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Geisterfahrt durch den Monsun

Veröffentlicht: 01.04.2023

Es ist Sonntagabend. Gerade ist ein köstliches Mahl an einem Plan d'Eau im Bresse verspiesen und wir haben die schlaue Idee, jetzt in den späten Stunden des ausklingenden Wochenendes die Umfahrung von Lyon hinter uns zu bringen.
Das ist schlau, weil wir so nicht in den Montagmorgen-Berufsverkehr geraten und die berechtigte Hoffnung haben, dass allgemein weniger los ist auf dem berüchtigten Lyoner Ring.

Knusprig gebratenes Poulet de Bresse an Chapignon de Paris mit Knoblauch und Zwiebeln der Region gereicht mit Caprese aus zartem Brillat-Savarin und fruchtigen Rispentomaten zu ofenfrischem Fladenbrot

Wir nehmen also Abschied von einem kleinen künstlich angelegten See, die häufig in französischen Kommunen zu finden sind und deren Sinn sich mir nicht erschließt. Baden ist immer strengstens verboten, Hunde sind striktest an der Leine zu führen und abgesehen von sehr kurzen Spaziergängen kann man in diesen "Naherholungsgebieten" allenfalls ein Picknick machen. Wenn mich hierzu jemand aufklären kann, immer her mit der Information.

Päuschen in der Bresse
Die ersten 50km durch die Bresse verlaufen entspannt. Hübsche Häuschen in kleinen Dörfchen reihen sich aneinander und die berühmten Hühner tummeln sich warm und trocken in Schönheitsfarmen.

Hinter Louhans fahren wir dann auf die Autobahn und kaum sind wir drauf, gießt es mal wieder in Strömen, regnet Eulen und Meerkatzen, wie die Kuh, die pisst, der Himmel fällt uns auf den Kopf. Mittlerweile ist es trotz Zeitumstellung finstere Nacht, die Scheibenwischer arbeiten auf Hochtouren, doch die Sicht wird immer schlechter. Der Asphalt glänzt und spiegelt die Lichter der Fahrzeuge auf der dreispurigen Autobahn in wilden Reflexen. Fahrspuren sind nicht mehr auszumachen. In den Spurrillen sprudeln reißende Wildwasser.

Pesmes


Jetzt bremsen müssen, würde auf der spiegelglatten Straße unweigerlich den Caravan im Aquaplaning ins Schleudern bringen und unser gesamtes Vehikel zum Schlingern und wer weiß was noch Schlimmeres auslösen. Und das obwohl Zappa die Piste mit geduldigen 50km/h entlang rollt.
Regenbogen


Genau in dem Augenblick, als ich krampfhaft versuche, nicht über ein solches Szenario nachzudenken, tritt Zappa auf die Bremse! Und während ich mich noch darüber wundere und bemüht bin, nicht in Panik auszubrechen, kommt unser Geschoss auf der rechten Spur der Autobahn ein paar Kilometer vor Lyon zum Stehen. In der tiefschwarzen Finsternis kann nun auch ich das Problem durch die strömende Gischt erkennen. Zwei Meter vor uns liegt ein noch tiefschwärzerer PKW fast unsichtbar mitten auf der Bahn, quer mit der Schnauze in der Leitplanke. In unserem Scheinwerferlicht erkennen wir die ausgelösten Airbags, nicht jedoch, ob sich noch Personen in dem Auto befinden.
Pesmes
Als erfahrene Ersthelfer wissen wir, dass die eigene Sicherheit oberste Priorität hat. Und dass das eigene Fahrzeug HINTER dem Unfall abgestellt werden muss, damit nicht nachfolgende Fahrer in uns reindonnern. Genau das ist jedoch aktuell das große Problem! Der Verkehr rauscht ungehindert an uns auf der mittleren Spur vorbei, schlechte Sicht und Monsunregen verhindern den Wechsel nach links mit unserem langsamen und extralangen Fahrzeug. In der Hoffnung, dass die Warnblinker Gefahr anzeigen, bleibt uns nichts anderes als abzuwarten. 
Pesmes

Endlich öffnet sich eine Lücke und vor Angstschweiß triefend bin ich außerordentlich froh, dass kein LKW uns von hinten aufs Korn genommen hat. Leicht verwundert darüber, dass wir die einzigen sind, die wegen eines Unfalls anhalten, suche ich eine Weile meine Socken, in die ich meine Hosenbeine stopfen will, damit die nicht sofort in der Wildwasserrinne klitschenass werden. Als die endlich gefunden sind und ich aussteige, stehe ich mit meinen Latschen im knöcheltiefen Wasser und habe sofort durchgeweichte Strümpfen.

Zappa ist längst bei dem Unfallfahrzeug, doch darin befindet sich niemand mehr. Monsieur Karambolage kehrt gerade vom nahegelegenen Rastplatz zurück, von wo er augenscheinlich den Notruf abgesetzt hat, denn wir können in nicht weiter Ferne die blauen Blinklichter schon sehen.
Tapsenklo auf der Autobahn
Monsieur ist unversehrt. Er schnauft noch, ist ansprechbar und benötigt keine weitere Hilfe. Also setzen wir uns, nun komplett bis auf die Unterwäsche pitsche-patsche-nass in den Kangoo und unsere Reise fort. Der Schreck sitzt doch noch in meinen Gliedern und das Wetter erleichtert die Fahrerei nicht gerade. Es schüttet weiter wie aus Eimern, Lyon versinkt in Fluten, engste Kurven müssen mit äußerster Vorsicht genommen werden, damit das Chateau hinter uns in Spur bleibt. Es gießt und gießt und gießt.
Nacht am Landschaftsschutzgebier
Nach vier Stunden Fahrt für eine Strecke von 180km lassen wir die große Stadt endlich hinter uns und finden in einem kleinen Landschaftsschutzgebiet am Ufer der Rhone einen Schlafplatz. Mit Blick auf ein ausgedehntes und grell von tausenden Scheinwerfern beleuchtetes Industriegebiet mit Raffinerie, Chemiefabrik, Linde Gasvertrieb und wild heulender Schrottmühle, in der dann wohl auch bald das Auto von Monsieur Karambolage verschwinden wird.Wunderbar romantisch!Egal, wir sind heil hier angekommen. Aber daran hatte ja keiner von uns Zweifel. 

Antworten (1)

Andreas
Spannend, was ihr so erlebt... Seid nur vorsichtig...☝️

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