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Etappe 5 - Norge

Veröffentlicht: 23.08.2021

Wir fliegen über die Steppe. Eine unbeschreibliche Weite umfängt uns. Hinten,vorne,links,rechts,wohin wir auch schauen-Weite! Felsen,Moos-,Gras-,und Wildblumenbewachsen,Gletscher im Hintergrund und türkise oder tiefblaue Seen. Darüber ziehen graue und weiße wilde Wolken an einem klarblauen Himmel. Uns fehlen die Worte. Brauchen wir aber auch nicht. Das Herz ist weit nun. Beide Herzen. Sie schlagen im Takt. Die Musik vervollkommnet den Film,in dem wir uns gerade befinden. Kann es irgend cooler sein? Nur wir,das Land und das,was wir wollen. Die einzigen Grenzen sind die,die wir uns setzen. Vor,zurück,halten. Wir entscheiden. Das Leben gehört uns! Wenn wir wollen,sind wir frei...

Zwei Tage zuvor fahren wir mal wieder im Dunklen die kurvige Straße entlang. Wir haben Oslo an einem sonnig-verregnet-sonnigen Nachmittag verlassen. "Mal wieder viel zu spät." Dafür aber erfolgreich. Gleich das erste Fachgeschäft im Osloer Umland hat die ersehnte Glühbirne. Wir stöbern noch ein paar andere Utensilien auf und pünktlich zu Regenbeginn steht Chris an der offenen Motorhaube und beginnt selbst zu schrauben an der Zimtschnecke. Ich reiche Tücher und verteile Komplimente aus dem Bus heraus. Mit sicherer Chirurgenhand schafft Chris den Wechsel relativ schnell. Toll,was er kann! Und so lernt man doch sein Gefährt kennen. Ich freue mich und bin stolz,er lacht auch wieder.

So,nun kümmern wir uns nur noch um das richtige Gerät,das den 12V Strom aus dem Camper umwandelt für meinen Laptop. Damit ich in zwei Wochen auch in der Wildnis arbeiten kann. Das Gerät,das wir brauchen ist nicht so leicht zu finden. 6 Elektrogeschäfte und mindestens ebenso viele Kreisverkehre später haben wir das Richtige. Also nun nur noch das zweit-Richtige,was wir vor drei Geschäften gekauft haben,wieder zurück geben. Zwischendurch haben wir dafür aber auch noch ein paar Outdoor-Schnäppchen für harte Wanderungen in der norwegischen Steppe erstanden. Und die saubersten,komfortabelsten öffentlichen Toiletten aller Zeiten gefunden. Gästehandtücher aus Frottee inklusive. Dank Hannes' Hilfe aus der Ferne in Echtzeit scheinen wir also das Gesuchte gefunden zu haben. Nun also los. Weg aus Oslo. So richtig. Also wirklich jetzt!

Als wir um viertel vor zehn auf dem Campingplatz Sandviken einrollen ist das mehr als spontan. Eben noch waren wir auf dem Weg ins 1 Stunde entfernte Geilo. Aber die Dunkelheit und der Blick in ein malerisches Bergtal und in die App,die den Campingplatz hoch lobt,lässt uns innehalten. Wir rufen die Besitzerin auf der Telefonnummer,die an der schon geschlossenen Rezeption steht,an. "Na klar,fahrt einfach rein und sucht Euch einen Platz aus. Ihr könnt morgen zahlen." Cool! Natürlich suchen wir uns den schönsten Platz aus. Direkt am See,Blick in das malerische Bergtal. Ein Traum. Alle scheinen mal wieder schon zu schlafen. Essen müssen wir aber auch nix mehr. Ich hatte schon auf dem Weg Brote für uns geschmiert. (Ich liebe es:einfach alles was man braucht,immer direkt dabei,während sich die Landschaft drum herum verändert.) Stattdessen kuscheln wir uns in unser gemütliches Bett,essen Chips und lesen Zeitung. Katzenwäsche geht ja auch im Bus.

Am nächsten Morgen wachen wir nach dem alltäglichen Ausschlafen so um etwa 9:30 oder 10 Uhr auf. Der Himmel ist blau,es ist warm,der Platz ist friedlich,vor uns der stille,riesige See. Wir entscheiden sofort,uns hier endlich mal einen Tag Ruhe zu gönnen.
Der Tag wird wunderschön! Urlaub!
Wir frühstücken frische Croissants von der lieben Campingplatzchefin aus ihrem malerischen Häuschen und guten frischen Kaffee. Und lesen ausgiebig Zeitung. Es gibt ein umfangreiches Reservoir an interessanten Artikeln,das sich in den letzten Wochen angesammelt hatte. Dann fängt Chris an zu räumen. Aufräumen,Ordnung schaffen,reinigen-tut gut. Ich mache irgendwann mit. Wir putzen gemeinsam unser Gefährt, draußen strahlt die Sonne an einem herrlichen Sommertag. Irgendwann macht Christian sich an das Rückfahrlicht,links ist es auch kaputt. Wir reparieren gemeinsam und freuen uns,dass es klappt. Wir sind wieder voll fahrtüchtig!

