Veröffentlicht: 31.08.2019
Von Castlegar fuhren wir am nächsten Morgen via Creston nach Radium. Creston ist für seine lokalen Fruchtstände bekannt. Auch wir konnten dem knackigen Obst nicht widerstehen und kauften Pflaumen, kleine Wassermelonen, Kirschen und eine leckere Erdbeermarmelade. Nach knapp fünf Stunden Fahrtzeit trafen wir in Radium – kurz für Radium Hot Springs – ein. Auf der Suche nach einem Campingplatz begaben wir uns auf die andere Flussseite. Zwar entdeckten wir Stellplätze, doch blieb unklar, ob es sich um öffentliche oder private Plätze handelt. Zudem konnten wir keine sanitären Anlagen entdecken – für uns 'Zelttouristen' also eher ungeeignet. Wir überquerten erneut den Fluss und checkten beim Readstreak Campground ein. Uns wurde eine Parzelle neben einem älteren Paar zugewiesen. Diese erwiesen sich als äusserst freundlich und kommunikativ (was vielleicht auch teilweise auf den Alkohol zurückzuführen war). Wir stellten unser Zelt auf uns studierten die Broschüren, welche wir uns im Touristenbüro besorgt hatten. Mit steigendem Alkoholpegel wurde das Gekicher und Gelächter unserer Nachbarn immer lauter. Gegen neun Uhr hatte die Dame so viel getankt, dass ihr die Koordination der Gliedmassen sehr schwer fiel. Wenige Minuten später hörten wir etwas, bzw. jemanden, den Hang hinunterpurzeln. Mathias eilte zu Hilfe – die Dame war nicht gerade ein Leichtgewicht und wir waren uns nicht sicher, ob der Herr sie alleine hochhieven könnte – zum Glück war sie unverletzt. Nach mehreren Anläufen – die meisten davon endeten in Lachattacken – gelang es sie ins Zelt zu bringen. Auch wir konnten uns ein Schmunzeln nicht unterdrücken. Tststs, immer diese jungen, eh alten, Leute. Die Geschichte wurde noch lustiger, als die Lady wohl so eine Stunde später auf Klo gehen musste. Wie ein Kind stahl sie sich davon und plumpste erneut ins Wäldchen. Lautes Knacken, eine Lachsalve, leichtes Fluchen ihres Partners und danach sehr viel Überzeugungsarbeit wieder ins Bett zu kommen. Teenager Soap Opera pur – nur das Popcorn fehlte.
Am nächsten Morgen waren die beiden wieder munter, wenn auch noch etwas einsilbig. Nach dem Frühstück brachen wir zu unserer Wanderung zum Cobb Lake auf. Auf dem Weg zum Ausgangspunkt passierten wir die berühmten Radium Hot Springs und legten einen Stopp beim Olive Lake ein. Dieser kleine See ist die Heimat einer speziellen, sehr kleinen Forellenart. Wir konnten einige Exemplare im Wasser entdecken. Die Tiere fallen weder durch ihre Farbe, noch durch ein besonderes Merkmal auf. Für uns sahen diese wie junge Forellen aus.
Vom Ausgangspunkt bis zum Cobb Lake waren es nur knapp 3 Kilometer. Wir begegneten wenig Menschen und genossen die Stille der Natur. Durchbrochen wurde diese nur von unserer Bärenglocke. Der Cobb Lake ist ein ruhiges Gewässer mitten im kanadischen Wald. Ein idyllischer Ort, der nicht von Touristen überrannt ist. Die meisten Besucher konzentrieren sich nämlich auf die Jasper und Banff Nationalparks. Zurück beim Parkplatz entscheiden wir uns für einen Besuch der Hot Springs. Einerseits konnten wir nach der Wanderung eine Dusche vertragen (eine reguläre Dusche vor dem Baden!), andererseits wollten wir unseren Füssen eine Entspannung gönnen. Der Eintritt war mit 6.30 Dollar erstaunlich preiswert. Es gibt drei Pools, 39 Grad, 29 Grad und 18 Grad. Im warmen Wasser hielten wir es nie länger als 10 Minuten aus. Danach mussten wir uns jeweils sofort abkühlen gehen. Wir genossen das Bad in den warmen Quellen trotzdem.
Am nächsten Morgen packten wir unsere Sachen zusammen und verliessen Radium in Richtung Banff Nationalpark. Bei strahlend blauen Himmel fuhren wir die wunderschöne Strecke bis nach Lake Louise. Der Campingplatz war leider bis auf den letzten Stellplatz ausgebucht. Damit war aber zu rechnen gewesen. Lake Louise ist einer der touristischen Hotspots im Banff Nationalpark. Wir folgten dem Icefields Parkways Richtung Norden und versuchten unser Glück beim nächsten Campingplatz. Leider war auch dieser voll ausgebucht. Eine halbe Stunde später erreichten wir den Silverhorn Campground. Hier fanden wir problemlos einen Stellplatz für unser Zelt. Auch Toiletten und Brennholz waren vorhanden. Erleichtert richteten wir unser Nachtlager her. Im Anschluss besuchten wir den nahegelegenen Peyto Lake – unserer Meinung nach einer der schönsten Seen, die wir bisher gesehen haben – und den Crowfoot Glacier am Bow Lake.
