You-Me and Marco Polo
You-Me and Marco Polo
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Vanuatu & Fiji

Veröffentlicht: 10.11.2018

Als wir noch in der Schweiz waren und erwähnten, dass wir nach Vanuatu reisen, gingen die Reaktionen oft in die gleiche Richtung: «Vanu… Was?» und vor allem: «Vanu… Wo?!». Deshalb kurz vorweg: Vanuatu ist ein Land. Ja, ein richtiges Land. Also unabhängig, mit eigener Regierung, eigener Nationalflagge, eigener Hymne und so weiter. Es liegt nordöstlich von Australien, besteht aus 83 Inseln (zusammen etwa ein Drittel so gross wie die Schweiz) und hat 270'000 Einwohner. Die Einheimischen sind – im Gegensatz zu vielen südpazifischen Nachbarländern – nicht Polynesier, sondern Melanesier. Den Unterschied merkt man äusserlich sofort, denn sie sehen nicht asiatisch, sondern afrikanisch aus: Ihre Haut ist pechschwarz und ihre Haare sind stark gekräuselt. Zudem passen zwei Dinge optisch nicht ins Bild: Erstens sind einige Melanesier von Natur aus blond (!), zweitens sehen melanesische Frauen fast wie Männer aus. Das liegt vor allem daran, dass einige von ihnen einen Damenbart tragen, bei dem es sich auch um einen Männerbart handeln könnte :-)

Soviel zum Was, Wo und Wer. Bleibt noch die Frage nach dem Warum, also wie man auf die Idee kommt, nach Vanuatu zu reisen. Gaaanz einfach: Marco hat gelesen, dass dort die freundlichsten und glücklichsten Menschen der Welt leben. Das alleine überzeugte Yumi zwar noch nicht, aber als sie erfährt, dass die Nationalhymne von Vanuatu «Yumi, Yumi, Yumi» heisst, ist sie ebenfalls Feuer und Flamme für das Land. Wir kommen also voller Vorfreude in Vanuatu an… und tatsächlich: Hier sind wirklich alle sehr freundlich und glücklich! Die Einwohner lächeln ständig, wirken alle sehr entspannt, sind immer gemütlich unterwegs und hören am liebsten Reggae. Und es kommt noch besser: In Vanuatu sind alle sehr hilfsbereit, super ehrlich, zocken uns nie ab und schreiben – sogar auf dem Früchte- und Gemüsemarkt – stets alle Preise an. Und als ob das nicht schon genug wäre, wirkt das Land sehr sauber und man sieht nirgends Abfall herumliegen, obwohl Vanuatu ein sehr armes Land ist. Ressourcen sind hier halt sehr knapp und entsprechend wird der Umwelt seit Generationen grosse Sorge getragen.

Obwohl man mit Englisch und Französisch gut über die Runden kommt (Vanuatu war mal gleichzeitig eine britische und französische Kolonie), sprechen die Einheimischen vor allem die dritte Amtssprache namens «Bislama». Schnell erfahren wir, dass «Yumi» auf Bislama je nach Kontext «wir», «uns» oder – wie in der Nationalhymne – «zusammen» bedeutet. Denn «Yumi» leitet sich von «You-Me» ab, bedeutet also «Du-Ich» oder eben «wir zusammen». Für einmal hat Yumi keine Schwierigkeiten, ihren Namen zu erklären, im Gegenteil: Die Einwohner reagieren oft entzückt und singen bei der gegenseitigen Begrüssung manchmal spontan das Yumi-Yumi-Yumi-Lied für sie.