Zur Belohnung gehen wir schwimmen im eiskalten See. Meine neue Schwimmbrille aus einem der Sportshops,die wir schon so aufgesucht haben inzwischen, zeigt sich überaus tauglich. Lange halten wirs nicht aus im 17 Grad kalten Wasser und trocknen lieber schnell in der heißen Sonne. Dann machen wir uns auf den Weg in die Stadt. 

In die "Stadt". Es gibt eine Bank,einen Supermarkt,eine Boutique und eine Bäckerei. Genau richtig für uns. Wir stöbern selbstvergessen bestimmt eine Stunde lang nach kleinen Einrichtungsgegenständen. Unser Geschmack ist recht ähnlich aber wir haben ganz selten so viel Ruhe und Zeit,uns auf solche schöngeistigen Überlegungen einzulassen. Umso schöner ist es jetzt. Am Ende sparen wir und nehmen nur zwei Klinigkeiten mit. Dann gibt es noch Kaffee und Kuchen bei der Bäckerei und dann wandern wir Hand in Hand,wie Hänsel und Gretel wieder den Waldweg nach Hause,den wir auch gekommen waren. Alles so verträumt und idyllisch.

Wieder zurück macht sich Chris ans Kochen. Spaghetti mit Pesto bzw Zwiebeln und Tomaten für mich. Wenn Chris kocht,heißt das,er hat Zeit und Muße. Sehr gut! Und vor allem sehr lecker! Wir sitzen noch lange, den Blick auf den mit der Dunkelheit verschmelzenden See,die flackernde Kerze neben uns,die Köpfe im Nacken und auf der Suche nach Sternschnuppen. Wir finden diesmal keine zusammen,dafür rennt aber ein Fuchs mit Essen im Maul an uns vorbei. Auch selten.
Ich schlafe ein,während Chris mir aus dem Geo-Heft "Vom Glück des einfachen Lebens" vorließt.

Am nächsten Morgen ist nix mehr mit Sonne. Es ist bewölkt und viel kälter. Beim Frühstück schon beginnt es zu tröpfeln. Wir wollten eigentlich wandern,aber so... na,auf jeden Fall fahren wir dann weiter. Es fällt einem immer schwer,diese kleinen Abschiede. Aber sie sind vonnöten, wenn wir Neues entdecken wollen. Chris hadert mit sich und ich rate ihm,es zu wagen. Er schafft es und überwindet seinen Schweinehund-er geht nochmal schwimmen im 15°C kalten Wasser. Toll! Ich stehe dabei und mache Fotos,während er ruhig und beständig ein paar hundert Meter am Ufer des Sees entlang krault. Dass immer einer auf den anderen aufpasst und wir vor allem in Ufernähe bleiben, haben wir Carola versprochen. Sie kennt sich aus und so ein Krampf in eiskaltem Wasser ist schon bei Profis nicht selten. Chris sagt,das Gesicht friert regelrecht. Dennoch zieht er es gut durch und stellt sich am Schluss sogar noch für ein Foto auf die schwimmende Rutschinsel. Dann heiß duschen und los. Ich warte bei Kaffee und Gebäck mit Norwegenlektüre im gemütlichen Rezeptionscafé auf ihn. Er schreibt per Threema,es dauert noch. Die Scheinwerfer hätten nochmal ein Problem. Es tut mir leid,weil ich weiß, wie sehr ihn das nervt,wenn am Auto was nicht läuft. Da ich nicht helfen kann,wie er sagt, plane ich euphorisiert unsere nächsten Haltepunkte. Eine Route! So was hatten wir bis jetzt noch nicht. Als ich sie ihm kurz später vorstelle, bin ich ganz aufgeregt. Zum Glück gefällt sie ihm und er teilt meine Freude. Wir können also los und haben einen Plan. Yeah!

Schon nach wenigen Kilometern eröffnet sich uns das norwegische Panorama in all seiner Weite. Land,Hügel,Berge,Wolken,Himmel,Erde! So weit das Auge reicht. Und wir und die Zimtschnecke. Wir steigen aus,fotografieren,ich tanze,wir jubeln. Keiner hörts. Absoluter Wahnsinn. So geht es nun immer weiter. Wir fahren und fahren und die Landschaft fliegt an uns vorbei. Oder fliegen wir?

