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Etappe 9- Zurück nach Schweden

Veröffentlicht: 11.10.2021

Ich zögere nur kurz… Dann steige ich kurzerhand aus. Das Hundebellen wird nicht lauter aber bleibt in hörbarer Nähe. Hier ist doch keiner. Das kleine Zollhäuschen rechts neben mir ist jedenfalls leer. Aber wo Hunde sind, sind doch auch Menschen. Also gehe ich dem Kläffen nach bis es lauter wird. Drehe mich nochmal nach dem Camper, in dem Chris ungerührt sitzen bleibt, um. Der Schlagbaum davor liegt unten, rechts davon sehe ich nun auch das auf die schwedische Seite gerichtete Schild: "Border is closed". Mehr nicht. Aber dieser Satz steht nicht Richtung Schweden. Wir sind ja EU Bürger, die wieder rein kommen wollen. Hm.. Ein paar Schritte die Straße hinunter sehe ich dann jemanden an einem Haus werkeln. Ich winke ihm zu, er bleibt stehen. "Hello! Do you know about the border? Why it is closed? We´d like to enter!" Ich weiß nicht, ob er mich hört. Das Hundebellen wird lauter und irgendwie wirkt das hier alles etwas komisch und fremd. Der Hörbuch-Erzähler hat gerade noch vom Weltuntergang gesprochen. Irgendwie bin ich auch etwas zögernd jetzt. "Ah! You want to come into Sweden? No problem, you can go ahead. Just lift the barrier yourself. It's only closed into Norway-Direction." Dann dreht er sich um und baut weiter an seinem Haus.

Ok, ich bin froh. Hab ich´s doch mal wieder geklärt. Sehr gut, kein Problem.

Ich laufe rasch und stolz zur Zimtschnecke, öffne nur kurz die Tür um mein Handy zu holen und bedeute Chris, er kann hindurch fahren. Er guckt mich nur fragend an. "Komm Chris, fahr los!"Chris fährt nicht los. "Es sind überall Kameras, Steffi!" Und man überquert nicht einfach so selbstständig eine Landesgrenze, wenn der Schlagbaum unten liegt nur weil der Nachbar mit ein paar Hunden einem sagt, is schon okay. Ich zögere kurz. Was soll denn passieren? Aber hier geht es tatsächlich ums Prinzip und irgendwie sehe ich es dann auch ein. Chris fährt nicht über die Grenze.

Und nun?

Wir fahren woanders lang und zwanzig Minuten später gelangen wir an einen offiziellen Übergang. "So sollte das sein!"

Wir sind also wieder in Schweden. Schön. Naja, es ist dunkel, es regnet und der Erzähler vom Hörbuch "Der Schwarm" steigert sich immer mehr hinein in den Bericht über den Tsunami, der ganz halb Norwegen erfasst und alles mit sich reißt. Eine sehr sehr betretene Stimmung, mit der wir da anreisen in der Dunkelheit in Venjan. Der Campingplatz liegt am See, es ist Nacht und keine Lichter sind an. Die Toiletten sind offensichtlich verschlossen und nach kurzem Überlegen bleiben wir einfach hier und werden wohl morgen erst unser Ankommen berichten. Wie so oft auf unserer Reise erleben wir, dass es einen sehr großen Unterschied macht, bei welchem Licht, welcher Temperatur und mit welcher Stimmung man sich an einem Ort befindet.

Und ich weiß das und kann noch mehr wahrnehmen als das. "Chris! Das ist ein ganz besonderer Ort hier! Ich spüre das! Hier bleiben wir!"

Und dann lege ich mich vor dem Camper auf meine Jacke und lasse den endlosen Sternenhimmel sich über mir ausbreiten. Falle hinein und schwimme in der endlosen Dunkelheit, die so magisch und herrlich beruhigend funkelt. Wir sind ein kleiner, winzig kleiner Teil dieses Universums und wir haben unseren Platz hierin. Unsere Sorgen sind mal groß oder klein aber hier sind sie winzig und es gibt so viel mehr, das da ist. Wie schön, dass wir dabei sein dürfen. Chris legt sich neben mich und schaut in die gleiche Richtung.

Am nächsten Morgen zeigt sich, was für ein wunderbarer Ort das ist, an dem wir uns hier niedergelassen haben. Direkt am See, stahlblauer Himmel, weite grüne Wiese und nur ein paar vereinzelte andere Camper um uns herum. Ansonsten ein hübsches schwedisches Holzhaus mit kleiner Rezeption.

