Bunter Herbst im Osten Kanadas
Bunter Herbst im Osten Kanadas
vakantio.de/bunterherbstinkanada

2.10.18 Quer über Cape Breton bis nach Meat Cove

Veröffentlicht: 20.10.2018

Das Zimmer im Midtrail Motel in Pleasant Bay hat 12 Grad, als ich um 7h morgens aufstehe. Seit 5.30h bin ich wach und kann vor Kälte gar nicht mehr stillliegen. Die Rettung ist die heiße Dusche. Das hätten wir mal gestern Abend machen sollen - dann hätten wir vielleicht besser geschlafen. Man hätte heute zwar keine trockenen Handtücher gehabt, aber vielleicht wäre man ohne Dusche klar gekommen. Im Bett nebenan trägt man Wollmütze.. Die  Wände der Hütten sind nicht isoliert, ebenso die Schiebetür zum Balkon. Hier kann man eigentlich nicht mehr wirklich bei diesen Außentemperaturen wohnen. Das Hotel ist allerdings ausgebucht, da hier die vielen Arbeiter von der Straßenbaustelle wohnen, die tw. mit riesigen Arbeitsmaschinen hier vorgefahren sind.

Wir verzichten auf das Angebot des Frühstücks hier, weil der kleine Restaurantbereich, an dessen Bartresen die Rezeption ist, so nach Frittenfett stinkt, dass man hier nicht mal Fritten essen wollen würde, geschweige denn ein Frühstück, das es hier immerhin von 8 bis 11.00h geben würde.

Um kurz nach 8 fahren wir zum Mountain View Hotel, einen Kilometer die Straße runter und genießen einen warmen Gastraum, ein warmes Oatmeal, einen cinnamon raisin Bagel und heißen Kaffee. Die Toiletten in diesem Restaurant sind sehenswert. Es gibt eine Damentoilette mit zwei Kabinen, wovon eine nur einen Vorhang hat, der ca. 30cm über dem Boden endet :-D.

Um 9.30h steigen wir ins Auto und fahren zunächst den Cabot Trail wieder nach Süden - also durch die lange Baustelle, die gestern vor Erreichen von Pleasant Bay unsere Anfahrt verzögert hat. Gestern Abend war es schon so duster, dass man die schönen Blicke von hoch oben auf die Küste und die Buchten nur schemenhaft erkennen konnte. Wir genießen kurz darauf einen grandiosen Weitblick unter blauem Himmel. Die Sonne lacht an diesem ansonsten kalten Morgen. Mit zwei Fleecejacken, Mütze, Schal und Handschuhen steht man vor dem Auto an den Viewpoints und macht Fotos, während man im Auto die Sitzheizung genießt. Etwa um 11.00h können wir uns lagenweise entblättern, als es langsam 12°C "warm" ist. 

Nochmals fahren wir am Parkplatz von Benjie's Lake vorbei, ein bißchen in der Erwartung dort Touristen zu sehen, die erkennbar aufgeregt von einer Elch-Sichtung an ihren Autos stehen. Aber dort sind keine Leute. Wir drehen um und fahren zurück nach Pleasant Bay. 

Dieser Ort - er hat 150 Einwohner!! - besteht zu dieser Jahreszeit aus 1-2 geschlossenen Restaurants, 2 noch bedingt nutzbaren Unterkünften  (unser Motel ist eben nur bedingt nutzbar gewesen) und ansonsten ein paar geschlossenen Mini-Shops und Privathäusern. Umso amüsanter ist das Ortseingangsschild, das wir passieren: "Pleasant Bay - The Jewel of the Island". Für uns wird bis zum Ende dieser Reise Pleasant Bay immer mit einer großen Portion Ironie als "Das Jewel" bzw. das "Jewel-Hotel" unseren Aufenthalt in Pleasant Bay umschreiben.

Dennoch zählt Pleasant Bay entlang des Cabot Trails zu einem der Hotspots für Whale Watching und selbst heute an diesem kalten, sonnigen Tag im Oktober bieten unten am kleinen Hafen zwei Anbieter Touren an. Um die 45$ pro Person wird für einen Trip aufgerufen. Wir kommen mit einem der Anbieter ins Gespräch und erfahren, dass man jetzt mindestens 8-10 Seemeilen rausfahren muß, um eventuell ein paar größere Wale zu sehen. Nur die sind jetzt noch hier, jedoch weit draußen im tieferen, kalten Wasser. Wir hatten bei unserer ursprünglichen Reiseplanung im April diesen Jahres eigentlich wg. der Möglichkeit des whale watchings hier unsere Übernachtung geplant, aber so eine Bootstour mittlerweile verworfen. Nicht nur wg. der geringen Chance der Sichtung, auch, weil es einfach zu kalt wäre, jetzt mindestens 3-4 Stunden auf einem (mehrheitlich offenen) Boot bei 12 Grad auf dem Wasser im Fahrtwind zu hocken. 