Ganz anders wurden die ersten Westler begrüsst, die vor rund 200 Jahren erstmals einen Fuss auf diese Inselgruppe setzten. Der erste christliche Missionar in Vanuatu, Reverend John Williams aus London, wurde umgehend nach seiner Ankunft 1839 von den Einheimischen erschlagen, in einen Erdbackofen gesteckt und anschliessend gegessen. Herr Williams muss offenbar sehr gut geschmeckt haben, denn heute sind in Vanuatu über 80% praktizierende Christen, die jeden Sonntag in die Kirche gehen. Ob zum Beten oder zum Essen, wissen wir nicht so genau :-) Fakt ist, dass auf gewissen Inseln bis 1969 Kannibalen-Stämme lebten und der Verzehr von Menschenfleisch zur Tagesordnung gehörte. Nach wenigen Tagen merken wir, dass es in Vanuatu tatsächlich nicht so einfach ist, sich gescheit zu ernähren… vor allem, wenn man auswärts essen möchte. Das hat zwei Gründe: Erstens müssen viele Esswaren teuer importiert werden, zweitens machen die Menschen in Vanuatu zwar vieles sehr gut, aber kochen können sie definitiv nicht. Statt 20-30 Franken für einen traurigen Teller Pasta oder ungesalzenen Fisch vom Vortag zu bezahlen, mieten wir deshalb lieber eine Unterkunft mit Küche und kochen uns ein Risotto mit lokalen Zutaten – natürlich vegetarisch :-)

Unser Vanuatu-Trip beginnt in der Hauptstadt Port-Vila. Es ist eher ein Dorf, wo jeder jeden kennt und sich Fremde auf der Strasse bei jeder Gelegenheit grüssen. Dabei werden wir nicht nur fröhlich, sondern auch sehr feucht begrüsst, denn es regnet ununterbrochen. «Nicht so schlimm», sagt Marco optimistisch zu Yumi, «auf einer Insel kann das Wetter immer schnell ändern». Also reservieren wir für den Folgetag einen günstigen Mietwagen, um den Rest der Hauptinsel zu erkunden. Wenige Stunden später kippt das Wetter tatsächlich und wir erleben neu heftige Stürme und sintflutartigen Regen. Wir sind leicht beunruhigt, denn wir lesen, dass vor 3 Jahren ein Zyklon 90% der Häuser in Port-Vila zerstörte. So weit kommt es diesmal zum Glück nicht und aus dem Regensturm wird wieder ein normaler Dauerregen. Wir fahren also wie geplant mit unserem kleinen Dacia Sandero (75 PS) los und hoffen auf besseres Wetter. Nach 3 Kilometern stossen wir auf eine Strassensperre, auf der «wegen Überschwemmung gesperrt» steht. Das ist insofern problematisch, als dass es auf der ganzen Insel nur eine einzige Strasse gibt, nämlich diejenige, die um die ganze Insel führt. Neben der Absperrung steht ein Pfeil, der nach rechts zeigt und auf dem «Umleitung» steht. «Umleitung?!» wundert sich Yumi, «Ich dachte, es gibt nur eine einzige Strasse hier.» Nach ein paar Metern auf der Umleitung verstehen wir, warum man abgesehen von unserem Kleinwagen nur teure Offroader und Pickup-Trucks mieten konnte: Es gibt wirklich nur eine Strasse! Wer abseits davon unterwegs ist, landet auf Schotterpisten voller Schlaglöcher. Und wegen des Regens werden diese Pisten immer wieder von Bächen überschwemmt, die knietief über die Ufer treten. Mit der moralischen Unterstützung der interessierten Einheimischen meistern wir die Umleitung im ersten Gang aber mit Bravour, bleiben nirgends stecken und landen einige Zeit später wieder erleichtert auf der Hauptstrasse. Der Tag wird aber dennoch lang. Sehr lang. Wir treffen nämlich auf insgesamt 10 solcher Absperrungen und Umleitungen! So wird immer mehr der Weg zum Ziel unseres Ausflugs und wir kommen am Ende des Tages nudelfertig im 30 Kilometer entfernten «Traumstrand» an… wo es natürlich immer noch regnet.

