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Kambodscha – ein Land zwischen alten Tempeln, Pfefferplantagen und einem mutigen Blick in die Zukunft

Veröffentlicht: 24.11.2023

Wir sind drei Wochen mit dem Moped durch Kambodscha gefahren: 2.186km von der Hauptstadt Phnom Penh erst nach Süden an den Golf von Thailand und dahin wo der Pfeffer wächst, nach Kampot; dann wieder nach Norden vorbei an Phnom Penh, immer am Mekong entlang bis zu den Wasserfällen an der Laotischen Grenze und von dort nach Osten zu den Tempeln um Angkor Wat, bevor dann die Rückreise über Battambang nach Phnom Pehn anstand. 2.186km über frisch geteerte Highways, Dorfstraßen die aus mehr Schlaglöchern bestanden als aus Asphalt und Schotterpisten, nach denen wir von Kopf bis Fuß in roten Staub gehüllt waren. 2.186km durch größtenteils tellerflaches Land, durch unzählige Straßendörfer, vorbei an hunderten Wats, aber auch dutzenden Moscheen und immer mit Blick auf grüne Reisfelder.

ständiger Begleiter: der Blick auf Reisfelder

Dabei haben wir einen zweiten Anlauf gebraucht, um mit dem Land, aber auch dieser Form des Reisens wirklich warm zu werden. Auf dem Moped ist man immer mittendrin: wenn man durch Märkte fährt, kann man reichen, was alles feilgeboten wird: ob Gemüse, Fisch oder Fleisch; man teilt sich die Straße mit Kühen, Ziegen und Hunden (die ganz klar darauf bestehen, Vorfahrt zu haben), wenigen LKWs und Bussen, mit Pickups und vielen Mopeds.

nicht alle Fahrzeuge dürften auch auf europäischen Straßen fahren

Die menschlichen Verkehrsteilnehmer sind dabei äußerst rücksichtsvoll und vorausschauend, aber alles was nach §1 in der StVO steht, kann man hier getrost vergessen. Das Verkehrsgeschehen ist eher mit dem auf einem Skihang vergleichbar, als dem, was auf europäischen Straßen zu finden ist. Es wird geschaut, was vor einem passiert, wo die anderen hinwollen könnten und entsprechend lässt man auch Platz. Dafür fährt auch schnell mal jemand von rechts auf, ohne nach hinten zu schauen. Auch wird gern mal ein Stück auf der linken Straßenseite gefahren, wenn es gerade praktischer erscheint. Die oberste Regel ist: für ein Moped ist immer noch Platz. Durch die große gegenseitige Rücksichtnahme funktioniert dieses System aber auch. Wir hatten nur zwei brenzlige Situationen auf der Straße: einmal mit einem Zicklein, dass plötzlich zu seiner Mutter auf der anderen Straßenseite wollte und einmal mit einem Hund, durch dessen Revier die Straße verlief. Auf dem Rest unseres Weges haben wir uns sehr sicher gefühlt, auch bei viel Verkehr.

Unabhängigkeitsdenkmal im Feierabendverkehr, Phnom Penh

Wir haben aber ein paar Tage gebraucht, um uns an diese andere Art des Verkehrs und auch die vielen Eindrücke vom Straßenrand zu gewöhnen. Nach den ersten beiden Tagen gen Süden haben wir überlegt, unser Moped schon deutlich eher wieder zum Verleiher zurück zu bringen und den Rest Kambodschas mit Überlandbussen oder dem Zug zu erkunden. Nach ein paar Tagen Ruhe am Golf von Thailand, in denen wir das bisher erlebte sacken lassen und auch unsere Routenplanung nochmal überarbeiten konnten, haben wir neunen Mut gefasst, einen zweiten Anlauf gewagt und sind seitdem begeisterte Mopedfahrer:innen.

