Wenn ich mich jetzt bewege, bin ich für den Rest meines Lebens querschnittsgelähmt. Knapp 15 Stunden Busfahrt liegen hinter mir. Nachdem ich die Hoffnung nach Stunden der Fahrerei eigentlich aufgegeben hatte, habe ich es am Ende scheinbar doch geschafft einzuschlafen. Fatale Situation.
BYRON BAY Nach einer weiteren Stunde setzt uns der Bus dann endlich in Byron Bay ab, wo wir noch halb am pennen in Richtung Hostel steuern. Es ist warm. Mein Backpack wiegt wegen meinem Proviant scheinbar 10 kg mehr. Und ich bin müde. Aber ich hab Fredi, meinen Sonnenschein dabei. Schon auf dem Weg zum Hostel verlieben wir uns beide in das idyllische Surfer Dörfchen und statten dem Strand einen Besuch ab, sobald unsere Backpacks wohl auf sind. Es ist fantastisch. Und das Beste, hier werde ich in einigen Stunden Kayak fahren, zum ersten Mal. Vom Hostel holt mich mein Guide höchstpersönlich ab und wir treffen am Strand alle Vorbereitungen. Ich schließe mich kurzerhand mit einem gleichermaßen einsamen Engländer zusammen und schon tragen wir unser Kayak zum Meer. Einmal durch die Wellen gekämpft und geduscht macht das kayaken auf dem wogenden Meer im wahrsten Sinne des Wortes tierisch Spaß, denn hin und wieder ziehen Delfine an uns vorbei, einmal gerade 2 m von unserem Kayak entfernt.
Zugegebenermaßen hatte ich Mühe meine Weichei Panik Attacken zu unterdrücken wenn die Wellen mit unserem Kayak spielten wie Jack Sparrow mit einer Münze zwischen seinen Fingern. Am Ende sind wir zwar nicht gekentert, aber klatschnass. Erfolgreiche Kayaksession würde ich sagen. Am Abend zieht es uns wieder an den Strand wo wir eine Gruppe von Menschen beobachteten, welche ausgelassen trommelten, tanzten und sangen. Ich weiß nicht was sie genommen haben, aber es war bestimmt verdammt gutes Zeug. Am nächsten Morgen scheiterte unser Versuch den Sonnenaufgang anzusehen kläglich, dafür liehen wir uns später ein Surfboard aus und trugen es zum Strand.
Fürs Protokoll: Ich hasse Wellen. Es gibt kaum etwas was mich so abschreckt und fasziniert zugleich und heute sollte ich darin auch noch zum ersten Mal surfen. Und so etwas wie Spaß haben. Fredi war da einige Meter erfahrener und schaffte es tatsächlich mich in die Wellen zu bekommen. Ich war an diesem Tag weit entfernt davon aufzustehen, aber es machte Spaß und ich hatte meiner Angst davor ein wenig getrotzt. Ein letztes Mal ging es durch die Straßen Byron Bays und wir kochten zusammen einen Haufen an Kürbis und Süßkartoffeln, die uns die Bewunderung der anderen Backpacker einbrachten. Am Tag meiner Abreise brachten wir unsere Ärsche dann tatsächlich noch um halb 5 morgens in die Höhe und wanderten eine Stunde zum Leuchtturm, was mit einem unfassbaren Sonnenaufgang belohnt wurde. Zurück im Hostel hieß es für mich dann packen und den Bus nach Surfers Paradise nehmen.
Lighthouse Sunrise
SURFERS PARADISE Meine Erwartungen waren gering, noch nie hatte ich jemanden getroffen, der von der berühmten Stadt begeistert gewesen war. Tatsächlich war Surfers voll bepackt mit Touri Läden, keine Spur von Eigenarten oder dem Charme, der Städte ihr besonderes Etwas gibt. Der Tag war trüb und ich lief mit meinem Backpack 30 Minuten durch den Regen, bis ich in meinem Hostelzimmer ankam. Nur Jungs und kein funktionierendes Schloss zum Bad. Tatsache.
Mit stand der Sinn nach Meer. Alleine sein und nachdenken. Plötzlich hielt mich ein Radfahrer auf. Top ausgestattet, die Knieschoner hätten noch gefehlt. "Can I ask you something?" - "Sure" - "It's my birthday today" - "Well, happy birthday?!" - "Thank you"
Pause. Seltsame Blicke. Die Spannung steigt.