Also fahren wir aus dem "Jewel of the Island" ab, hören noch einen Weißkopfseeadler schreien, ohne ihn wirklich zu sehen. Kurz hinter Pleasant Bay verläuft der Cabot Trail nun quer über Cape Breton nach Osten. Fast die gesamte Strecke gehört noch zum Nationalpark. Auf dem North Mountain erreichen wir immerhin 400 Höhenmeter, also gebirgig ist es hier nicht wirklich, denn höher wird's nicht. Die Straße ist super zu fahren und gut ausgebaut. Allerdings möchte ich mir nicht vorstellen, wie es im Juli hier zugeht, wenn vermutlich Wohnmobil an Wohnmobil hier rumkurvt. Außer ein paar chipmunks und squirrels, die immer mal wieder gefährlich dicht vor uns über die Straße rasen, sehen wir keine Tiere. 

Uns beunruhigt, dass streckenweise der Nadelwald völlig grau ist, als seien die Bäume abgestorben. Ein trostloses Bild. Dafür werden die Laubbäume immer bunter und in der Sonne funkeln einige Hänge in phantastischen Farben, von gelb über orange bis knallrot. jetzt, wenn die Nächte kalt sind beginnt die Laubfärbung so richtig Gas zu geben. 

Wir schauen über die Aspy River Gorge, eine 40km lange Schlucht, von der man ausgeht, dass sie die Verlängerung der Apalachen ist. Den kleinen Fluss können wir von hier oben nicht ausmachen, aber man sieht die Verwerfungen der Hügel ringsherum, die vor uns in die Schlucht abfallen. So weit das Auge reicht: Wald!!

Wir trudeln heute ohne Zeitdruck den Cabot Trail weiter. Die Strecke von Pleasant Bay bis nach Dingwall, wo wir heute Abend in einem Bed & Breakfast übernachten, hat nur gut 70km. Daher entscheiden wir uns, dass wir noch hoch nach Meat Cove fahren. Vom Cabot Trail biegt man in Cape North nach links auf die Bay St. Lawrence-Road ab und folgt dieser auf einigen Kurven entlang der hübschen Aspys Bay und dünner werdender Besiedelung auf einer Landstraße nach Norden. Anstelle von Hügeln und tiefen Wäldern fahren wir nun entlang von Wasser, Marschland und sehen kleine Inseln. In der Ferne machen wir hohe Kreidefelsen und eine dramatische Küstenlinie aus. Die letzten rund 8km hinter Capstick sind Schotterstraße, die aber heute gut zu fahren ist, weil es nicht geregnet hat. Die einzelnen pot holes kann man relativ gut umrunden und da es kaum Gegenverkehr gibt, ist es mit einem PKW kein Problem, dafür auch mal die andere Seite der Piste zu nutzen. Vor uns taucht plötzlich ein Hubschrauber auf, der Baumaterial am Haken hat für ein Haus, das oberhalb im Hang gebaut wird. Was für ein Aufwand, hier in dieser entlegenen Ecke so ein Projekt zu realisieren.

Wir erreichen Meat Cove in herrlichstem Sonnenschein zwei Stunden nach unserer Abfahrt in Pleasant Bay und sind jetzt gerade einmal um die 90km gefahren. Kurven, langsames Fahren, der ein oder andere Stopp für ein Foto - das war heute wirklich schön. 

Meat Cove ist die nördlichste Siedlung in Nova Scotia. Außer dem Chowder House und dem Campingplatz gibt es hier nichts. Daher ist es auch kein Ort. Wir blicken auf endloses Meer, eine traumhaft schöne Bucht und auf das einladende Chowder House mit einer schönen Terrasse, auf der ein paar Leute in der Sonne ihre Suppe oder anderes löffeln.

Wir ordern eine seafood chowder (14$!) und Kaffee, setzen uns in die Sonne - und werden von irgendwelchen Insekten gepiesackt. Dennoch bleiben wir hier eine ganze Weile, genießen den Blick und ich beneide die  zwei, drei Camper ein wenig, die direkt unterhalb der Terrasse auf einem Rasenstück stehen und mit diesem Blick einschlafen und aufwachen.

Um 14.00h brechen wir von unserem Ausguck auf und fahren nach Bay St. Lawrence, in der Erwartung eines schönen Fischerortes. Aber ausser ein paar Fischerbooten ist auch dieser Ort einfach nur trostlos, was vermutlich auch der Jahreszeit geschuldet ist. Ob hier im Sommer mehr los ist? Läden oder touristische Einrichtungen, Visitor Center o.ä. können wir nicht ausmachen, die ggf. im Sommer das Bild lebendiger machen würden.

