Don Curry on Tour 3
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Tag 2 - Don Curry im Moscheenrausch

Veröffentlicht: 04.10.2021

Don Curry interessiert sich grundsätzlich für Religionen. Er findet es faszinierend, wie vielfältig sich Gottesvorstellungen und Sinnfindungen in den verschiedenen Kulturen dieser Welt entwickelt haben. Fast immer haben die Religionen dann ihrerseits Kulturen beeinflusst, geformt und weiter entwickelt - bis hinein in die Bildende Kunst, die Literatur, die Musik und die Architektur.

Letzteres sollte Don Curry heute im Zentrum seiner Reise stehen; er machte eine echte Zeitreise durch die Architekturgeschichte osmanischer Moscheen - bis hin zu einem ihrer, wenn nicht sogar dem Höhepunkt. So eine entwicklungsgeschichtliche Erforschung lässt sich natürlich gut in Istanbul absolvieren, aber es geht auch in einem viel überschaubareren Ort: der kleinen Großstadt Edirne, ganz am westlichsten Rand der heutigen Türkei.

Zunächst aber musste Don Curry sich auf den Weg dorthin machen, immerhin mehr als 200 km durch die türkische Provinz Thrakien, den europäischen Teil des bi-kontinentalen Landes. Auf einer zunächst vier-, später dann dreispurigen und relativ leeren Autobahn kam er gut und schnell voran. Doch nicht nur die Autobahn zeigte sich leer, sein Tank meldete das ebenfalls. Don Curry fuhr also seine erste türkische Tankstelle an. Sofort kamen 3 Tankwartende beiderlei Geschlechts auf sein Auto zu, die allesamt nur Türkisch sprachen. Ein Wort Don Currys genügte allerdings, um den Tankprozess in Gang zu bringen: "Diesel"; dazu eine ganz nach oben gehaltene Hand, die einen vollen Tank symbolisieren sollte. Manchmal kann Verständigung über alle Sprachgrenzen hinweg so einfach sein. Nach erfolgter Betankung und nebenbei geleisteter Scheibenputzerei bekam Don Curry einen Beleg, den er gleich begleichen wollte. Bezahlen ging aber nur im Gebäude und nur mithilfe des Belegs. Also gab Don Curry der Kassiererin drinnen den Beleg, zahlte die erfreulich niedrige Summe von ca. 34 Euro für's Volltanken und erhielt eine doppelte Quittung. Sobald er zu seinem Auto zurückkehrte, stürzte seine Tankwartin auf ihn zu, um etwas zu verlangen, was er nicht verstand. Es dauerte etwas, bis ihm klar wurde, dass eine der doppelten Quittungen für die Tankwartin war. Erst nach dieser Form von Kontrolle durfte man die Tankstelle verlassen. Das tat Don Curry nun auch und merkte erst zu spät, dass er eigentlich ein Trinkgeld für's Putzen hatte geben wollen. Nun ja, bei der nächsten Tankstelle wusste er jetzt, dass er nicht nur Kunde sondern auch beiderseitiger Zettelbote sein würde. Der Rest der Fahrt glich einem Traum, dem Traum von einer fast leeren Autobahn, wo kein Stau vorstellbar ist...

Don Curry fällt gerade auf, dass er sein Gefährt für die kommenden Wochen noch gar nicht vorgestellt hat: es ist strahlend weiß, wie die meisten PKW in der Türkei, und es viel zu groß. Bei der Vorbuchung hatte sich Don Curry für einen Kompaktwagen entschieden, bereitgestellt für ihn war eine ausgewachsene Limousine, ein Opel namens Insignia. Der Kofferraum zeigte sich derart geräumig, dass seine mächtige Reisetasche dreimal bequem darin Platz gefunden hätte. Für etwas kleinere Menschen könnte der Kofferraum auch als Notquartier dienen. Dafür würde das Parken nicht immer ganz einfach werden, doch für Fahrten auf der Autobahn lag Insignia wunderbar auf der Straße.