"Sooo.. Do you wanna go for a beer with me tonight?"
What the heck?
Noch nie im Leben war ich so verwirrt, ehrlich. Noch nie fielen mir so wenige Worte im richtigen Moment ein. Nein, einfach nein.
Kurz darauf saß ich am Strand. Endlich alleine. Bis sich ein Kerl mit dem grausamsten italienischen Akzent neben mich saß, sein Kumpel beobachtete uns aus 5 Meter Entfernung. Gebürtiger Melbourner. Definitiv! Und er redete. Und lud mich in seine krasse Wohnung ein wo es Weed bis zum Umfallen gibt und meine innere Vreni schlug ihren Kopf 48 mal auf die Tischkante. Seinen seltsamen Freund im Blick und aus Angst die beiden hatten eher meine neben mir liegende Kamera als mich im Sinn krallte ich sie mir und floh wieder einmal. Nimmt das denn kein Ende.
Ich hatte die Schnauze voll. Also ging ich einfach nur den endlosen Strand entlang, weg von Surfers. Ich sah mir die Menschen an, hörte Musik, beobachtete die Wellen. Ein Unwetter zog auf, doch die Freiheitsluft schmeckte zu gut um ins Hostel zurück zu gehen.
Nach einigen Stunden sah ich mir noch einmal die belebte Fußgängerzone Surfers' an, welche die sonst so graue Stadt endlich aufheiterte. Zurück im Hostel fand ich dann mein komplettes Beautycase randvoll mit (hoffentlich nur) Wasser gefüllt im Bad liegen. Nur tropfte es nirgens im Bad. Unter solchen Zimmergenossen kann man wunderbar schlafen, glaubt mir.
Scheinbar verfolgte mich die letzte Nacht noch ziemlich lange denn als ich am nächsten Morgen zurück zur Bus Station wollte, verpasste ich dermaßen die Abzweigung, dass ich auch noch fast zu spät gekommen wäre. Blöd angesichts der Tatsache dass meine Planung für die Ostküste zeitlich dermaßen minimalistisch gestaltet war, dass ein Tag Verspätung schon Aua gemacht hätten. Doch ich fand die Abzweigung doch noch und ich saß im Bus und ich kam in Brisbane an. Puuh!
BRISBANE
Mein Hostel in Brissie erhielt den absoluten Pluspunkt dadurch, dass die arme Dame an der Rezeption trotz Hinweis (Ich bin ein guter Mensch, ja!) mir statt zwei nur eine Nacht berechnete und ich so für 9 $ zwei Nächte in Brisbane verbrachte. Was soll ich sagen, das Preis - Leistungsverhältnis stimmte. Ich hatte ein Dach über dem Kopf. Bewundernswert fand ich meine Zimmergenossen, von denen niemand von fünf Personen nur ein (!) Wort zu mir sagte sagte.
Zwei davon lagen ungelogen den kompletten Tag im Bett (Wer liegt denn bitte freiwillig einen ganzen Tag in einem Hostelbett? Also ehrlich..) und schliefen oder schauten Filme. Wow, wofür kommt ihr denn bitte nach Australien?
Tag 1 in Brisbane war öde. Sorry. Die North Bank hielt als Highlight den Clock Tower bereit, welcher zwar den Blick auf die kleine Kirche mitten in der City frei gab, ansonsten aber nur unfotogene Gebäude zeigte. Supi. Also beschloss ich endlich mal in eines der Myer Einkaufszentren zu gehen, sozusagen die noble Karstadt Version. Komisches Brisbane.
Gott sei Dank verliebte ich mich bei der morgendlichen Laufrunde dann in die South Bank, den durch den Brisbane River abgetrennten zweiten Teil der Stadt. Neben einer riesigen Wasseranlage mitten in der Stadt, dem wundervollen Riverwalk und dem kleinen Regenwald gab es einen kleinen Strandbereich, ein Riesenrad, Kunstmuseen und die hübsche Brisbane Installation.
