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Wandern bis die Socken qualmen in Patagonien

Veröffentlicht: 21.03.2017

Von Ushuaia ging es mit dem Bus dieses Mal auf dem Landweg zurück nach Punta Arenas. Die 11stündige Fahrt war eigentlich recht kurzweilig und gefühlt verbrachten wir die meiste Zeit wieder mit dem Grenzübertritt, auch wenn die Kontrollen am Ende der Welt eher als lax zu bezeichnen sind. Die Landschaft auf der Fahrt war flach und steppig, hatte aber durch die rauhe Küste, an der wir entlang fuhren und den süßen Guanakos, die immer wieder die Straße kreuzten, durchaus seine Reize. Da Feuerland ja aus einer großen Inselgruppe besteht und keinen direkten Festlandzugang hat, durften wir nochmal mit der Fähre aufs Festland übersetzen, wo wir zum ersten Mal die krassen patagonischen Winde zu spüren bekamen. Da wurde uns klar, was wir doch auf unserer Schifffahrt nach Puerto Williams und in Ushuaia für ein Wetterglück hatten, als wir an Deck der Minifähre fast vom Schiff geblasen wurden. Wieder zurück in Punta Arenas bezogen wir ein schönes Zimmerchen in einem anderen Hostel, schauten uns am nächsten Tag nochmal das Städtchen und ein Museum an und vertrieben uns die Zeit bis zum Nachmittag mit leckerem Kuchen und Shopping in Artesanias, in denen wir sogar noch ein kleines Mitbringsel für Bodes und Olgas heranwachsenden Krümel fanden. Am Nachmittag fuhren wir dann weiter nach Puerto Natales. Dies ist ein recht beschaulicher Ort, in dem es nicht wirklich viel zu sehen gibt, der aber als Ausgangspunkt für den etwas über 100km entfernten Nationalpark Torres Del Paine gilt. Die Vorbereitung auf den Park hatte uns ja schon seit Dezember geplagt, weil die Zeltplätze und Unterkünfte im Park rund um die bekannten W- und O-Trekks schon lange ausgebucht bzw. unverschämt teuer waren und man so lange im Voraus überhaupt nichts über die Wetterlage sagen kann. Wer noch nie etwas über die Trekks gehört hat, sollte wissen, dass der W-Trekk ca. 4-5 Tage und der O-Trekk ca. 8 Tage Wandern bedeutet. Wenn man wie wir kein Millionär ist, muss man Zelt, Isomatte und Lebensmittel für die ganze Strecke mitschleppen und man ist dem patagonischen Wetter mit Regen, Schnee, Hagel und massiven Winden schutzlos ausgeliefert. Dass wir die Trekks aus beschriebenen Gründen nicht wirklich machen wollten, war zwar unausgesprochen aber irgendwie auch klar, denn ein bisschen Komfort mögen wir ja beide ganz gern. Blieb eigentlich nur übrig, zwei Tagesausflüge von Puerto Natales aus zu machen, oder, wie wir gelesen hatten, mit einem Mietauto in den Park zu fahren und auf gut Glück einen Zeltplatz abseits der Trekks zu finden. Nachdem wir etwas müde wegen der aufregenden und anstrengenden vergangenen Tage waren und das Wetter kalt und regnerisch war, ließen wir es erstmal gemütlich angehen und checkten die Möglichkeiten vor Ort. Schnell war klar, dass die Automietoption nicht nur die entspannteste sondern auch die kostengünstigste war und so buchten wir nach einem Blick auf die Wetterprognose für drei Tage ein Auto, verlängerten unser Hostelzimmer um einen weiteren Tag, kauften Stück für Stück Lebensmittel ein und genossen ausgiebig das Nichtstun. Allerdings muss man dazu sagen, dass Einkaufen in Puerto Natales fast eine Tagesaufgabe ist, da man gerne mal 1 Stunde an der Kasse im Supermarkt steht (also die Extranjeros stehen brav an, die Einheimischen drängeln und quetschen wo es nur geht), um dann zu merken, was doch noch alles fehlt oder ausverkauft war. An unserem letzten Tag machten wir noch ein Spaziergängchen zum Wahrzeichen von Puerto Natales, dem Mylodon, eine Art Riesenfaultier, das vor ca. 11000 Jahren ausgestorben ist, mehre Tonnen wog und dessen Knochen in der Nähe von Puerto Natales gefunden wurden.

