Veröffentlicht: 12.03.2022
Am nächsten Morgen wachte ich schon wieder mit Schnee auf. Nach einem ausgiebigen Frühstück ging es raus aus der Stadt Gori. Schon nach wenigen Kilometern hörte es auf zu schneien, stattdessen kam die Sonne heraus. Die Fahrt von Gori nach Tbilisi war landschaftlich die bisher schönste in Georgien. Es ging auf ruhiger Landstraße durch kleine Dörfer immer weiter Richtung Osten, sodass ich pünktlich einen Tag vor meiner Mutter in Tiflis ankam.
Auf den letzten Metern bis ins Hostel lernte ich Basti kennen, einen anderen deutschen Radler, der schon eine ganze Weile in Tiflis unterwegs war und ursprünglich auch mal über Aserbaidschan weiterfahren wollte. Stattdessen war nun sein Plan, über Armenien in den Iran einzureisen, also die gleiche Lösung, die ich mir auch zur Umgehung der geschlossenen Grenze nach Aserbaidschan überlegt habe. Wir tauschten Nummern aus und verabschiedeten aus, aber nur für eine Viertelstunde. Da traf ich ihn nämlich zufälligerweise schon wieder im Hostel, er hatte das Bett neben mir. Angesichts der vielen Hostels in Tbilisi könnte man da schon fast von Schicksal sprechen! Der Abend verlief entsprechend feuchtfröhlich mit dem Bier aus Plastikflaschen und etwas Chacha, den ich von David aus Gori gekauft hatte. Es gab einiges zu besprechen und viele Erfahrungen auszutauschen!
Am nächsten Morgen trennten sich unsere Wege schon wieder. Während Basti für ein paar Tage zum Ski fahren nach Gudauri fuhr, wechselte ich ins Hotel, das ich für meine Mutter und mich gebucht hatte. Eine Woche Luxus nach Hostels und Gasthäusern stand bevor! Nach dem Umzug ging es aber erstmal zur Free Walking Tour. In zweieinhalb Stunden konnte ich die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Altstadt besichtigen, wir waren nur zu dritt. Den Rest des Tages nutzte ich für die weitere Planung und den Visa-Antrag für den Iran. Gegen 4 Uhr nachts ging es dann mit zum Flughafen, um meine Mutter abzuholen. Da wir beide entsprechend durchnächtigt waren, wollten wir den ersten gemeinsamen Tag zu einer gemütlichen Besichtigung der Altstadt nutzen. Ein paar fun facts konnte ich ihr ja schon durch die Stadtführung erzählen. Abends ging es noch in ein traditionelles Restaurant, wo ein Knoblauchhühnchen und eine Menge Khinkali (Teigtaschen) auf uns warteten.
Für den nächsten Tag war ein großer Tagesausflug geplant. Mit einer bunt gemischten Reisegruppe ging es entlang der alten Heerstraße immer Richtung Norden, bis kurz vor der Grenze zu Russland. Unterwegs gab es mehrere Stopps an faszinierenden Orten. Zunächst am riesigen Zhinvali-Stausee, über die Festung Ananuri aus dem 13. Jahrhundert und dem Aragwi-Zusammenfluss bei Passanauri bis ins Skigebiet Gudauri. Mit steigender Höhe nahm die Temperatur weiter ab, auch der Bogen der Freundschaft zwischen Russland und Georgien war völlig eingeschneit. Der Pass zur Grenze hoch war zeitweise einspurig, sodass man sich mit parkenden LKW und Gegenverkehr irgendwie einig werden musste. Das Highlight der Tour war dann aber Stepantsminda und das Gergeti-Kloster. Wir wurden in Jeeps umgeladen, um die schmalen, zugeschneite Straße passieren zu können, auch die letzten Meter zum Kloster waren schwer. Dafür lohnte sich der Ausblick umso mehr! Mitten im Kaukasus, umgeben von schneebedeckten Bergen steht das Gergeti-Kloster einsam herum, man wundert sich, dass es nicht längst verschüttet wurde. Als wir wieder in Tiflis ankamen, war es längst dunkel und wir fielen mit neuen Eindrücken und tollen Bildern ins Bett.
Am nächsten Tag stand schon die nächste Tagestour an. Da die Preise und die Erfahrungen mit der ersten Agentur super waren, beschlossen wir, bei diesem Anbieter zu bleiben. Diesmal ging es in den Osten von Georgien in die Weinregion Kachetien. Diesmal also eher ein kulinarischer Ausflug als hoch hinaus. Der erste Stopp war an einem kleinen Geschäft bei Manavi, wo es mit das beste Churchkhela (Süßspeise aus eingedicktem Traubensaft mit Nüssen) geben soll. Dort haben wir uns natürlich eingedeckt, danach wurde eine kleine Dorfbäckerei besucht, wo das traditionell gebackene Brot ca. 30 Cent kostete. Der rohe Teig wird an die Innenwand eines zylinderförmigen Ofens geklatscht und dort haften gelassen, bis sich das Brot bräunt und langsam ablöst. Nach der Stärkung stand ein Besuch des Boden-Klosters auf dem Plan. Dort soll die heilige Nino begraben sein, die das Christentum zur Staatsreligion Georgiens im 4. Jahrhundert machte. Nach einem kurzen Fotostopp an einer 900 Jahre alten Platane kam eine Stadtbesichtigung von Sighnaghi, der "Stadt der Liebe". Vor Coronazeiten konnte man hier 24/7 für wenig Geld und ohne Termin standesamtlich heiraten. Da starker Nebel aufzog, lohnte sich ein Spaziergang über die alte Stadtmauer mit 27 Wachtürmen aber nicht. Danach ging es endlich ins Restaurant und zur Weinprobe nach Telavi, worauf alle gewartet hatten. Es gab erst zwei Sorten Chacha, dann Brandy, dann fünf Sorten Wein, und zwar jeweils nicht zu wenig und vorm Essen. Entsprechend angeheitert war die Runde später, auf der Rückfahrt musste sich eine Russin wohl übergeben. Viel Alkohol und der Fahrstil unseres Busfahrers vertrugen sich einfach nicht. Da wegen einsetzenden Schnees ein Pass gesperrt würde, dauerte unsere Rückfahrt noch länger, wir waren erst kurz vor 10 wieder im Hotel, aber satt und angeheitert.