Das i-Tüpfelchen bildete am nächsten Morgen noch der Million Paws Walk (Pfötchen, viele viele Pfötchen), bei dem die Einwohner mit ihren Hunden für den guten Zweck eine bestimmte Route spazierten. Und da saß ich und konnte mich zwischen den ganzen Vierbeinern kaum auf mein Buch konzentrieren. Wie sehr ich meine Sylvie vermisse! Am Nachmittag stand ich schon wieder an der Bus Station (Zeitdruck!), wo ich drei bekannte Gesichter aus Sydney wiedersah und eine neue Bekanntschaft machte, mit der ich sogleich noch Kaffee trinken ging. Wie schön ist es bitte, einem fremden Menschen "on the road" zu begegnen und sofort zusammen quatschen und lachen zu können, innerhalb von Minuten miteinander warm zu werden und eine gute Zeit zu haben? Ich erinnere mich an dieses Mädchen an der Bus Station, mit der ich nur am Schalter ins Gespräch kam und 5 Minuten später gingen wir noch zusammen Kaffee trinken, tauschten uns aus über Gott und die Welt. Oder eher Gott und Australien. Als wir mit unserem Kaffee auf den Rückweg machten, fragte sie mich irgendwann nach einer Stunde, wie ich denn eigentlich heiße. Wie komisch und saucool zugleich, oder? Wer macht sowas in Deutschland? Würde ich es selbst zuhause noch so machen? Du? Muss man dafür erst am Arsch der Welt und ein einsamer Backpacker werden um so offen zu werden? Wahrscheinlich ja... Als eine Gruppe von 5 Leuten trafen wir am späten Nachmittag im Hostel in Noosa ein. Das Hostel, die Leute, Noosa, toll! Wir hatten ein BBQ, Cider und gute Gespräche. Was für ein einfacher und schöner Abend! NOOSA & HINTERLAND Am folgenden Tag traf ich tatsächlich meine Sydney-Bekanntschaft Carolyn wieder, wofür ich erst einmal für fast 2 Stunden in den Bus stieg und nach Caloundra fuhr. An der Bus Station wartete Carolyn schon auf mich und da sie nochmal nach Hause musste um dem Elektroniker an ihrem PC behilflich zu sein, fuhren wir eben nochmal in ihr schönes Heim. Ich unterhielt mich Ewigkeiten mit ihrem Mann, wir tranken Kaffee und ich hatte endlich einmal wieder einen Hund zum spielen. Als wäre diese Gastfreundschaft nicht schon faszinierend gewesen, packte mich Carolyn schließlich ein, kurvte mit mir ins "Hinterland", wo wir ein kleines Picknick veranstalteten und auf ein Corona eines der geilsten Pubs Australiens besuchten . Ich, völlig überfordert von australischer Herzlichkeit wurde am Ende des Tages sogar noch nach Hause nach Noosa gefahren, natürlich mit Kaffee- und Strandspaziergangspause. Pünktlich zum Sonnenuntergang waren wir zusammen in Noosa eingetroffen, von wo die arme Carolyn wieder 1 Stunde nach Hause fuhren. with my lovely Carolyn Da hatte sie nicht wirklich ihren einzigen freien Tag in der Woche geopfert, um einer lausigen Backpackerin Australien und ihr Zuhause zu zeigen? Zugegebenermaßen überlegte ich mir zuvor zwei mal ob ich tatsächlich die Nummer der fremden Frau anrufe, denn würde das Verhältnis nicht seltsam werden? Worüber würden wir reden und was erhoffte sie sich denn von mir? Doch Gott sei Dank rief ich Carolyn an und ich sah nicht nur noch mehr von Australien, sondern mit ihr als 'Local' konnte ich auch wieder einiges dazulernen. Es war als hätten wir uns schon immer gekannt, ich telefonierte mit ihrer Tochter und wir hatten Gespräche, so gut und so viele als dass ich sie alle erzählen könnte. Noosa zeigte sich am nächsten Morgen wieder von seiner schönsten Seite. Ich unternahm einen wundervollen Strandspaziergang und zum ersten Mal kam dieses Gefühl in mir hoch.. fuck, ich will nicht gehen. Meine Reise näherte sich in einer rasanten Geschwindigkeit dem Ende zu und je greifbarer sich mein Zuhause anfühlte, desto mehr schien Australien in die Ferne zu rücken. Wie konnten 8 Monate so schnell vergehen? Ist es möglich dass mein großer