Nachdem wir am folgenden Tag mit einer Stunde Verspätung unseren fahrbaren Untersatz abgeholt hatten (der arme Autovermieter wurde beinahe von Tina aufgefressen, weil er Verspätung hatte) (Anmerkung von Tina: Er hatte EINE Stunde Verspätung!!) und wir unsere 7(000) Sachen eingeladen hatten, ging es bei schönstem Sonnenschein los Richtung Torres del Paine. Nach einigen Kilometern begannen wir, unseren Karmatopf zu füllen, in dem wir zwei junge französische Stopperinnen aufgabelten, welche nicht die Letzten sein würden und die uns durch ihre verplant-chaotische Art noch oft zum Lachen brachten. Schon auf dem Weg zum Park mussten wir immer wieder Fotostopps einlegen, weil sich das näherkommende Torres Gebirgsmassiv im Sonnenschein aus verschiedenen Perspektiven zeigte und ein grandioses Panorama abgab. Nach einer Stunde erreichten wir den Eingang des Parks, bezahlten den Eintritt, bekamen Kartenmaterial für den Park und schon ging es über die Schotterstraßen weiter Richtung Parkmitte. Unser erstes Ziel sollte der Campingplatz Pehoé sein, der im Reiseführer empfohlen wurde und bei dem wir uns erhofften, ein Plätzchen für unser gemietetes Riesenzelt zu finden. Das Glück war mit uns und so konnten wir schon eine halbe Stunde später unser Zelt unter einem kleinen überdachten Holzhäuschen aufbauen, das uns vor Wind und Regen schützte und darüber hinaus einen Tisch und Bänkchen zum Essen bot. Vom Zelt aus hatten wir einen sagenhaften Blick direkt auf die Torres und den blauen Lago Pehoé. Den sonnigen Nachmittag nutzten wir für eine erste kleine Wanderung vorbei am Wasserfall Salto Grandes zum Nordenskjöld-Lake. Wunderschöne Landschaft und immer den Blick auf die gewaltigen Torres, an denen man sich nicht sattsehen kann. Unterwegs begegneten wir wilden Guanakos, Gänsen und vielen anderen schönen Vögeln. Zurück am Zeltplatz entdeckte Tina ein Gürteltier, das über den Campingplatz schlumpfte – übersüß und größer und haariger als wir dachten. Wir wurden schon vorgewarnt, dass wir unser Essen im Auto lassen sollten, da sich die Gürteltiere sogar durch die Zeltplanen fressen, um an das Essen zu kommen. Nachdem wir uns wie in alten Zeltlagerzeiten mit Dosenravioli gestärkt hatten, besuchte uns ein Feldhase, dem das Gras vor unserem Zelt besonders lecker zu schmecken schien, denn am nächsten Morgen, wurden wir wieder von ihm begrüßt. Auf der Jagd nach weiteren Tierchen machte ich noch einen kleinen Spaziergang auf den nächsten Hügel, von wo aus ich einen gigantischen Blick über den Park in der Abenddämmerung hatte – was für ein Paradies am Ende der Welt! Schon jetzt hatte sich für uns die Auto-Entscheidung gelohnt, denn auf den ausgetretenen W- und O-Wanderautobahnen gibt es keine Tiere zu sehen und man erhält an keinem Punkt der Wanderung einen Panoramablick auf das gesamte Bergmassiv und den See! 