Nach zwei langen Tagestouren wollten wir mal wieder einen Gang zurückschalten und uns ein paar weitere Viertel in Tbilisi anschauen. Vom Meidan aus ging es zur Dreifaltigkeitskirche und über die "Nikoloz-Baratashvili-Brücke" in den Stadtteil Mtatsminda. Nach einigem Anstieg wartete dort die Standseilbahn auf uns, die uns auf den gleichnamigen Berg Mtatsminda brachte. Dort oben befindet sich ein Vergnügungspark, den wir uns aber schenkten, sondern lieber die tolle Aussicht genossen. Abends ging es dann wieder ins Restaurant mit traditionellen Speisen.
Am nächsten Tag sollte es pausenlos regnen, deshalb machte ein großer Ausflug wenig Sinn. Stattdessen besuchten wir das georgische Nationalmuseum mit einer großen Abteilung für Biodiversität im Kaukasus sowie einer Abteilung für die 70 Jahre Georgiens als Teil der Sowjetunion. Dort konnte man problemlos ein paar Stunden verbringen. Nach einem guten Kaffee buchten wir noch eine Tour für unseren letzten Tag und ruhten uns ansonsten im Hotel aus. Das Wetter war am Folgetsg deutlich besser. Mit der gleichen Reiseführerin wie in Kachetien ging es diesmal noch zum Jvari-Kloster, ins Stalin-Museum nach Gori und zur Höhlenstadt Uplisziche. Nach dem üppigen Mittagessen fuhren wir auf dem Rückweg nochmal nach Mtskheta. In die Kathedrale durften wir leider nicht, da gerade Messe war, aber wir konnten die Aussicht genießen, bevor der Wind zu eisig wurde. Abends ging es nochmal in das selbe Restaurant wie am ersten Abend, bevor ich meine Mutter mitten in der Nacht beim Flughafen-Transfer ablieferte. Eine Woche ging viel zu schnell rum, aber wir haben auch wahnsinnig viel zusammen erlebt!
Am nächsten Morgen wechselte ich nochmal den Standort in Tiflis, da das Hotel nicht wirklich zu meinem Budget passte. Insgesamt war ich weitere vier Tage in einem gemütlichen Hostel mit familiärer Atmosphäre. Vor allem dank der Gastgeberin Taia und Agatha aus Polen war es noch eine super lustige Zeit mit viel Khinkali, Khachapuri und hausgemachtem Wein von Taias Onkel. Eigentlich wollte ich schon nach zwei Tagen den Zug nach Yerevan nehmen. Da ich noch auf mein Iranvisum warten musste, verzögerte sich alles um zwei Tage, wobei das bei dieser Gesellschaft überhaupt kein Problem war. Der Visaprozess war etwas merkwürdig. Man muss erstmal bei der Botschaft vorständig werden, bekommt dort eine Bankverbindung genannt und muss auf dieses Konto die Visakosten in bar einzahlen, Überweisungen werden nicht akzeptiert. Dazu muss man sich aber bei einer georgischen Bank registrieren, was den Bankmitarbeitern riesige Kopfschmerzen bereitet und ca. eine Stunde gedauert hat. Dann darf man nochmal zur Botschaft dackeln und bekommt ein DIN-A4-Visum, das man besser nicht verliert! In der Botschaft traf ich zufällig noch zwei weitere deutsche Radler, Eddi und Martin, mit ähnlichen Reiseplänen. Mit Visum im Gepäck fuhr ich am 17.3. abends zum Bahnhof. Wie ein richtiger Deutscher lieber eine Stunde zu früh, damit auch ja nichts schiefgehen kann. Trotzdem gab es natürlich Stress und drei verschiedene Meinungen, was mit meinem Rad zu tun sei. An der Information hiess es, die Mitnahme sei kein Problem und koste 5 Lari extra. Eine grimmige Russin im Zug meinte, es wären 20 Lari extra, der Schaffner war sauer und wollte mich überhaupt nicht mitnehmen, bzw. hätte ich einen zweiten Platz für 80 Lira buchen müssen. Mittlerweile war ich auch sauer und beschloss, mein Rad wieder einmal komplett zu zerlegen und einfach an mein Bett zu klemmen. Gepäckträger und Reifen landeten in der Gepäckablage. Drei Minuten vor Abfahrt war dann alles verstaut. Im Endeffekt habe ich nichts fürs Rad extra zahlen müssen, habe aber als einziger im Zug keine Decke bekommen und wurde von der grimmigen Russin auf der ganzen Fahrt ignoriert. Aber nach fast zwei Wochen in Tbilisi ging es endlich wieder weiter!