Lebenstraum, auf den ich Jahre hingearbeitet und hingefiebert habe schon bald wieder abgehakt in der Vergangenheit liegen wird? Am Arsch der Welt und immer noch Fernweh. So habe ich mir das nicht vorgestellt. Und wie es das Ührchen so wollte, stieg ich nach einem schönen Nachmittag im Noosa Nationalpark wieder in den Bus nach Rainbow Beach. Zum ersten Mal hatte ich ein kleines Badezimmer im 8-Mann Hostelzimmer. Es gibt noch Wunder meine Freunde. FRASER ISLAND Das nächste Abenteuer nannte sich Fraser Island, die größte Sandinsel der Welt mit nicht einmal 200 Einwohnern. Da Fraser das ultimative Backpacker Must-do ist und die Touris Busweise auf die Insel verfrachtet werden, hätte ich Fraser schon beinahe ausgelassen. Und es ist eine Sandinsel, was gibt es da außer Sand? Doch Fraser bekam eine Chance und nutzte sie zu 100%! Um 8 Uhr morgens rollte ein kleiner 4x4 Lastwagen auf den Parkplatz der Tanke, den Treffpunkt für unsere Fraser Tour. WIr ließen Rainbow Beach hinter uns bis die Straße zu Strand wurde und wir auf die kleine Fähre warteten, welche gefühlt 3 Autos transportieren kann. Bei der Überfahrt kreuzten Delfine unseren Weg und angekommen auf Fraser erwartete uns das zweite Highlight: Der Highway/Strand. Tatsächlich ist der Strand auf Fraser Island ein eingetragener Highway mit Geschwindigkeitsbegrenzungen. Nachdem wir also eine halbe Stunde den besagten Highway fuhren, stoppten wir für den Morning Tea & Anzac Cookies und zum ersten mal wurde mir bewusst, okay, du bist tatsächlich einer dieser Touris einer Bustour. Ich ging rüber zum Meer. Rechts, links, rechts. Wenig Verkehr auf dem Highway 1. Nächster Halt war der Lake McKenzie, für den wir eine Abzweigung quer Feld ein durch den Wald nahmen. Die Strecke führte über einen Waldweg, welcher von kleinen Erdrutschen und dem Zyklon Debbie so mitgenommen war, das mein Hintern regelmäßig Kontakt zum Sitz verlor und ich mich zum ersten Mal im Leben freiwillig in einem Bus anschnallte. Während die arme Dame neben mir damit beschäftigt war ihr F oder G oder H Körbchen im Zaum zu halten, versuchte ich vergebens noch Bilder von der Fahrt zu machen. Keine Chance. Der Wagen schaukelte und stolperte die Hügel hinauf und hinab dass einem schlecht wurde und ein tiefes Aufatmen ging durch den LKW als wir am See angekommen waren. Lake McKenzie war mit Abstand einer der schönsten Anblicke, der sich mir jemals bot. EIngerahmt von Wäldern lag der See an einem schneeweißen Strand und strahlte in einem Türkis, dass ich meinen 'Sättigung' - Regler später beim Bearbeiten der Bilder kein Stück bewegen konnte, ohne dass das Bild wie ein schreckliches Wallpaper aussah. Leider tickte die Uhr im Rahmen der eintägigen Bustour und somit wurden wir viel zu früh zum Lunch geschickt. Wahrscheinlich das erste mal dass ich das Essen gerne hinausgezögert hätte (Kein Witz.) Ach, die "Backpacker unter uns" (genauer gesagt.. Ich) durften sich auch 3 oder 4 oder 5 Wraps nehmen und welche für die nächste Woche mitnehmen. Jeder lachte am Tisch, außer die Backpackerin. The struggle is real. Bevor wir Fraser auch schon wieder verlassen mussten, stand ein letzter Rainforest Walk bevor und es war unheimlich schön! Die Ruhe mit der Hintergrundmusik der Vögel, die Luft, die Farben und Formen der Pflanzen. Dann ging es zurück auf's Festland und mit der Kamera sicher verstaut im Bus stand ich am Geländer der Fähre. Und plötzlich waren sie da, wenige Meter neben der Fähre. Delfine schwammen neben uns her und ich wusste nicht mehr wen ich mehr verfluchte, mich weil ich die Kamera im Bus gelassen habe oder die Delfine, weil sie die Situation schamlos ausnutzten und jetzt provokant nah kamen. Zurück in Rainbow Beach brachte ich den Tag am Strand und in der Hängematte rum, bis ich