Am fünften Regentag in Folge haben wir die Nase voll und fliegen Richtung Süden auf eine andere Insel, und siehe da: Das Wetter ist freundlicher, oder besser gesagt: Der Himmel ist aus einem anderen Grund bewölkt. Denn auf dieser Insel steht der «Mount Yasur», ein aktiver Vulkan, der permanent Asche, Schwefel und Wasserdampf in den Himmel stösst und die Sonne verdeckt. Egal, Hauptsache wir können den Vulkan besteigen und aus nächster Nähe vom Kraterrand aus ins Innere schauen. Dort beobachten wir nicht nur wie es brodelt, raucht und zischt, sondern wir sehen direkt in zwei offene, rotglühende Lavabecken rein. Alle 2-3 Minuten kommt es zu donnernden Eruptionen, bei der Lavafontänen und Gesteinsbrocken meterhoch in den Himmel schiessen – ein riesiges Spektakel! Es ist der einzige aktive Vulkan der Welt, der so zugänglich ist. Dies hat zwei Gründe: Erstens «köchelt» er meistens nur auf geringer Stufe (wie ein Risotto) und zweitens ist er sehr gleichmässig aktiv (wie Marco beim Risotto umrühren).

Ein weiteres Highlight auf der Vulkan-Insel sind die Begegnungen mit den Einheimischen, die dort mitten im Urwald in Bambushütten und von der Landwirtschaft leben – so wie 80% der Einwohner Vanuatus. Sie sind als kleine, autonome Gemeinschaften organisiert und werden jeweils von einem (stets männlichen) «Chief» geführt. Sein Wort ist Gesetz, selbst ranghohe Politiker müssen bei Dorfbesuchen das tun, was ihnen die Chiefs sagen. Wir übernachten nicht bei einem Chief, sondern bei den Ex-Bauern und Neo-Gastgebern Morris und Susi, wo auch noch ihre 6 Kinder sowie ihre Hühner, Hunde, Eidechsen, Kakerlaken und Ratten leben. Da wir für unseren gesamten Aufenthalt im Dschungel genug Essen und Trinken mitnehmen müssen, besteht eine unserer grössten Herausforderungen darin, diese Vorräte vor hungrigen Viechern zu schützen. Vor allem Ratten nagen sich nach Einbruch der Dunkelheit durch alles, was Essbares enthält. Also spannen wir eine dünne Schnur vor unserer Hütte und hängen das Essen unerreichbar im luft- und wasserdichten Migros-Schwimmbeutel auf. Weitaus grössere Herausforderungen haben aber zweifelsohne die Menschen zu bewältigen, die permanent hier leben. Wir erfahren zum Beispiel, dass 90% der Erwachsenen in arrangierten Ehen leben und sich 50% der Eltern nicht leisten können, ihre Kinder in die Schule zu schicken (670 Franken pro Kind und Jahr). Entsprechend sehen wir viele Kinder, die mit einer Machete in der Hand zwischen den Plantagen ihrer Eltern hin- und hermarschieren, um bei der Ernte mitzuhelfen.

Zum Abschluss unserer Vanuatu-Reise machen wir uns auf die Suche nach unberührten weissen Sandstränden, türkisfarbenen Lagunen und leuchtenden «blauen Löchern» auf der grössten Insel des Landes. Wir werden fündig und geniessen diese Idylle zusammen mit ein paar wenigen Einheimischen bei eitlem Sonnenschein. Auch auf dieser Insel gibt es eine einzige Strasse, erbaut von den US-Amerikanern während des zweiten Weltkriegs. Nachdem die Japaner 1941 den wichtigen US-Stützpunkt Pearl Harbour in Hawaii zerstörten und praktisch ungehindert in den Südpazifik vordringen konnten, errichteten die Amis in Vanuatu einen neuen Stützpunkt, um von hier aus zum Gegenangriff zu blasen. Als die Amis 1945 den Krieg gewannen, boten sie einen grossen Teil ihrer Ausrüstung in Vanuatu (v.a. Fahrzeuge, Baumaschinen, Benzin und Proviant) der britisch-französischen Kolonialmacht zu einem Ramschpreis an, weil der Rücktransport in die USA zu teuer gewesen wäre. Da die Briten und Franzosen aber damit spekulierten, sowieso alles gratis zu bekommen, sobald die US-Truppen ohne dieses Material von der Insel abziehen, lehnten sie das Angebot ab. Daraufhin geschah etwas Unglaubliches: Die Amerikaner versenkten demonstrativ ihre gesamte Ausrüstung vor den Augen der Kolonialmächte und Einheimischen im Meer. Das waren 9 Millionen Tonnen im Wert von 4 Millionen US-Dollar – 90% davon nicht-militärisches Material, welches gut von der Bevölkerung vor Ort hätte gebraucht werden können. Das Entsorgungs-Prozedere dauerte 1,5 Jahre (!) und verseuchte das Gebiet für Jahrzehnte. Heute ist dieser Ort im Meer als «Million Dollar Point» bekannt und ein beliebtes Ziel für Freizeit-Taucher. Marco lässt sich dieses Spektakel nicht entgehen und staunt nicht schlecht, als er unter Wasser neben zahlreichen Jeeps auch Coca-Cola-Kisten aus den 40er-Jahren entdeckt.