Auf dem Rückweg zum Zelt traf ich unsere zwei Französinnen wieder, die den ganzen Tag vergeblich versucht hatten zum zentralen Campingplatz zu kommen und gerade kochten. Am Mittag hatten sie in ihrem sehr basalen und lustigen Englisch schon von ihrer Geschäftsidee erzählt, auf dem W-Trekk Crêpes zu machen und an Wanderer zu verkaufen, um sich so den Aufenthalt im Park zu verdienen. Neben ihren riesigen Rucksäcken hatten sie deshalb noch zwei gewaltige Einkaufstüten mit Crêpe-Camping-Platte und massenhaft Zutaten dabei – wie sie das alles auf dem Trekk schleppen wollten, war mir schleierhaft, aber mehr dazu dann später.

Tina hatte sich im Zelt schon in 10 Schichten Kleidung und ihren Schlafsack gemümmelt und ich gesellte mich gleich dazu, zuversichtlich, dass mein leichter Sommerschlafsack schon ausreichen würde, war mir doch vom Spazierengehen mollig warm. Falsch gedacht! Mitten in der Nacht wachte ich bei ca. 5 Grad Celsius schlotternd auf und die Eisklötze an meinen Beinen sollten auch bis zum nächsten Morgen nicht mehr auftauen.

Aber irgendwann war die Nacht überstanden und die Vorfreude auf den bevorstehenden Tag zu groß um weiter an die Kälte zu denken. Heißer Mate und eine heiße Dusche in der Morgendämmerung taten noch ihr übriges, um die gefrorenen Glieder aufzutauen. Frühstücken, Vespéro schmieren, Zelt einpacken und los gings um den Mirrador de Condores am Fuße des Campingplatzes zu erklimmen. Condore sahen wir zwar keine, aber dafür lief uns ein Fuchs über den Weg, der uns neugierig aus nächster Nähe begutachtete. Nach einer Stunde wurden wir auf dem Gipfel wiederum mit einem phantastischen Blick belohnt und der beim Aufstieg einsetzende Nieselregen hörte auch wieder auf. Jedoch erkannten wir das schreckliche Ausmaß des letzten großen Brandes im Park im Jahre 2012. Ein Israeli wollte sein benutztes Klopapier verbrennen und löste dabei einen Großbrand aus, dessen Spuren wir jetzt immernoch sehr deutlich sehen konnten :( 

Als wir eine weitere Stunde später wieder am Parkplatz ankamen, liefen uns zwei junge chilenische Mädels mit bunten Haaren und schwerem Gepäck entgegen, die wir sofort in unser Herz schlossen und natürlich mit zum Campingplatz Zentral mitnahmen, wo wir auch übernachten wollten. Dort angekommen, bekamen wir die erste schlechte Nachricht, der Campingplatz war ausgebucht. Wir hätten zwar noch einen Platz in dem Refugio Chileno auf halbem Wanderweg zu den Torres bekommen, was aber unsere Pläne für den Mittag zunichte gemacht hätte und der uns mit über 80 € pro Person mit eigenem Zelt und 2 Stunden Fußmarsch zu teuer und zu umständlich war. Hier trafen wir auch wieder die französischen Mädels, denen es gelungen war, nach einer anstrengenden Nacht, in der sie versuchten wild zu campen und von Parkwächtern mitten in der Nacht vertrieben wurden, am Morgen eine Mitfahrgelegenheit zu finden. Allerdings hatte sie nicht damit gerechnet, dass der Campingplatz Zentral auch ausgebucht war. Beim Kochen des Mittagessens vor dem Eingang, dämmerte ihnen wohl langsam, dass sie sich die Idee, den W-Trekk ohne Vorreservierung, ohne ausreichend Lebensmittel, ohne Geld und einem nicht so ganz funktionierendem Crêpes-Business wohl abschminken können. Die Eine meinte nur im besten französischen Akzent: „ Wü aarr vöry piiissssst!“ (Übersetzung: Wir sind sehr angepisst) Dies sagte sie aber mit einem Strahlen im Gesicht, als ob sie gerade im Lotto gewonnen hätte. Haltungsnote von mir – eine glatte 1!