am Abend wieder in den Bus stieg. AIRLIE BEACH Und da war er wieder, der Querschnittsgelähmt - Moment und wieder wurden wir um 9:30 Uhr vormittags an einem neuen Ort rausgeschmissen, völlig fertig und übermüdet. Da fehlt es einem noch, dass die Rezeption des gebuchten Hostels vom Zyklon weggepustet wurde und man ins Nächste verwiesen wird, wo die Schlange für den Check in bis auf die Terasse reicht. Awesome !!! Nach einer Stunde konnte ich nach einer Ladung Instand Coffee endlich losmachen: Airlie Beach! Meine Liebe! Auch wenn die Lagune und einige Teile des Städtchens deutliche Schäden zeigten, war Airlie einfach wunderhübsch! Die Main Road mit ihren kleinen Läden, Cafés und Reisebüros stohl mir mein Herz und zum ersten Mal seit langer Zeit verbrachte ich gerne Zeit in Geschäften, ohne dem Hintergedanken was ich unbedingt brauche und kaufen muss. Irgendwann wurde es 14:00 Uhr und ich durfte in mein Hostelzimmer. Die Hostelanlage war riesig und ausgerüstet mit Pool, Bar und unzähligen Häuschen, in denen die Leute untergebracht wurden. Mein Zimmer lag im ersten Stock und bot einen tollen Ausblick. Ich war die erste und konnte mir unter 8 Betten das schönste aussuchen! Kein Stockbett, Steckdose daneben und oben drauf ein Badezimmer im Raum. A dream came true! Tada, das erste Hostelzimmer in dem ich freiwillig Zeit verbrachte und ich mich wohl fühlte. Nach und nach trudelte der Rest ein und meine englischen Kollegen sollte ich noch lange Zeit wieder treffen (Tatsächlich traf ich die Beiden u.a. auf meinem Rückflug in Brisbane am Flughafen wieder.). Das frühe Schlafengehen zahlte sich am nächsten Tag aus, welcher nervenaufreibend werden sollte. WHITSUNDAY ISLANDS Es ist 8:30 Uhr und ich werde mit einigen anderen am Hostel abgeholt um zum Hafen zu fahren, wo das Speedboot "Thundercat" auf uns wartete. Der Dude im Reisebüro erzählte mir übrigens in Sydney, es sei das einzige Boot mit dem man etwas schneller unterwegs wäre im Gegensatz zu den anderen Segelbooten. Und es würde Spaß machen. Und so weiter. Zusammen mit einer anderen Kanadierin saß ich also in der ersten Reihe, die Kamera griffbereit. Als ich sie fragte ob sie denkt ich sollte die Kamera vielleicht wegpacken, meinte sie es würde schon alles alright werden. Ja Jenessa, denkste! Wir verließen den Hafen und das Boot wurde schneller und die Wellen höher. Und als ich als der größte Wellenschisser der Welt das verdammte Boot schon verfluchte, wurde es noch schneller und die Wellen noch höher. Jedes mal wenn uns eine der Wellen seitlich erwischte verriss sie das komplette Boot und meine Knöchel verabschiedeten sich schon von meinen Händen, so sehr krallte ich mich unterbewusst ein. Ich musste an den Reisebürokasperl denken, der meinte es würde Spaß machen. Hab Spaß Vreni, yay! Doch tief im Inneren wusste ich es, ich würde diesen Tag nicht überleben. Entweder würde das Boot vom Meer verschlungen werden oder ich erledigte die Sache einfach selbstständig in Form eines Herzinfarktes. Warum tu' ich mir das eigentlich immer wieder an? Als das Boot irgendwann wieder langsamer wurde, merkte ich neben meinem klopfenden Herzen erst einmal, wie wunderschön die Umgebung war. Wir waren mitten in den Whitsunday Islands und das Wasser strahlte. WIr tuckerten um die größte der Inseln und hielten schließlich, um mit einem kleinen Gummiboot auf eine der Inseln zu fahren. Von der Spitze der Insel bot sich uns ein Bild für Götter, der Whiteheaven Beach inmitten des türkisen Meeres und der anderen Inseln. Unten angekommen spazierte ich über den unecht wirkenden weißen Strand und badete im Meer. War ich noch in Australien oder schon auf den Malediven? Unbeschreiblich! Zurück auf dem Boot schlug das Wetter leider leider um und als wir auf dem Weg zum ersten