Abendhimmel am Golf von Thailand

Denn das tolle daran, immer mittendrin zu sein, sind die zufälligen Begegnungen am Wegesrand. Auf der Treppe zum Chisor Bergtempel, anderthalb Stunden südlich von Phnom Penh, trafen wir einen jungen Mann aus einer nordöstlichen Provinz, der ins Kloster ging um in Phnom Phen erst khmer und dann englische Literatur studieren zu können. Er sagte, er möchte gern unterrichten, aber sich lieber einer modernen Welt in der Hauptstadt stellen, statt in die Provinz zurückzukehren.

Blick vom Chisor Kloster

In Kep, einem Ferienort an der Küste des Golfs von Thailand, haben etliche junge Menschen Cafés und Gaststätten eröffnet, die modern daherkommen und für uns Langnasen eine gewohnte Umgebung bieten. Auch von den wenigen Besuchern zum Ende der Regenzeit und damit dem Start der Urlaubssaison lassen sie sich ihre gute Laune und Zuversicht nicht verderben, sondern arbeiten fleißig für ihren kleinen wirtschaftlichen Erfolg.

Mangroven um Kaoh Tonsay

Bei einer kleinen Zwangspause durch einen der letzten Ausläufer der Regenzeit kamen wir mit einem Tuktuk-Fahrer in Siem Reap ins Gespräch. Er erzählte uns in perfektem Englisch, wie schwer es in den letzten drei Jahren war, über die Runden zu kommen, als wegen Covid und Ukrainekrieg keine Touristen nach Angkor Wat kamen. Wie groß die Hoffnung war, dass es dieses Jahr wieder eine gute Saison gibt, zumindest bis der Konflikt im Nahen Osten ausbrach. Wir fragten ihn, warum er kein Guide sei, von denen viele Touristengruppen durch die Tempelanlagen führen. Das könne man nur mit einer teuren Ausbildung machen und er komme halt aus einer armen Familie, antwortete er, sogar mit einem gewissen Stolz.

Ordnung muss sein, Angkor Wat

Die Roten Khmer oder Khmer rouges um Pol Pot haben von 1975 bis 1979 versucht, das ganze Land in einen reinen Agrarstaat zu verwandeln. Unter ihrer Gewaltherrschaft starb rund ein viertel der Bevölkerung. Die kambodschanische Autorin Luong Ung, die zur Zeit der Machtergreifung der Khmer rouges fünf Jahre alt war, beschreibt sie in Ihrem Buch First They Killed My Father schlicht als „Zerstörer von Dingen“. Heute, 44 Jahre nach der Befreiung Kambodschas durch Vietnam, finden sich an vielen Orten Stätten der Erinnerung, wie die Killing Caves in Battambang oder das ehemalige Gefängnis und Folterstätte der Khmer rouge S-21 in Phnom Penh. Auch wenn die heutige Regierung stark sozialistisch geprägt ist und autoritär agiert, hat sie nichts mit dem Steinzeitkommunismus der Khmer rouges gemein. Vielmehr spürt man überall im Land den Drang, mit den wirtschaftlich deutlich weiter entwickelten Nachbarn Vietnam und Thailand aufzuschließen.

S-21 Gedenkstätte, Phnom Penh

Viele Menschen folgen dafür dem Versprechen, in den Städten, vor allem in Phnom Penh, bessere Karriere- und Verdienstmöglichkeiten zu finden. In der Hauptstadt entstehen überall neue Hochhäuser. Eine Schweizerin die vor 12 Jahren im damals noch verschlafenen Siem Reap einen Ausbildungsbetrieb für sozial benachteiligte Jugendliche gegründet hat, vergleicht ihre Wahlheimat mittlerweile mit Disneyland und fährt jetzt gern mal übers Wochenende nach Kratie oder Battambang, wo noch immer französische Kolonialbauten das Straßenbild prägen und alles etwas beschaulicher und ursprünglicher zugeht.

französische Kulisse in Battambang

So zählt Kambodscha sicher noch zum wilden Osten, wo es viele Pfade gibt, die noch nicht touristisch ausgetreten sind und sich super mit dem Moped erkunden lassen.

Robert

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#kambodscha#südostasien#moped