Nach kurzem Kriegsrat fuhren wir wie geplant erst einmal durch eine wunderschöne Landschaft, in der wir überall Guanakos bestaunen durften, zur Laguna Azul, an deren Ufer wir nochmals eine zweistündige Wanderung durch einsame Wald und Wiesenwege machten. Hier begrüßte uns auch wieder die Sonne und so entschlossen wir, am geschlossen Campingplatz der Lagune Abendmahl zu kochen, in der warmen Abendsonne ein wenig zu lesen und die wundervollen Karakara-Vögel zu beobachten, die uns schon seit Ushuaia begleiteten. Gegen 19.00 Uhr brachen wir dann wieder auf in Richtung Camping Zentral. Auf der Straße begegneten wir ganzen Horden von Guanakos, die die Straße nur sehr ungern räumen wollten und auch nicht recht verstanden, wieso wir ausgerechnet jetzt zwischen ihnen durchfahren wollten. Für uns war es aber großartig diese wunderschönen Tierchen aus nächster Nähe zu beobachten und ihre vermeintlichen Gedanken in die menschliche Sprache zu synchronisieren. Wirklich beachtlich waren auch ihre Riesensprünge, die sie locker flockig aus dem Stand über meterhohe Zäune vollführten.

Auf dem Weg zum Campingplatz gabelten wir wieder einmal zwei Stopper auf. Ist schon krass, dass man von der Bushaltestelle bis zum Campingplatz 8 km zu Fuß gehen muss, wenn man kein völlig überteuertes Taxi bezahlen möchte. Nach der guten Tat positionierten wir unser Auto auf dem Parkplatz, wo wir uns auch gleich bettfertig machten, denn unser Plan war es, einfach im Auto zu schlafen. Ich hatte noch so meine Bedenken, dass die Parkwächter uns wegschicken würden, aber nachdem wir in fast alle Klamotten gehüllt und im Schlafsack eingepackt noch ein Stündchen Fernseher geschaut haben (seit es bei Netflix eine Downloadfunktion gibt, ist das quasi zum abendlichen Ritual für uns geworden) und uns schon die Augen zufielen, waren sämtliche Bedenken zerstreut.