Schnorchel Spot waren, fing es an zu regnen. Durchgefroren vom Bootfahren, dem Regen und den feuchten Wetsuits kamen wir dort an und sprangen mit schlotternden Zähnen ins Wasser, welches uns plötzlich furchtbar warm vorkam. Da das Wasser durch den Zyklon immer von trüb von dem aufgewirbelten Sand war und der die Sonne verschwunden war, war der erste Schnorchelgang eher eine Enttäuschung. Zwar konnte man einige bunte Korallen sehen, diese aber in einem Meer von überwiegend toten weißen und abgebrochenen Korallen. Ich hätte nie gedacht, dass man das Absterben des Great Barrier Reefs dermaßen sehen würde. Abgesehen von dem kaputten Riff fror ich am ganzen Körper und war auf dem Boot froh, wenigstens noch mein trockenes Handtuch zu haben. Es ging weiter zum nächsten Schnorchel Spot und dieses mal holten unsere Guides den Zauberstab raus und warfen Fischfutter ins Meer, welches unzählige blaue forellenartige Fische mit gelber Schwanzflosse anlockte, die keinerlei Scheu hatten und um unsere Köpfe an der Wasseroberfläche abgingen wie sonst was. Auch wenn diese Schnorcheltour bestimmt nicht mit Wildlife im Sinne von WILD Life punkten konnte, war der Kuschelkurs mit den Fischen ein riesen Spaß und last but not least kam noch der berühmte 'George' angeschwommen, ein riesiger schwarzer Fisch. Zurück in Airlie Beach fanden sich viele der Teilnehmer in der Shed Bar, unserer Hostelbar für ein After - Meeting ein, unter anderem Jenessa und ich. Der Alkohol schmeckte an diesem Abend gut und die Bekanntschaften reichten von Australien über Kanada bis nach Finnland und Wales (I only talk eeeenglish.) Dementsprechend piano fiel mein nächster und letzter Tag in Airlie aus. Einkaufen, kochen, sonnen und einfach nur am Meer sitzen. MAGNETIC ISLAND Die Fähre nach Magnetic Island legt in Townsville ab, wohin ich am nächsten Morgen by bus gelangte. Die nächste Fähre schipperte uns auf Magnetic Island, von wo aus ich den nächsten Bus catchte und zu meinem vorletzten Hostel fuhr. Eine halbe Ewigkeit kurvten wir über die Insel, durch kleine Sträßchen und Dörfer von gefühlt 5 Einwohnern. Schließlich hieß es Base Backpackers aussteigen und etwa der halbe Bus nahm seinen Rucksack und stieg aus. Eine halbe Stunde später stand ich in meinem Hostelhäuschen. Das komplette Hostel bestand aus unzähligen dreieckigen Häusern, die wie aus Spielkarten gebaut waren. In mein Haus/Zimmer passten gerade so 8 Betten und von drinnen konnte man durch die Glastür immer noch das Meer sehen und hören. Noch nie hatte ich in einem Hostel wirklich Zeit verbracht geschweige denn am Pool gesessen. Warum am Pool sitzen wenn man das Meer und Natur haben kann? Doch das Base war mit nichts zu vergleichen und ich saß immer in Begleitung meines PCs am Pool und beim Pizza essen, bearbeitete Bilder und trank zu guter Letzt noch Cider mit meinen besagten englischen Mädels. Es fiel mir schwer Schlafen zu gehen, doch für den nächsten Tag stand Schnorcheln auf dem Plan und so stand ich morgens wohl als die erste lebendige Person auf und ging alleine zum Strand um zu schnorcheln. Leider war es bewölkt und die Flut sorgte für Wellen. Beim Hinausschwimmen fiel mir nicht nur auf, dass die Bojen, welche den Snorkeltrail kennzeichneten nicht nur weiter draußen waren als gedacht, sondern dass das Wasser voller Tierchen oder Pflanzen oder weiß der Geier was war, das auf der Haut brannte wie kochendes Wasser. Die ersten Stiche ignorierte ich noch, doch je weiter raus ich kam, desto schmerzhafter wurde jede Armbewegung beim schwimmen. Ich dachte an die Rezeptionistin, die am Vortag bei der Frage nach gefährlichen Quallen nur abwinkte und in Begleitung eines 'Pfff' nur 'No worries' antwortete. Was wenn Mama Qualle gleich auftaucht und vor Freude mit ihren