In Geilo haben alle Geschäfte schon geschlossen. Klar,es ist ja auch schon nach 17Uhr und wir sind in Norwegen. Ich frage mich,ob die Leute hier nur bis 15h arbeiten? Also kein weiteres shopping im Sportgeschäft ("Geilosports") sondern weiter durch die Weite. Immer entlang am Nationalpark Hadangervidda,in den Chris eigentlich gern zum Wandern gehen würde. In der Ferne sehen wir Gletscher und die untergehende Sonne zaubert mal wieder einmalige Stimmungsbilder in uns. Einige Wohnmobile parken schon in den Buchten am Straßenrand und wir fragen uns: Wo halten wir? So langsam wird es ja auch abends und wir wollten doch einmal vor 20h einkehren. Der lose anvisierte Campingplatz bei Eidfjord ist nicht mehr so weit. Aber schon wieder Campingplatz? Chris sagt,er würde gern auch frei campen. Ich schaue in die App,aber kein Halt ist mehr ausgewiesen. Was natürlich nicht heißt,dass keiner mehr kommt. Sollen wir dennoch umkehren? Chris überlegt. Nein weiter,es ist doch doof,wieder zurück und vielleicht ist nun alles belegt. Wir fahren. Ich überlege. "Ach komm,doch,wir kehren um,Du hast Recht!" Die Intuition führt uns. Ich weiß bereits beim Wenden,dass es eine gute Entscheidung ist. Dazu finden wir immer nur zu Zweit. Dann passt es allerdings auch eigentlich immer. Kopf,Herz,Bauch,Kopf,Herz- vorwärts!
Wir fahren also wieder 15 Minuten zurück, bis zur Weggabelung. Etwas weiter hier rein ist ein Platz als wunderschön und einmalig beschrieben. Wir müssen allerdings 20 Euro Wegzoll zahlen. Achso,hier gejt es auch in den Nationalpark. Mh. Und was,wenn es schon belegt ist? Komm,los,einfach machen!
Wir machen und werden übermäßig belohnt:
Der Nationalpark ist riesig,die schmale Schotterstraße schlängelt sich durch die Tundra und weit und breit sind wir die Einzigen. Stellplätze hingegen gibt es alle paar hundert Meter am Wegesrand. Also alles unsers nun. Wir haben freie Wahl! Ich bin wieder ganz aufgeregt vor Freude und will gleich den scheinbar ersten besten Platz nehmen. Chris weiß es besser und sagt,es lohnt sich bestimmt noch geduldig ein wenig weiter zu fahren. Es zeigen sich dann auch noch viel bessere Flecken. Es wird immer schöner einsamer,weiter. Herrlich. 

Es dämmert schon, als wir den Camper mit Vieraugenmaß halbwegs gerade stellen. Nachdem er schon so viel gefahren ist, stellt sich Chris noch in die Bordküche und macht Bratkartoffeln mit Ei und Salsiccia. In zwei Durchgängen natürlich-unsere Pfanne ist klein,unser Hunger ist groß.
So lecker! Draußen stürmt es,der Wind rüttelt an unserem Bus. Wir sind die einzigen Menschen weit und breit. Lebt hier überhaupt noch wer,auf diesem Planeten? Als ein Auto vorbei fährt,eilt Chris zum Fenster. Sie fahren vorbei in die Dunkelheit hinein. Unser gemütliches beleuchtetes Heim wird langsam kälter und ich nehme mir eine Wärmflasche mit unter die Decke. Während Meisterkoch und Fahrer einschlafen,lese ich noch ein wenig mit der Stirnlampe auf dem Kopf von Roald Amundsen und seinen Expeditionen zum Nordpol. Nur gut,dass wir den nicht mehr entdecken müssen,sondern unsere Expedition hier und heute so warm und gemütlich endet. Ich lösche das Licht und der Mond verschwindet orange und rund hinter den Hügeln.

