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Polnisch-deutsche Ostseeküste

Veröffentlicht: 09.06.2022

Tag 4: Garski - Kolobrzeg - Niechorze - Dziwnow - Miedzywodzie 100 km

Bei strahlendem Sonnenschein machen wir uns nach einem morgendlichen Bad in der kalten Ostsee auf den Weg nach Kolobrzeg. Die 1000 Jahre alte Stadt Kolberg war einst die „Perle der Ostsee“. Hanse, Bischofssitz und später Garnison sowie Festung prägten die Stadt bis ins 19. Jahrhundert. Später kam der Tourismus - Kolberg zählte neben Berchtesgaden und Garmisch-Partenkirchen zu den nobelsten Sommeradressen des deutschen Kaiserreichs. Manchen ist vielleicht auch der Propagandafilm „Kolberg“ der Nazis bekannt. Nach der verlorenen Schlacht in Stalingrad sollte dieser Film im Auftrag von Joseph Göbbels am Beispiel der Verteidigung von Kolberg 1807:gegen die Franzosen zeigen, „dass ein in Heimat und Front geeintes Volk jeden Gegner überwindet.“ Die Hauptrollen wurden mit einem Starensemble besetzt, u.a. Heinrich George als Nettelbeck, und die Außenaufnahmen größtenteils an Originalschauplätzen in Kolberg gedreht. Der Film kam erst kurz vor Kriegsende in die Kinos und fand wenig Beachtung. Im März 1945 wurde die Stadt zu 90 % zerstört, und 17000 Menschen kamen ums Leben. Nach dem Krieg wurde kaum etwas rekonstruiert, doch die Stadt ist heute wieder wie früher ein wichtiges Zentrum der Region. Wir besuchen die Marienbasilika mit den schiefen Säulen, auf denen die Kirche in Backsteingotik wieder aufgebaut wurde. Von Kolobrzeg fahren wir an der Küste und durch eindrucksvolle Küstenwälder nach Niechorze. Dort gönnen wir uns zur Stärkung wieder Fisch, den es hier fast an jeder Straßenecke gibt. Gleich danach erreichen wir Rewal und kommen an der Ruine von Trzesacz vorbei. 1900 stürzte der Großteil der Kirche an der Steilküste ab, übrig blieb nur die Südwand. Nur mit Mühe finden wir den Radweg nach Dziwnow, wo wir die Brücke über eine der drei Odermündungen überqueren. Wir entscheiden uns , eine Unterkunft in Miedzywodzie zu beziehen. 

Tag 5: Miedzywodzie - Miedzyzdroje - Swinoujscie - Kaiserbäder - Peenemünde - Wolgast 100 km

Am Morgen ist es leicht bewölkt, doch im Laufe des Tages wird es wieder sonnig und warm. Bis Miedzyzdroje fahren wir das längste Stück auf der Straße und haben auch ein paar Höhenmeter zu machen. Auf holprigen Waldwegen geht es weiter nach Swinoujscie, der Grenzstadt an der Swina. Wir setzen mit der kostenlose Fähre über den Fluss, den mittleren der drei Mündungsarme in die Ostsee von der in das Stettiner Haff fließenden Oder. Bei einem der letzten Angriffe im März 1945 würde die Stadt fast komplett zerstört. Besonders schlimm war der verheerende US-Luftangriff für die aus dem Osten fliehenden Menschen. Bis zu 20.000 Opfer forderte dieser Angriff, die in Massengräbern bestattet wurden. Nur etwas mehr als 400 Opfer sind namentlich bekannt. 