Ich komme dann auch gleich ins Gespräch mit dem netten Besitzer, der erst vor eineinhalb Jahren mit seiner Familie aus den Niederlanden hierher gezogen ist. Ah! Jemand, der auch so einen Traum hatte von einem Campingplatzbesitz und ihn dann umgesetzt hat?! Wir unterhalten uns eine Weile und es klingt gut, was er erzählt. In Schweden gebe es zahlreiche Plätze, die auf Pächter oder Käufer warten und zumindest hier in Venjan, im Westen des Landes, wo es einem vorkommt, man wäre am Meer, so riesig sind die Seen, wurden sie wohl sehr herzlich von der Gemeinde aufgenommen und als neue Bewohner willkommen geheißen. Interessant…

Nun, wir genießen das alles hier erstmal als Urlauber, denn im Gespräch wird auch schnell klar, dass man naturgemäß als Campingplatzbesitzer nicht mehr viel Zeit hat, das Land zu erkunden oder die Seele am See baumeln zu lassen. Logo.

Es werden wunderbare Tage hier in Venjan. Tagsüber widme ich mich der Arbeit, Chris liest und repariert und tüftelt am Camper herum. Wir kochen und paddeln mit ausgeliehenen Kajaks über den unendlich riesigen See, halten auf einer einsamen Insel und lassen uns treiben. Chris geht laufen, einmal radeln wir auch zum kleinsten Supermarkt Schwedens und nachts wird es so eiskalt, dass wir doch einmal die Heizung anwerfen. Dafür sitzen wir auch unter Milliarden von Sternen und erspähen beide die gleiche Sternschnuppe. Und tagsüber sitzen wir unter Milliarden von Mücken, die zum Glück eine besondere Vorliebe für Chris hegen. Ich kann es ihnen nicht verdenken.

Schon bald ist wieder Wochenende und ich wünsche mir, dass wir Samstag und Sonntag wirklich genießen und nicht wieder fahren und so bleiben wir noch ein bisschen länger und wir liegen tagsüber auf der Decke rum, lesen und freuen uns über die viele leere Zeit zu Zweit. Chris kocht leckeren Fisch, den wir aus Norwegen mitgebracht haben für uns und kommt beim Abwaschen ins Gespräch mit einem Bikepacker. Dieser ist von Göteborg nach Lappland mit dem Fahrrad unterwegs und lüftet hier seinen Sattel. Zitat: "Pitstop" Endlich stellt sich ein richtiges Urlaubsgefühl ein. Brötchen gibt es auch immer am Morgen und leckeren Kaffee (nicht so lecker, viel zu dünn). Wir überlegen, ob wir wirklich schon in einer Woche in Tampere in Finnland sein wollen? Dort warten bzw. arbeiten ja mein Chef und die meisten meiner Teamkollegen. Für eine Woche dann wollte ich mal wieder Büroluft atmen und vor allem auch vom persönlichen Zusammenarbeiten profitieren. Irgendwie kann ich mir das alles noch nicht so recht vorstellen und die Arbeit im Camperoffice klappt ja auch echt gut. Wir wollen auch noch viel mehr sehen von Schweden und Lappland soll doch auch so schön sein im Herbst. Nur noch eine Woche.. Das erscheint uns viel zu kurz für den weiten Weg nach Tampere. Die Abkürzung via Fähre von Umea ist zwar möglich, aber das Wort "Abkürzung" scheint nicht so recht zu unserem Urlaubsanspruch zu passen. Also gut.
Da ich einen tollen Job mit einem tollen Chef habe, genügt ein Telefonat- und wir erfahren, dass es kein Problem ist, wenn wir erst eine Woche später dort auftauchen. Plötzlich verlängert sich der Urlaub wieder und vor uns liegen noch zwei laaange Wochen on the road.
Juchuuu!

Als wir Venjan verlassen bin ich, wie immer wenn es um Abschied geht, sehr traurig. Aber wer viel erleben will, muss auch viel loslassen und immer wieder nach vorne schauen und los gehen. Oder los fahren. Und das machen wir dann auch. Es ist Montagnachmittag nach meinen Morgenmeetings und aus den Boxen schallt unsere "European Outdoor Playlist" als wir uns wieder aufmachen, weiter hinein ins schwedische nordische Innland. Unser nächstes Ziel? Ungewiss…

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