Nach einer nicht ganz so kalten Nacht im Auto auf den gar nicht unbequemen da komplett umlegbaren Autositzen wurden wir von einem fantastischen Sonnenaufgang begrüßt, der das Tagesziel "Mirador los Torres" goldrot anstrahlte. Temperaturen kurz vor dem Gefrierpunkt ließen mich schnell einen heißen Mate kochen und nach einem schnellen Müslifrühstück brachen wir vor Kälte zitternd auf, den großen Berg zu erklimmen. Tina hatte größte Bedenken, die 10 Stunden Gehzeit zu schaffen, vor allem weil sie in unzähligen Blogs gelesen hatte, dass das letzte Stück furchtbar steil sei und so musste ich ihr immer wieder gut zureden, dass sie nach unseren unzähligen Wanderungen in den Anden mehr als gut gerüstet sei. Nach der ersten halben Stunde badeten wir schon in unserem Schweiß – kein Wunder hatten wir noch alle Schichten der Nacht am Leib. Hose kürzen, Jacken ausziehen und weiter gings hinauf und dann wieder ein Stück hinunter bis zum ersten Basiscamp Chileno, wo wir eine kurze Toilettenpause einlegten und kurz begutachten konnten, was uns hier in der letzten Nacht entgangen war. Wir waren überglücklich uns die 80 Dollar gespart zu haben, denn das Camp ist unter aller Sau. Die Duschen waren Zentimeter tief mit Matsch gefüllt und die Toiletten sahen auch nicht viel besser aus. Keine Ahnung, wann da zuletzt geputzt worden ist, aber man scheint sich hier nur für das Geld der Touris zu interessieren, aber nicht darum, dass sie sich auch wohlfühlen. Die nächsten 1,5 Stunden führten uns überwiegend durch waldiges Gebiet und Tinas Laune senkte sich schon ein wenig, denn die immer wieder durchblitzenden Torres in der Ferne schienen sich mit Wolken zu verhängen und die Landschaft um sie herum war durch den Wald auch nicht besonders reizvoll. Nach weiteren 1,5 Stunden erreichten wir zu unserem Erstaunen schon den Punkt, ab dem es steil nach oben gehen sollte und der mit 45 Minuten Gehzeit bis zu den Torres ausgeschildert war. Nach einem Müsliriegel packten wir das letzte Stück an. Ich für meinen Teil war voll in meinem Element, denn der Weg war zwar schon steil, aber felsiges Gelände, dass mir außerordentlich viel Spaß machte zu erklimmen und für mich gar nicht anstrengend war. Eine urbayrische Frau erklärte Tina dann noch, sie solle mich ruhig springen lassen, mit der Begründung: „Des is holt a junger Bock!“ Balsam auf meiner Seele 😊. Tina war aber gar nicht so viel langsamer und so erreichten wir 50 Minuten später unser Ziel, die Laguna de Torres am Fuße der drei gewaltigen Granittürme, nach denen der Nationalpark benannt ist. Und oh wie schön: Die Sonne schien und der Wind trieb die von unten kommenden Nebelschwaden immer wieder von den Torres weg, so dass wir einen ausgezeichneten Blick auf sie genießen durften. Unser Vespéro schmeckte nach dem 4 stündigem Aufstieg natürlich vorzüglich und sollte uns genügend Kraft für den anschließenden Abstieg spenden, der sich dann aber doch als relativ zäh und langwierig erwies. Nach insgesamt 9 Stunden setzten wir uns völlig erledigt ins Auto und ich fuhr wie Rennfahrer Bibele mit Tina, einem mexikanischem Stopper und der neuen Start A Fire Platte dankbar über die schönen Tage im Torres Del Paine zurück nach Puerto Natales, wo uns ein warmes gemütliches Bett, eine heiße Dusche und ein riesiger Completo-Hotdog erwarteten.

Nach einer erholsamen Nacht brachten wir unser Auto heil zurück zur Vermietung, packten unsere Koffer und ab Mittag saßen wir schon wieder im Bus nach El Calafate in Argentinien, wo wir ein wenig außerhalb mitten im Neubaugebiet unser schönes Hostel bezogen. Da wir noch fast 14 Tage Zeit für El Calafate und El Chaltén übrig hatten, ließen wir es jetzt erst einmal gemütlich angehen, zumal das Wetter zuerst ein wenig Regen versprach. Wir schauten uns die folgenden Tage das Städtchen, das Glaciarium, ein sehr modernes Museum über das patagonische Eisfeld und die darin liegenden Gletscher und ein Vogelschutzgebiet am Lago Argentino an, das mit Flamingos und unzähligen anderen Vogelarten aufwarten kann. Vor allem das Glaciarium interessierte uns sehr, da wir uns über die Entstehung von Gletschern informieren wollten, war ja der weltbekannte Gletscher Perito Moreno noch auf unserer Must-Do-Liste in El Calafate. Und wieder schenkte uns Petrus einen perfekten Sonnentag für den Perito Moreno und wir hätten uns nicht träumen lassen, wie gewaltig und bezaubernd schön dieser Gletscher ist, wenn man vor ihm steht. Über einen Steg mit Aussichtsbalkonen kommt man in den Genuss, fast die ganze Gletscherzunge ablaufen zu können. Die Kalbungsfront der Gletscherzunge beträgt ca. 2,2 Kilometer und ragt bis zu 80 Meter in die Höhe und erinnerte uns, als bekennende Game Of Thrones Fans, stark an die dort vorkommende Mauer im Norden der 7 Königslande. Vermutlich besuchte George R.R. Martin den Perito Moreno, als er diese Idee hatte. Das Eis schimmerte in allen erdenklichen Blautönen und gab im Sekundentakt ohrenbetäubendes Krachen, Knacken und Donnern von sich. Dies kommt dadurch zustande, dass sich der über 30 Kilometer lange Gletscher pro Tag um ca. zwei Meter fortbewegt und durch die Spannung immer wieder Spalten ins Eis gerissen werden. Besonders spektakulär klingt es, wenn der Gletscher kalbt, sprich riesige Eisstücke von der Kante brechen und in den Gletschersee fallen und dabei kleine Tsunamis auslösen. Der Perito Moreno ist einer der wenigen Gletscher, die trotz Klimaerwärmung weiterhin wachsen und hat die Besonderheit, dass der fallende Schnee innerhalb von 5 Jahren zu massivem Eis gepresst wird, was z.B. in der Antarktis 25 Jahre dauert. Hier wird einem ganz ausdrücklich vor Augen gelegt, was verloren geht, wenn wir mit unserer Umwelt weiterhin so umgehen. Nach 6 Stunden Gletscher Bestaunen hatten wir uns immer noch nicht satt gesehen, mussten aber den Rückweg antreten, um unseren Bus zu bekommen. Dafür wurden wir aber noch mit 2 Condoren belohnt, die am Parkplatz über unseren Köpfen kreisten. Ein absolut perfekter Tag!