An der Stadtgrenze ist auch die deutsch-polnische Grenze, die mit einem Tor symbolisch versehen ist. Nun fährt man auf sehr schönen Wegen durch die Kaiserbäder Ahlbeck, Heringsdorf und Basin. An der Promenade mit den wunderschön renovierten Hotels und Pensionen ist man natürlich nicht alleine. Hinter Basin geht es steil hoch in den Wald, was auch bedeutet, dass es nur noch wenig Radfahrer hat. Über die Ostseebäder Ückeritz, Kursow, Zempin, Zinnenwitz und Karlshagen erreicht man Peenemünde. Dort sollte nach Hitlers Wunschdenken die Waffe produziert werden, die für den Endsieg sorgen sollte. Die V2! Garant sollte der berühmteste Einwohner Peenemünds sein, der Obersturmbannführer der SS, Wernher von Braun. In der Produktion wurden jüdische KZ-Häftlinge unter unmenschlichen Bedingungen Tag und Nacht dazu angetrieben, möglichst viele Waffen zu produzieren. 

Von Peenemünde ist es nicht mehr weit bis Wolgast, dem ehemaligen Sitz der Herzöge von Pommern. Heute dominiert neben der Kirche die Peene-Werft den Ort. Auf einem schönen Campingplatz am Wasser , unter Bäumen schlagen wir unser Zelt auf.

Fazit zu einer Woche und 450 km Radeln in Polen

Die Wege waren besser als befürchtet. Die sandigen Pisten blieben uns fast vollständig erspart.

Auffallend der Bauboom.an der Küste. Da werden überall mehrgeschossige Luxus-Appartmenthäuser in Strandnähe hochgezogen.

Der Eindruck von 2018 hat sich verstärkt: es gibt in den Lokalen und Restaurants keine Gemütlichkeit. Fast alles erweckt den Eindruck von Schnellrestaurants, die dann um 19 Uhr schließen.

Die meisten Polen begegneten uns freundlich, doch kann man dies an ihrem Gesichtsausdruck nur schwer erkennen.

Die Ostseeküste in Polen scheint ein ewiger weißer Sandstrand zu sein.

Die Solidarität mit der Ukraine ist spür- und sichtbar. 

Die Autofahrer:innen sind sehr rücksichtsvoll uns Velofahrer:innen gegenüber. 

Und: Polnisch ist eine sehr schwere Sprache! 

Tag 6: Wolgast - Greifswald - Stralsund 100 km

In Wolgast suchen wir kurz nach dem Radweg, doch dann geht es unweit des Peenestroms nach Norden bis wir beim Seebad Lubmin die Ostseeküste erreichen. Kurz zuvor passieren wir die Reste des AKW Greifswald, in dem es 1973 fast zu einem Super-GAU gekommen wäre.  Nach dem Ende der DDR wurde der Reaktor in der weltgrößten Rückbauaktion für mehr als 4 Mrd. € demontiert. Wer die Probleme und die Folgekosten kennt, kann nicht für einen Weiterbetrieb von AKW oder gar den Bau neuer AKW sein. Durch einsame Dörfer entlang des Dänischen Wieks erreichen wir mittags Greifwald. Diese wunderschöne Stadt, deren historischer Stadtkern dank der kampflosen Übergabe an die Rote Armee erhalten blieb, war schon seit dem 13. Jahrhundert Mitglieder der Hanse und beherbergt die zweitälteste Universität im Ostseeraum. 

Auf dem Weg zur nächsten Hansestadt Stralsund gibt es ein langes Stück Kopfsteinpflaster. Als das Navi einen anderen Weg vorschlägt, folgen wir diesem, obwohl er rund 10 km länger ist. Wir kommen auf kleinen, zumeist asphaltierten Straßen durch abgeschiedene Dörfer, die meist auf -hagen ( Steffenhagen, Petershagen….) enden. So kämpfen wir uns bei leichtem Gegenwind und einem Hungerast (es gibt unterwegs keinen Laden) bis Stralsund, wo wir im,Stadtzentrum ein schönes Hotel gebucht haben. Vor 19 Jahren war ich bei unserer ersten Männertour schon einmal in Stralsund, doch die Stadt ist kaum wiederzuerkennen - sowie das gesamte Hafengebiet mit dem modernen Neubau des Ozeaneums. 







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