Dass Edirne zur Zeit des Osmanischen Reiches eine ziemlich bedeutende Stadt war, kann man heute noch an dem reichen Bestand historischer Gebäude im Zentrum ablesen, von Karawansereien, Basaren, Hammams bis hin zu zahlreichen prächtigen Moscheen. Nachdem Don Curry direkt an der zentralen Karawanserei ein Parkplatz zugewiesen wurde, machte er sich eifrig auf Moscheensuche. Historischer Logik folgend begann er bei der recht kleinen Eski Cami, der Alten Moschee von 1414. Da sie heute unmittelbar neben einer Schule liegt, wird ihr umgebendes Gelände samt Friedhof als erweiterter Pausenhof genutzt; es ging dort recht lebendig zu. Aber nur um die Moschee herum, sie selbst war verschlossen. So blieb Don Curry nur der Blick auf ein recht kleines, einfach gestaltetes Gebäude, das mit nur einem Minarett ausgestattet ist.

Auch den osmanischen Sultanen schien diese Moschee allzu einfach zu sein. Bereits 23 Jahre später verfügten sie den Bau eines weitaus größeren und vor allem prächtigeren Gebetshauses, die Üç Serefeli Cami, die 3-Balkon-Moschee, wobei sich die 3 Balkone am höchsten der vier Minarette befinden, die anderen haben nur zwei Balkone oder gar nur einen davon. Überhaupt fasziniert die Moschee schon von außen durch die auffällige Unterschiedlichkeit ihrer vier Minarette in Höhe und Dekoration; fast so, als wollte der Architekt dem Sultan vier verschiedene Prototypen vorstellen, von denen er sein Lieblingsmodell auswählen könnte. Noch schöner als das einzigartige Minarettensemble präsentiert sich der ausgedehnte Innenhof mit dem Reinigungsbrunnen. Teils antike Marmorsäulen und farbenfrohe Deckenfresken schmücken den Wandelgang, während das Eingangsportal zur Moschee mit filigranen Stuckverzierungen überrascht. Geradezu atemberaubend präsentiert sich dann das Innere: eine außergewöhnlich breite Kuppel mit ausdrucksstarker Ausmalung prangt über einem weitläufigen, durch mehrere massive Steinsäulen strukturierten Raum des Gebetes. Ja, Don Curry konnte sich gut vorstellen, dass so ein Raum mithilft, für einige Augenblicke all das allzu Irdische und allzu Menschliche hinter sich zu lassen, um sich im Gebet hinaufzuschwingen. Konnte eine Moschee noch schöner sein?

Sie konnte, zumindest dann, wenn der osmanische Stararchitekt Sinan Pascha sie entwirft und sie zudem für sein gelungenstes Werk hält. Schon von weitem hatte Don Curry die himmelstrebenden vier Minarette der Selimye Cami gesehen, und sie alle verfügten über drei Balkone... Diese Moschee entstand 150 Jahre nach dem grandiosen Vorgänger, und sie musste in allen Bereichen noch besser werden. Als Bauplatz wurde der höchste Hügel am Rande des damaligen Edirne ausgewählt, so dass Sinans Moschee auch heute noch bei jeder Annäherung an die Stadt bereits von weitem zu sehen ist. Direkt neben dem Gebetshaus liegt ein kleiner Basarbereich, von dem man unmittelbar über Treppen zum Außengelände emporsteigen kann. Wohlgepflegte Rasenflächen, prachtvolle Zugänge zum Vorhof, ein reich verzierter Reinigungsbrunnen, und dann der erste Blick in den Innenraum... Don Curry schwelgte in spirituell-ästhetischem Wohlbefinden, als plötzlich eine Frauenstimme ihn kräftig anfuhr. Erst allmählich verstand er sein ungebührliches Verhalten. Er wollte wie gewohnt seine Schuhe in die Regale an der Wand abstellen. Doch die Frau, eine uniformierte Moscheewächterin, scheuchte ihn energisch von den Wandregalen weg. Denn hier, so sah es Don Curry erst jetzt, war der Bereich der Frauen - ganz am Rand der Moschee. Nur Männer durften weitergehen und hatten dort auch eigene Regale für die Schuhe. Gut, dass die Wächterin wachsam gewesen ist: was hätte nicht alles passieren können, wenn Don Curry seine Männerschuhe neben wildfremde Frauenschuhe abgestellt hätte....?