Nach über zwei Wochen im unbekannten Vanuatu reisen wir weiter ins weltbekannte Fiji. Hier sehen die Frauen wieder wie Frauen aus… die Männer dafür auch, da sie ebenfalls im Rock und oft mit Blumen in den Haaren herumlaufen. Traumstrände gibt es hier genauso wie in Vanuatu, in Fiji allerdings vor allem in Kombination mit luxuriösen Resorts, wohlhabenden Rentnern und frisch verheirateten Pärchen. Nach zwei Tagen in einem Paradies-Resort zieht es uns weiter nach Suva. Es ist die Hauptstadt Fijis und gleichzeitig die grösste Stadt im ganzen Südpazifik. Uns fallen sofort die vielen Mischlinge auf, die wir vom Aussehen her überhaupt nicht einer Herkunft zuordnen können. Und wenn, dann kommen wir auf äussert seltsame Kombinationen (Marco: «Halb Italiener und halb Chinese?», Yumi: «Eher halb Inder und halb Japaner»). Das hat einen guten Grund: Ursprünglich lebten in Fiji wie in Vanuatu schwarze Melanesier. Weil Fiji aber im 19. Jahrhundert das Glück bzw. Pech hatte, von den Briten als Produktions- und Handelszentrum im Südpazifik erkoren zu werden, herrschte bald ein Mangel an Arbeitskräften. Verschärfend kam hinzu, dass aufgrund der eingeschleppten europäischen Krankheiten innert weniger Jahren 50% der Einheimischen in Fiji starben (in Vanuatu waren es sogar 90%). Not macht erfinderisch, also importierten die Briten halt abertausende Arbeitskräfte aus ihren anderen Kolonien jener Zeit – so kamen alleine aus Indien 60'000 Menschen nach Fiji. Im Wissen, dass während unseres Aufenthalts in Suva das indische Lichterfest «Diwali» gefeiert wird und alle in Fiji einen Tag frei haben, buchen wir unsere AirBnB-Unterkunft bei einer indischen Familie im Zentrum von Suva. Und obwohl Vater, Mutter und Tochter allesamt Staatsbürger Fijis sind, fühlen wir uns 3 Tage lang in «Little India», werden wie Familienmitglieder behandelt, mit Curry und indischen Süssigkeiten vollgestopft und durch die indischen Quartiere von Suva herumchauffiert, wo Lichterketten, Kerzen und Feuerwerke den Nachthimmel erleuchten.

Nach zwei intensiven Reisemonaten freuen wir uns nun, über die Datumsgrenze nach Kolumbien zu springen und einen Monat lang in Cartagena an der Karibikküste wieder so etwas wie Routine zu erleben. Wir werden uns also erst mal für eine Weile «einnisten» und melden uns zur Weihnachtszeit wieder aus Kuba, wo wir Yumis Familie besuchen werden.

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