Anmerkung von Tina: Der Anblick des Perito Moreno war einfach gigantisch. Der Gletscher gleicht einem Himmel aus Eis! Das Eisfeld ist so groß, dass unser Auge das Ende gar erfassen konnte und mir war bis zu unserem Besuch im Gletscher-Museum gar nicht bewusst, dass es sich hier um das drittgrößte Eisfeld der Erde handelt, nach Arktis und Antarktis. Der Gletscher war bis zum ersten Weltkrieg noch als „Bismarck-Gletscher“ bekannt, wurde dann aber in Gedenken an den bekanntesten Geografen und Naturforscher des patagonischen Eisfelds umbenannt. Die Eisscheide hat eine durchschnittliche Höhe von 2200 Metern, an seiner höchsten Stelle misst der Gletscher 2950 Meter. Die zuletzt gemessene Gesamtoberfläche betrug 254 Quadratkilometer!! Der Gletscher trotzt momentan noch der Erderwärmung und wächst täglich, 795 Meter pro Jahr, vermutlich weil bestimmte Winde das Klima günstig beeinflussen. Alle paar Jahre stößt der Gletscher an die gegenüber liegende Magellan-Halbinsel und staut dabei einen Teil des Sees auf, bis dann das Eis unter dem Wasserdruck spektakulär zusammenbricht, wie zuletzt 2011. Man hat das Gefühl, dass der Gletscher lebt, wenn man seinem Knirschen und Knacken lauscht und sich einbildet sehen zu können, wie sich der weiße Riese langsam immer weiter ins gletscherblaue Wasser schiebt. Das Farbspiel hat mich jedoch am meisten fasziniert, der Gletscher ist nämlich keineswegs nur weiß, von schwarz bis hin zu den verschiedensten Türkis- und Blautönen konnte sich mein Auge kaum sattsehen. Oder waren es doch die Augen der weißen Wanderer, die uns dort entgegenblitzten?