Tentakelarmen aufgeregt winkt? Ich ließ die Vernunft siegen und schwamm wieder an Land. An der Bushaltestelle lernte ich eine andere Backpackerin kennen, welche ebenfalls Schnorchel Spots abklappern wollte und so fuhren wir zusammen in die Arthur Bay. Wir stürzten uns ins Wasser, doch wieder piekste es unaufhörlich und als dann tatsächlich eine Qualle meinen Weg kreuzte, verging mir die Laune und ich ging den nächsten Punkt auf meiner Magnetic Island Bucketlist an: The Forts Walk. Anscheinend sollte es hier eine riesige Koala Population geben und nachdem ich zwei Stunden gewandert war, hatte ich 300 Koala Bilder mehr im Kasten - 100 Bilder pro Koala versteht sich. Die Horseshoe Bay war meine Mittagspause, wo ich allmählich feststellte, dass Dosenthunfisch bald keine Lösung mehr sein wird. Auf der Heimfahrt hielt ich in Arcadia, wo ich Alma und Geoffrey Bay abhaken konnte und drei Rock Wallabies entdeckte. Nach einem langen Tag saß ich wieder in meinem Traum Hostel, mit Pizza und Laptop. Ich wollte hier nicht weg. Endlich hatte ich ein Hostel gefunden, das im wahrsten Sinne des Wortes schön war! Magnetic Island hatte mir mein Herz gestohlen. Doch leider musste ich die Insel am nächsten Tag wieder verlassen und aufbrechen zu meinem allerletzten australischen Ziel: Cairns. Zurück in Townsville traf ich ein Mädchen wieder, das mir auf dem Forts Walk ständig unter gekommen war und so kamen wir ins Gespräch. Emma war aus Finnland und ich danke Gott, sie machte Cairns zu etwas ganz besonderem. CAIRNS Auch Emma verbrachte in Cairns ihre letzten Tage bevor es wieder zurück nach Europa ging und so hatten wir uns gesucht und gefunden, drinking buddies for life. Nach dem nächsten Tag konnte ich meine Alkoholikerschwester gut gebrauchen, nachdem ich die PIN meiner Kreditkarte vergessen hatte, da diese seit sechs Monaten nicht in Gebrauch gewesen war, seitdem ich in Australien Geld verdient hatte. Dass ich die Nummer einfach nur vergessen hatte, wollte ich natürlich nicht einsehen und so sprang ich den kompletten Tag im Dreieck in Angesicht der Tatsache, dass man mit 12 übrig gebliebenen Dollarn keine Woche Cairns, das Great Barrier Reef und eine Woche Dubai zahlen konnte. Am Abend erlöste mich mein Daddy und beantragte einfach nur eine neue Nummer. Dass ich im Notfall immer noch meine Girocard benutzen kann, kam mir den ganzen Tag natürlich auch nicht in den Sinn und ich sah mich schon verhungert im Zieleinlauf liegen. Dass sich meine Todesängste am nächsten Tag noch selbst übertreffen würden, ahnte ich nicht. Das Great Barrier Reef wartete am nächsten Morgen auf uns, als wir auf das Boot stiegen. Mein innerer Angsthase saß glücklich da angesichts der erstaunlichen Größe - da würde man die Wellen mit Sicherheit kaum bemerken. Eineinhalb Stunden sollte die Fahrt bis ans Riff dauern und je weiter wir aufs offene Gewässer kamen, desto mehr verschwand das Lächeln aus dem Gesicht des Hasen. Nicht nur der Anblick der immer höher werdenden Wellen verdarb mir die Laune, sondern auch die Tatsache, dass unser Boot mit einer Wucht ins Meer eintauchte, dass ich bei jedem Aufprall erwartete, nie wieder den blauen Himmel zu sehen. Scheinbar hatte ich in meinem Leben zuvor noch nie wirklich Angst gehabt, doch was auch immer es war, es war grauenhaft. Nach einer gefühlten Ewigkeit kamen wir an und Gott sei Dank - das Riff war es Wert! Zwar hatten wir selbst dort unnormal hohe Wellen (Worte des Captain!), doch von Adrenalin und Neugier getrieben, stieg ich hinein in das tobende Etwas. Die Unterwasserwelt war überwältigend. Von bunten Korallen und Fischen bis zu unendlich tiefen Schluchten, über die wir hinwegschwommen, zeigte sich das Great Barrier Reef von seiner schönsten Seite. Zwar hatte ich teils mit mir zu