Da es am Vorabend in der Gegend wohl geregnet hatte, war das Entfachen des Feuers gar nicht so einfach. Nach zwei Stunden hatten wir aber genügend Glut, um unsere Würstchen zu grillen. Wir trafen per Zufall noch auf ein junges Pärchen aus der Schweiz, das seine Flitterwochen in Kanada verbringt. Lange quatschten wir mit diesen. Danach legten wir einige Scheiter nach und genossen den Sternenhimmel. So viele Sterne kann man in der Schweiz nur in abgelegenen Bergregionen sehen. Einfach wunderschön! Der Nachteil am klaren Himmel bekamen wir nur wenig später am ganzen Leib zu spüren. Es wurde bitterkalt! Die Temperatur fiel auf zirka zwei Grad runter. Eingepackt in mehrere Schichten Kleider kuschelten wir uns in den Schlafsack. Bei solchen Temperaturen haben wir bisher noch nie in einem Zelt geschlafen. Dank den Isolation-Hosen von Warren und dem Jäckchen von Jerry konnte auch Andrea angenehm schlafen. Ohne die zusätzliche Ausrüstung unserer Freunde hätten wir in jener Nacht definitiv gefroren.
Am Morgen kochten wir uns als Erstes eine Tasse Kaffee, um den Körper von Innen zu wärmen. Nach dem Frühstück packten wir ein Lunchpaket und machten uns auf den Weg zum Lake Louise. Es gelang und tatsächlich in der Nähe des Dorfzentrums einen Parkplatz zu ergattern. Der Parkplatz beim See war bereits morgens um 8 Uhr hoffnungslos überfüllt gewesen. Da der ÖV leider nur alle zwei Stunden fuhr, entschlossen wir uns, den Weg zum See zu Fuss zurückzulegen. Es handelte sich um eine sehr moderate Wanderung. Nach etwas mehr als einer halben Stunde standen wir bereits vor dem prächtigen See. Wir waren erstaunt, dass nur so wenige Menschen sich für die Wanderung entschieden hatten und lieber auf den Bus warteten. Selbst mit Kindern ist diese Strecke leicht bewältigbar... Der See erstrahlte in einem wunderschönen türkisblau. Hunderte Touristen drängten sich darum. Wir setzten uns etwas abseits in den Rasen und genossen unser Mittagessen. Von unserem Rasenplatz aus konnten wir alle die Kanus beobachten, die über die Wasseroberfläche glitten. Wir hatten zuvor die Preise studiert – eine halbe Stunde kostet 115 Dollar, eine Stunde 125 Dollar – insgesamt trieb da eine schöne Menge Geld auf dem See herum. Wir zählten rund dreissig Kanus!
Weil wir noch Energie hatten, beschlossen wir, den Pfad zum Lake Agnes zu besteigen. Wir waren nicht die einzigen – eine regelrechte Autobahn führte durch den Wald nach oben. Der Wegweise beim Lake Agnes verkündete, dass der Big Beehive nur noch 1.5 Kilometer entfernt lag. Da wir am Vortag von unseren Schweizer Kollegen den Tipp erhalten hatten, hier hochzugehen, konnten wir der Versuchung nicht widerstehen. Eigentlich hatten wir ja nur eine 'kleine Wanderung' machen wollen, daraus wurde dann aber ein 15 Kilometer Marsch. Egal, unsere Anstrengungen wurden durch eine wunderbare Aussicht auf den Lake Louise belohnt! Von oben sah die Wasserfarbe nochmals viel beeindruckender aus. Vor unseren Füssen öffnete sich ein rund 200 Meter tiefer Abhang – definitiv nichts für schwache Nerven. Wir schossen einige Bilder und machten uns an den Abstieg. Müde erreichten wir unser Auto. Auch dem Rückweg füllten wir unseren Wassertank auf. Auch in dieser Nacht wurde es kalt, jedoch längst nicht so kalt, wie am Vortag. Der Himmel war bedeckt und es regnete leicht. Wir fixierten die Plane über unserem Zelt. Wir waren bereit für den Sturm, der glücklicherweise nie eintraf.
Am nächsten Morgen machten wir uns auf den Weg zu den Columbia Icefields. Leider hatte sich über Nacht das Wetter verschlechtert. Nichtsdestotrotz können wir sagen, dass uns die Strecke zwischen Lake Louise und den Columbia Icefields von der Umgebung her klar am besten gefallen hat. Die Rocky Mountains, die vielen Seen und der gesunde Wald geben ein eindrückliches Bild ab. Wir durften uns glücklich schätzen, auf dem Weg auch noch einen Bären entdeckt zu haben. Bei grossen Schwarzbären handelte es sich wohl um ein ausgewachsenes Männchen. Das riesige Tier sah beim 'Beerischnousen' ganz friedlich und liebevoll aus. Trotzdem darf man die Gefahr, die von den Wildtieren ausgeht, nie unterschätzen. Das Auto bietet einen guten Schutz. Nach einer Weile waren alle Beeren geerntet und das Tier verzog sich in den Wald. Was für ein bewegender Moment.
Bei den Columbia Icefiels setzte der Regen ein. Zwischen den Regenwolken kamen aber auch immer wieder Sonnenstrahlen hervor, sodass wir eine gute Sicht auf die Eisfelder hatten. Auf eine geführte Tour verzichteten wir bewusst. Gletscher können wir auch in der Schweiz besichtigen. Zudem wollten wir diese Erfahrung nicht mit hundert anderen Leuten teilen.
Fortsetzung folgt im nächsten Beitrag.