Nun ging unsere Reise weiter zum letzten Spot – dem 3 Stunden entfernten El Chaltén, dem Wandermekka im argentinischen Teil von Patagonien. Im 2000 Seelendörfchen El Chaltén erwarteten uns nicht nur die Parkranger des Nationalparks, die uns über alle Wandermöglichkeiten, Regeln und Risiken aufklärten, sondern auch orkansturmartige Windböen und eiskalter Regen. Da wurde uns schnell klar, was wir bis jetzt verpasst haben und was die Ranger meinten, als sie uns eindrücklich davor warnten, an solchen stürmischen Tagen bestimmte Wanderungen zu machen. Unser Hostel war schnell gefunden und wir waren sofort begeistert von unserem wunderschönen Zimmer mit molliger Heizung und einem Bett, in dem 5 Riesen schlafen könnten. Am ersten Morgen wachten wir von der Sonne auf unseren Nasenspitzen auf und schauten vom Bett aus direkt auf den gigantischen Gipfel des Berges Fitz Roy, der unter Kletterern weltbekannt ist. Nach dem Frühstück machten wir uns direkt auf den Weg zum Mirador de los Condores, eine gemütliche Wanderung von 2 Stunden mit einem tollen Panorama der Umgebung. Das tolle an El Chaltén ist, dass die Wanderwege alle direkt vom Dorf aus starten und man keinen Transport benötigt und sie keinen Eintritt kosten, was in Argentinien nicht selbstverständlich ist. Oben am Mirador angekommen ließen auch die Condore nicht lange auf sich warten, die uns unseren kompletten Aufenthalt in El Chaltén begleiten sollten. Waren wir im Colca Canon in Perú noch so enttäuscht, dass wir diese majestätischen und vom Aussterben bedrohten Vögel nicht zu Gesicht bekamen, wurden wir hier regelrecht von derer Vielzahl überrascht. Unglaublich, wie elegant diese bis zu 15 Kilo schweren Neuweltgeier mit einer Spannweite von bis zu 3 Metern durch die Lüfte kreisen.

Der folgende Tag war regnerisch und kalt und so verbrachten wir die meiste Zeit in unserem gemütlichen Bett und checkten nach der Siesta das örtliche Supermarktangebot. Wir waren dann doch recht froh, schon einige Lebensmittel aus El Calafate mitgebracht zu haben, denn hier war nicht nur alles noch teurer sondern die meisten Regale glänzten durch gähnende Leere. Vor allem frische Sachen wie Obst und Gemüse sind durch den langen Anfahrtsweg absolute Mangelware und kaum erschwinglich und erhältlich, die verschimmelte Gemüseabteilung gleicht wirklich einem Trauerspiel. Wenn es noch Essensmärkchen zum Zahlen gegeben hätte, würde man sich vermutlich fast wie in der ehemaligen DDR fühlen. Wir deckten uns aber mit dem Nötigsten für die kommenden Tage ein und freuten uns schon gewaltig auf den nächsten Wandertag, für den der Wetterbericht ausgezeichnetes Wetter vorhersagte.

Am nächsten Morgen brachen wir früh morgens auf, um die Laguna de los Tres zu besteigen, die sich am Fuße des Fitz Roys befindet und uns wiederum zu einem neuen persönlichen Wanderrekord herausforderte, sollten wir an diesem Tag laut Tinas Schrittzähler knapp 30 Kilometer und über 45000 Schritte teils steil bergauf zurücklegen. Nachdem wir in der ersten Stunde schon mehrere Senioren trafen, die sich auch den Berg hinaufquälten, waren wir aber recht zuversichtlich, den 10 Stunden Marsch zu schaffen und wurden auch durch einen fantastischen Blick auf den Fitz Roy und seine Nachbargipfel belohnt, auch wenn die Glieder am Abend zugegebener Maßen doch ganz schön weh taten und Tina sogar noch in der Nacht den Schlaf raubten. Deshalb ließen wir es an den folgenden 2 Tagen auch etwas langsamer angehen und machten nur einen kleinen 4 km Spaziergang zum örtlichen Wasserfall und belohnten uns mit Abendessen aus argentinischem Lammeintopf im Restaurant.

Zwei Tage nach unserer Megawanderung wollten wir es mit erholten Füßen nochmal wissen und wanderten wiederum bei Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen 22 Km zur Laguna Torres, wo wir das Bergmassiv des Cerro Torre und den daneben liegenden Gletscher von der anderen Seite zu Gesicht bekamen. Die Lagune war leider etwas schlammig und die versprochenen Eisschollen nur noch rar gesät, dafür war der Weg und die Landschaft durch das fast ebene Tal wunderschön.

Eigentlich wollten wir vor unserem Flug zurück nach Buenos Aires nochmal ein paar Tage in El Calafate verbringen, da uns El Chaltén und unser Zimmer aber so gut gefiel, beschlossen wir, die restlichen Tage auch noch hier zu verbringen.