Dermaßen auf den Teppich der Tatsachen zurückgeholt, suchte sich Don Curry erst einmal eine ruhige Ecke in dem riesigen, lichterfüllten Raum. Nicht nur unzählige Fenster, sondern auch sämtliche Radleuchter spendeten ihr Licht, denn es hatte gerade eine Gebetszeit begonnen. Dutzende Männer im - für Touristen gesperrten - vorderen Bereich der Moschee und deutlich weniger Frauen im hintersten Bereich - noch hinter den männlichen Touristen - lauschten einer langen Predigt, der dann das gesungene Gebet durch den Imam folgte. Don Curry staunte über die langen Gebetspausen zwischen den einzelnen Rufen, die gefüllte Stille, die von den insgesamt über Hundert Gläubigen gehalten wurde. Da, wo Menschen wirklich miteinander schweigen können, da keimt echter Glaube, da kommt ein Anderer zu Wort. Es zeigte sich als großartiges Geschenk, diese Moschee nicht nur als architektonisches Meisterwerk zu bestaunen, sondern sie in ihrer ursprünglichen Aufgabe zu erleben: als Haus des Gebetes. Auch wenn Don Curry nicht im Detail verstand, was dort gesungen und gebetet wurde, die verbindende Grundhaltung dieser Menschen wurde spürbar. Und das tat gut. Natürlich bewunderte er noch die riesige Kuppel, die erstmals - rund 1000 Jahre später - die Dimensionen der Hagia Sophia in Istanbul übertrafen, den bildschönen Minbar und viele weitere Dekorelemente des Gebäudes, doch sein Hochgefühl hatte einen anderen Ursprung... (Und am liebsten hätte er jetzt erst recht seine Schuhe in die Frauenregale gestellt.)

Nach soviel Kunst und Religion meldeten sich durchaus niedere Befindlichkeiten bei Don Curry. Aber auch in dieser Hinsicht konnte Edirne mit etwas Besonderem aufwarten. In der ganzen Türkei ist die Stadt bekannt für eine Spezialität: ciğer tava. In fast jedem Restaurant steht das ganz oben auf der Speisekarte, und es gibt sogar Restaurants, die sich ganz auf dieses eine Gericht spezialisiert haben, sogenannte Ciğerias - Leberrestaurants. Denn Ciğer tava besteht zur Gänze aus sehr dünn geschnittenen Kalbsleberscheiben, die mehliert und anschließend knusprig frittiert werden; als typische Beilagen gibt es eine scharfe Chilisauce und große getrocknete Chilis. Don Curry hatte gelesen, dass jeder Reiseführer ein anderes Leberrestaurant favorisierte, doch er wählte einfach eines am Hauptplatz, wo er draußen unter Bäumen gut sitzen konnte. Der Kellner sprach zwar kein Englisch, aber er brachte eine Bilder-Speisekarte, aus der Don Curry die frittierte Leber, einen Salat und Pommes als Beilage bestellte. Die Chilisauce, die getrockneten Schoten und eine üppige Portion frisches Brot kamen zudem auf den Tisch. Als emsiger Reiseführerleser wusste Don Curry noch, dass Ayran als typisches Getränk für diese Speise gilt, um den Gaumen ob der scharfen Beilagen wieder beruhigen zu können; und als er noch im überzeugenden Türkisch "su" = "Wasser" bestellte, erntete er sogar ein anerkennendes Lächeln des Kellners. Um es kurz zu machen: das Mahl war unglaublich lecker! Einzig die Pommes konnten mit ihrer übertriebenen Fettigkeit nicht so ganz überzeugen, alles andere mundete umso besser. Don Curry fiel auf, dass im Salat - wie bereits gestern - der Essig durch Zitronensaft ersetzt wurde, das ließ ihn gleich noch frischer schmecken. Mit einem türkischen Kaffee zum Abschluss, zu dem noch ein weiteres Wasser gehörte, zahlte Don Curry insgesamt 7,60 Euro: Leber + Salat + Pommes + Mayo + Ketchup + Chilisauce + Chilis + 2 Brote + 0,5 Wasser + 0,3 Ayran + Türkischer Kaffee + 0,2 Wasser. Unglaublich!

Nach einem Besuch des historischen Basarviertels machte sich Don Curry wieder auf den Heimweg. Bei einem großen Supermarkt versorgte er sich mit Getränken für die nächste Zeit und erreichte nach über 2 Stunden Fahrtzeit wieder sein kleines Hotel am Schwarzen Meer. Zwar kam er dort gerade rechtzeitig zum Sonnenuntergang an, doch präsentierte sich dieser heute eher unscheinbar. Mit einer türkischen Linsensuppe und 3 Käsetoasts zum Efes-Bier füllte er noch einmal den Magen und freute sich auf den kommenden Tag. Don Curry wusste: er würde ihm wieder einige Moscheen servieren...




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