Kurz darauf sind wir in Dingwall und checken gegen 16h in das SeaBreezes Bed&Breakfast ein. Joanne zeigt uns unser Zimmer, das Bad ist auf dem Flur und ein riesiges Ding. Das Zimmer ist warm, hell und wir werden nach der letzten Nacht in diesem "Jewel-Hotel" hier sicher gut und kuschelig schlafen. Das Haus ist recht neu. Mit uns kommen weitere Gäste an, wir ziehen uns alle am Eingang die Schuhe aus und laufen auf Socken im Haus herum. Aufgrund der Lage des Zimmers im 1. Stock, schnappen wir uns nur ein paar Kleinigkeiten aus dem Koffer und lassen die großen Gepäckstücke im Kofferraum. Der Coral Room hat keinen Fernseher, ist liebevoll eingerichtet und top sauber. Wir schauen noch kurz in andere Zimmer, die wirklich toll eingerichtet sind. Wer braucht schon TV? Für 144$ ist es nur 30$ teurer als die Frostbude letzte Nacht - und dabei so schön und mit Frühstück.

Um 16.30h sitzen wir schon wieder im Auto, da wir noch einen Loop fahren möchten, der uns auch zum Chowder House in Neils Harbour bringen soll. Ab morgen ist für ein paar Tage schlechtes Wetter angesagt, und wenn wir jetzt noch ein paar hübsche Blicke mitnehmen können, dann machen wir das. Im B&B können wir jetzt eh nichts machen, außer auf den Betten zu sitzen. Und Dingwall ist erneut so klein und wieder fast alles zu, dass es dort auch nichts gäbe, was man machen könnte.

Der sog. Coastal Loop beginnt ein paar Kilometer südlich von Dingwall und führt entlang der Küste nach White Point (über die White Point Road) und weiter nach Neils Harbour. Dort steht einer dieser typischen Leuchttürme von Nova Scotia, 4eckig, weiß und mit rotem Dach. Direkt daneben machen wir das Chowder House aus. Es ist 17.30h als wir hier mit der Freude auf ein gemütliches, zünftiges Fisch-Essen einkehren - nur um festzustellen, dass die in 30min (also um 18.00h) schließen. Vor der Holzbude gibt es eine große Rasenfläche, auf der noch ein paar Picknick-Tische stehen. Die Lage direkt über einer steil abfallenden Küste ist auch jetzt noch wunderschön, als die Sonne sich langsam verkriecht. Vermutlich ist hier im Sommer viel Betrieb und bestimmt auch bis in den Abend geöffnet. Der Hinweis auf das Chowder House in Neils Harbour fehlt in keinem Reiseführer.

Wir bestellen schnell ein lobster club sandwich (14$), was bis zur Abreise aus Kanada mit zu den besten Mahlzeiten gehört, die wir hatten. Grandios! Dazu Pommes, Ketchup - herrlich diese Sünden! 

Wir kommen noch kurz mit einer der Bedienungen ins Gespräch und erfahren, dass hier in Neils Harbour die Lobster Saison am 15.7. vorbei ist und man deswegen auch keinen kompletten Lobster mehr servieren kann. Je nach Region in NS sind die Fangzeiten für Hummer andere. Das werden wir noch später genauer erfahren.

Kurz nach 18.00h sitzen wir also wieder im Auto und fahren vorsichtig über den hier ansetzenden Cabot Trail nach Norden Richtung Dingwall. Nun in der Dämmerung muß man unbedingt aufpassen, nicht irgendwo ein Reh oder einen Hirschen, schlimmer noch einen Elch anzufahren. Joanne hatte schon berichtet, dass letzte Woche ein Unfall mit einem Elch auf dieser Strecke passiert wäre. Bei einem PKW wie unserem haben wir als Fahrer/Beifahrer kaum Chancen. Unfälle mit Elchen enden vielfach für Menschen tödlich, wenn so ein 400-600 Kilo-Koloss in die Scheibe kracht.

Wir sind jetzt deutlich nördlicher, als noch vor ein paar Tagen, so dass um 18.40h die Sonne untergeht. Um 19.00h ist es praktisch stockdunkel. Wir begeben uns noch kurz auf die Suche nach dem Leuchtturm von Dingwall, landen aber auf einer unbefestigten Straße mit extrem vielen Löchern, die in der dunklen Dämmerung kaum noch zu sehen sind, fahren also zurück auf die Straße und sind um kurz nach 19.00h in unserer Unterkunft.

Bilder sichern, Tagebuch schreiben, frühes Licht aus. Herrlich warm!



 

Antworten

Kanada
Reiseberichte Kanada
#dingwall#nova#scotia#meat#cove#cabot#trail#benjies#lake#bay#st.#lawrence#chowder#house#neils#harbour#point#north#aspys#gorge#aspy#river#indian#summer#whale#watching#pleasant#bay#nova#scotia