Zum Abschluss unseres Patagonienabenteuers wollten wir eigentlich noch eine große Gipfelwanderung machen, wurden aber morgens von Regen und starkem Wind geweckt. Nach einigem hin und her, ob wir trotzdem loslaufen sollten, weil der Wetterbericht eigentlich ab 10.00 Uhr gutes Wetter hervorsagte, entschieden wir uns aber dagegen und wollten uns an dem auf der anderen Seite des Dorfes befindlichen Felsmassiv versuchen, auf das ich schon seit Tagen ein Auge geworfen habe, für das aber keine Wege in unserer Karte eingezeichnet waren. Nach dem Frühstück sah das Wetter schon viel besser aus und wir liefen vollen Mutes am Hostel los und überquerten die einzige Brücke über den Rio de las Vueltos, der direkt am Rande des ca. 100 Meter hohen und senkrecht hochragenden Felsens entlangfließt. Wir versuchten unser Glück an einem steinigen Pfad, der den Berg hinaufzuführen schien, drehten aber nach 50 Meter kraxeln wieder um, da es zwischen den steilen Felswänden kein Durchkommen ohne Kletterausrüstung und dem nötigen Know-How zu geben schien. Nach kurzem Abwägen entschieden wir uns ans andere Ende des Dorfes zur Station der Parkranger zu laufen, um dort nachzufragen ob es überhaupt eine Möglichkeit gibt und im Zweifelsfall halt nochmals den Mirador de Condores zu besteigen, um nochmals Condore zu sichten und ordentlich zu vespern, damit Tina unser Riesenvespéro aus 8 Brötchen nicht umsonst geschmiert hatte. Der Ranger war super nett, wollte uns aber erstmal sämtliche Wanderungen andrehen, die wir schon gemacht hatten. Bei jeder Wanderung fragte er uns noch, wie das Wetter war und erwiderte auf unsere Antwort „Sonnenschein“, was wir doch für ein Glück hätten, denn es gäbe nicht Wenige, die in 5 Tagen hier kein einziges Mal den Fitz Roy gesehen haben. Randnotiz: Wir sahen ihn fast jeden Tag unseres Aufenthaltes im schönsten Sonnenschein! Nachdem der Ranger auch keine passende Idee mehr hatte, teilte er uns mit, dass unser Plan schon möglich sei. Mit einem zwinkernden Auge sagte er, er dürfe uns allerdings die Wanderung nicht empfehlen, weil die andere Seite des Flusses nicht mehr zum Nationalpark gehöre, sondern Privatbesitz sei, wo es durchaus möglich wäre, dass der Besitzer auf uns schieße. Wir sollen aber ja nicht versuchen, die Felswand zu erklimmen, weil Verletzte zu bergen sei auch auf dem Privatbesitz seine Pflicht und da hätte er heute keine Lust darauf. Als wir ihm beichteten, wir hätten es schon versucht, schlug er nur die Hände überm Kopf zusammen und erklärte uns den richtigen Weg. Also mussten wir die 2 Kilometer wieder zurück zur Brücke und auf der anderen Seite des Flusses wieder vor, um dann relativ bequem den Berg von der Seite zu besteigen. Was uns erwartete war ein wunderschöner Weg, keine Menschenseele, ein traumhaftes Vespéro und ein unglaublicher Panorama-Ausblick auf den Fitz Roy, den Cerro Torre und das ganze Bergmassiv. Manchmal muss man nur hartnäckig sein. 😉 Und schon waren die 10 Tage in El Chaltén vorüber und wir machten uns mit dem Flugzeug zurück nach Buenos Aires auf.

Anmerkung von Tina: Patagonien war wunderschön, jedoch bin ich sowas von froh darüber, meine Wanderstiefel endlich wieder gegen Flipflops und meine verhasste Wanderziphose gegen Bade- und Strandklamotten tauschen zu können! Uruguay ich komme!!!

Antworten (1)

Ives
Nice pictures....

Argentinien
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