kämpfen, wenn mich die Wellen niemanden anderen mehr aus meiner Gruppe entdecken ließen oder mich die Strömung innerhalb kürzester Zeit erschreckend weit mitnahm, doch diese Momente voller absoluter Stille und Entschleunigung unter Wasser waren es wieder einmal wert. Nach 2 Schnorchelgängen kam die Ansage des Captain, die Leute, welche bei der Hinfahrt schon Probleme hatten, sollen sich doch bitte an die frische Luft und in die Mitte des Bootes begeben. Als ich mich beim Starten des Motors nach draußen setzen wollte, war noch genau ein Platz zwischen etwa 20 mit Kotztüten ausgerüsteten Schnorchlern und Tauchern übrig. Die Rückfahrt war die pure Hölle. Das Boot knallte mit einer Wucht ins Meer, schaukelte von links nach rechts und bei jedem einzelnen Aufprall schwappte das Wasser in den hinteren Teil des Schiffs. Noch nie zuvor hatte ich mich 1,5 Stunden vor Angst so eingekrallt. Meine einzige Rettung waren zwei andere Teilnehmer, welche ihren Spaß an der abenteuerlichen Rückfahrt hatten und mich unentwegt unterhielten. Schließlich musste ich meinen Platz für eine weitere röchelnde Person aufgeben und so wurde ich von Crewmitglied zu Crewmitglied gehangelt, welche jeweils eine Hand am Griff und eine an meinem Arm hatten. Ich erreichte das Innere des Schiffs (Mein Zimmerkollege deutete einige Stunden später auf seine angebrochene Nase. Er wurde nicht fest gehalten.), schaute nach vorne durch die Fenster und mir stiegen die Tränen in die Augen. Die Aussicht nach vorne war in etwa "Wasser, Wasser, Wasser, Himmel, Himmel, Himmel, Rummms, Wasser, Wasser, oh ein Fisch, Himmel, Himmel, ah eine lebensmüde Möwe". Wenn ich dieses Boot heute lebend verlasse, schreibe ich meinen Eltern dass ich sie über alles liebe! Zitat meines Gehirns. What the fuck! Was hatte ich eine Angst! Als mein Handy wieder Empfang ergattern konnte, rief ich erst einmal meine Schwester an, welche mich zumindest ein wenig ablenken konnte. Mit wackeligen Knien stieg ich dann nach zwei Stunden Höllenritt vom Boot, schrieb Emma und war zwei Stunden später wieder lebendig mit ihr unterwegs. Wir gingen essen und tranken zu bomben Live Musik den halben Free Prosecco Stand leer. Wiederholt wurde das ganze am nächsten Abend, nachdem wir mit einigen Franzosen vorgeglüht hatten und zusammen in eine Bar starteten. Ich finde es immer wieder faszinierend, aber Weggehen in Australien ist so, so billig - abgesehen vom Geld. Der letzte Tag in Australien stand bevor. Ich machte mich zu Fuß auf den Weg in den botanischen Garten Cairns' und verbrachte den Rest des Tages mit einer letzten Packung Timtam und meinen 12000 Bildern, die ich in Australien geschossen habe. Und dann hieß es Packen. Auschecken. 30 Minuten bevor mein Bus zum Flughafen ging hielt ich es keine Sekunde mehr im Hostel aus. Im Eilschritt lief ich ein letztes Mal zum Meer. Vor lauter Vorfreude auf Zuhause und Reiseplanung für Dubai kam der Realitätsschlag in die Fresse tatsächlich erst 30 Minuten vor Ende. Ich stand alleine am Meer, besser gesagt diesem unheimlich hässlichen Watt Cairns' und plötzlich fühlte es sich an, als hätte ich in den letzten 8 Monaten nicht einmal das Meer gesehen. Wie konnten 8 Monate nur so schnell vorbei gehen? Ist es möglich dass mein Lebenstraum, auf den ich Monate und Jahre hingearbeitet und -geträumt habe, nun ein Ende nimmt? Da stand ich am Meer. Weinend wie ein kleines Kind. Die Zeit lief mir davon. Wenn ich jetzt nicht zum Hostel zurück gehe, verpasse ich meinen Bus und meinen Flug. Ich versuchte den Anblick des Meeres, die australische Luft noch einmal aufzusaugen. Aber alles verschwamm vor meinen Augen und der Abschied tat so weh, wie ich es nie erwartet hätte. Also drehte ich mich um, kehrte dem Meer den Rücken zu und ging zurück. Vorbei.