseite zu entdecken. Ich näherte mich dem Fluss, um einen besseren Blick zu erhaschen. Ich überquerte einen Hügel und durch einen zufälligen Schulterblick fiel mir ein Moschusochse auf meiner Flussseite auf. Im toten Winkel hinter der Hügelkuppe hatte ich ihn nicht bemerkt und glücklicherweise befand ich mich im Sicherheitsabstand von 200 Metern. Nichtsdestotrotz zeigte dies, dass man durchaus Vorsicht walten lassen sollte, bevor man sich abseits des Pfades begibt. Hätte der Bulle direkt unter mir am Hügel gestanden und sich erschreckt, hätte ich etwas Glück gebraucht, um Heil davonzukommen, denn die Tiere laufen schneller als Menschen (was irgendwie keine Kunst ist, weil gefühlt jedes gefährliche Tier schneller als der Menschen läuft). Mit etwas Pech hätte ich mir mein rechtes Schlüsselbein wohl zum dritten Mal gebrochen. Jedenfalls konnte ich so einen Moschusochse aus der Nähe beobachten.

Moschusochsen in der Ferne
Der Überraschungsbulle

Den restlichen Tag bis zum Abend wanderte ich noch an die Bergflanke der Snøhetta und an ihr entlang bis zu einer größeren Herberge.

Karge Bergtundra
Snøhetta aus der Nähe

„Snøheim“ kann bis zu 80 Schlafgäste beherbergen und war zu dieser Zeit vollständig belegt. Bei den Norwegern ist diese sehr beliebt, da diese Herberge innerhalb des Naturreservats liegt und trotzdem mit dem Shuttlebus erreicht werden kann. Ich schlug mein Zelt für ein geringes Entgelt auf dem steinigen Campingplatz vor Ort auf. 

Die Herberge Snøheim

An diesem Abend habe ich mich zu den beherbergten Gästen in den Speisesaal gesellt, da ich den Preis von 21€ für ein 3-Gänge-Menü für überschaubar hielt. Tomatensuppe, Fleischpastete mit Kartoffeln und Apfelkuchen zum Nachgang. Währenddessen konnte ich mich noch von meinen Tischnachbarn über die norwegische Hüttenkultur und über die Kebabmöwen von Tromsø informieren lassen. In Tromsø gibt es Möwen, welche Samstagnacht 3:00 und Sonntagnacht 3:00 ihre Streifzüge beginnen, da um diese Uhrzeit alle Nachtclubs regulär schließen. Die betrunkenen Partygäste versuchen um diese Uhrzeiten demnach ihren alkoholangefachten Heißhunger in den örtlichen Kebabbuden zu stillen. Diese Möwen haben dies über die Jahre verinnerlicht und haben sich darauf spezialisiert den hackevollen Norwegern den heiß ersehnten Snack zu entreißen. Der nächste Tag brach an und ich entschied mich spontan den Shuttlebus an die E6 zurück zu nehmen und dort wieder den Zug zu nehmen. Trotz Cap und Sonnenshirt mit Kapuze hatte mir das schöne Wetter am vorangegangenen Tag einen ordentlichen Sonnenbrand auf das Gesicht und die Handrücken gebrutzelt, so dass der schattige Rückweg im Bus eine Erleichterung verschaffte. Da keine Kreditkarte oder Bargeld im Bus genommen wurde, ließ mich der Fahrer sogar umsonst mitfahren. An der Hjerkinn Station nahm ich schließlich den Zug wieder nach Trondheim.

Snøhetta von Snøheim aus gesehen
Snøhetta noch einmal von der Hjerkinn Station aus

Nun, Anfang August, sind zwei meiner Mitbewohner wieder da und die ersten neuen Austauschstudenten kommen an. Damit einher geht leider ebenfalls die Verabschiedung der Freunde des alten Semesters. Den Juli haben wir noch für einige Abschlussveranstaltungen genutzt und noch einiges entdeckt und probiert. 

Bei warmen Wetter an den See wandern und dabei Überraschungen begegnen
In der 3d Druckwerkstatt gibt`s Sachen...
Neu entdeckte Tischtennisplatte in unserem Studentendorf

Aber Zeiten gehen auch zu Ende. Möbel wurden gelagert, persönliche Gegenstände sortiert oder entsorgt. So kam ich ebenfalls noch an kleine Erweiterung meiner Einrichtung, welche mir freundlicherweise von Martin gegen einen günstigen Preis überlassen wurde. Das Studentenleben fährt in Trondheim nun wieder hoch. Eine dynamische Zeit steht an.


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