Wir wachen wie immer ohne Wecker auf. Beide mit kalten Nasen. Unter meiner Bettdecke ist es herrlich warm. Wie immer könnten wir noch ewig liegen, wie immer wollen wir aber nicht noch mehr vom Tag verpassen. Chris schaut aufs Thermometer: 3°C. Wir ziehen uns warm an und nach der Katzenwäsche gibt es Tee. Er geht spazieren und ich mache Klarschiff. In unserer Zimtschnecke riecht es noch lecker nach Bratkartoffeln. Von wegen Diesel... fast vergessen schon.
Wir fahren los in die helle Weite des Nationalparks hinaus. Die Wolken reißen auf und der blaue Himmel zeigt sich. Nun sehen wir noch einige Camper,die sich wohl vor oder nach uns auch entlang des Weges platziert hatten. Hier ist einfach Platz für jeden und trotzdem ist man für sich. Herrlich!
Die Landschaft raubt uns den Atem. Immer wieder fahren wir an kleinen Steinhütten vorbei,die moosbewachsen und kaum zu erkennen sind. Die Ebdne ist flach und doch hügelig. Weit und doch ist die Natur so nah. Eigentlich sind wir ihr nah. Ein Teil von ihr? Wo hören wir auf,wo fängt sie an? Alles eins!? Diese Gedanken kommen mir,als ich eine Stunde später im Gras auf einem der Hügrl sitze. Wir sind dem Hinweis eines Jägers gefolgt, der uns auf wohl in der Nähe grasende Rentierherden verwiesen hat. Mit Wanderschuhen,Windschutz und vor allem Fernglas ausgerüstet ziehen also los,Rentiere suchen. An ihrer statt finden wir dann aber "nur" uns selbst. Verschmolzen mit den Farben,bebend im Wind,der an uns zerrt und glücklich Hand in Hand. Unser Blick weilt in der Ferne,ein,zwei Seen zu unseren Füßen,Moos und wilde Blumen neben Steinen und Morast um uns herum. Wildes Norwegen. Chris' Wunsch,im Handergervidda wandern zu gehen,ist wahr geworden.
Wir fahren weiter. Oder soll ich sagen fliegen?

Wir fliegen über die Steppe. Eine unbeschreibliche Weite umfängt uns. Hinten,vorne,links,rechts,wohin wir auch schauen-Weite! Felsen,Moos-,Gras-,und Wildblumenbewachsen,Gletscher im Hintergrund und türkise oder tiefblaue Seen. Darüber ziehen graue und weiße wilde Wolken an einem klarblauen Himmel. Uns fehlen die Worte. Brauchen wir aber auch nicht. Das Herz ist weit nun. Beide Herzen. Sie schlagen im Takt. Die Musik vervollkommnet den Film,in dem wir uns gerade befinden. Kann es irgend cooler sein? Nur wir,das Land und das,was wir wollen. Die einzigen Grenzen sind die,die wir uns setzen. Vor,zurück,halten. Wir entscheiden. Das Leben gehört uns! Wenn wir wollen,sind wir frei...

Wir halten noch einmal und machen eine kleine Abenteuerwanderung zum Fuß eines 200m tiefen Wasserfalls. Die Landschaft hat sich dramatisch geändert. Steile hunderte Meter hohe dunkle Felswände säumen die Straße. Ständig ein Tunnel und jedes Mal das Gefühl,wir fahren in eine Geisternahn. Minutenlang rollen wir dann durch die spärlich erleuchteten Berge. Rechts von uns stets Wasser,alles sieht schon nach Fjord aus,es sind aber Seen. Kurz vor dem ersten Fjord fällt Chris' Blick auf einen Campingplatz. Und weil wir etwas müde sind und heute WIRKLICH mal früher ankommen wollen,fahren wir nach kurzem Halt im Touristenörtchen Eidfjord dorthin. In erster Reihe,direkt am See nehmen wir mit der Zimtschnecke Platz. Chris fönt noch etwas unseren Scheinwerfer (beim Glühbirnenwechsel hatte es ja leider geregnet),ich erhitze Dosennudelsuppe,eins der letzten Hamsterkaufreserven aus 2020. Während wir diese essen,schauen wir auf das sich vor uns erstreckende Berg-und Seepanorama wie auf ein Gemälde. Unwirklich. Kann man denn je mehr Glück haben?

Während ich diese Zeilen hier schreibe-übrigens mühsam mit nur einem Daumen auf meinem Handy- liegt Chris neben mir und schreibt über Oslo. Draußen regnet es und trommelt leicht auf unser Dach. Durch das Fenster neben uns sehen wir immer noch auf das Gemälde. Es ist warm hier drin. Wir sind satt, zufrieden und dankbar! Uns tut nämlich nix weh,nix fehlt (ok unsere Leser*Innen schon ein kleines bisschen),kein Plan muss erfüllt werden und in all seiner Unbestimmtheit ist alles in bester Ordnung. Schon morgen werden wir nach dem Ausschlafen wieder neue Abenteuer erleben. So viel ist sicher...!


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