Veröffentlicht: 16.10.2018
Auf gehts zum Titicacasee! Dies würde unsere letzte Fahrt mit dem komfortablen Cruz del Sur Bus sein, und entsprechend genossen wir die letzten Stunden im Luxus-Bus.
Puno
selber hat nicht viel zu bieten. Unser erster Eindruck war, dass es
sich um ein Touri-Loch handelt, allerdings ist es das nicht so sehr,
wie der Ort Copacabana auf der bolivianischen Seite des Sees, wie wir
später noch herausfinden würden.
Unser Hotel lag direkt
gegenüber eines kleinen Platzes, wo sich beinahe jeden Abend
Jugendliche trafen und gemeinsam musizierten und tanzten. Der
Angestellte im Hotel erklärte uns, dass es sich um Mitglieder von
Tanzgruppen oder Studentenvereinigungen handele, die dort für
Aufführungen übten. Diese Atmosphäre hat mir sehr gut gefallen,
auch wenn es teilweise etwas chaotisch (und manchmal für die Ohren
anstrengend) zu und her ging, wenn 3 Gruppen gleichzeitig zu
verschiedenen Musikstücken übten.
Ein ehemaliger Mitarbeiter von Jörg machte mit seinen Freunden zur gleichen Zeit Urlaub in Peru, und sie würden einen Tag später als wir in Puno ankommen. Aus diesem Grund beschlossen wir, etwas länger in Puno zu bleiben, um auf die Jungs zu warten.
Zunächst
einmal fuhren wir mit dem Collectivo etwa 30 Minuten raus ins
Dörfchen Chucuito. Nachdem wir auf dem Hauptplatz angekommen waren,
assen wir erst einmal zu Mittag in einem kleinen Lokal, wo es
Chicharron de Pollo gab. Anschliessend machten wir uns auf den Weg
zum Templo de la Fertilidad (Tempel der Fruchtbarkeit). Bei dem
„Tempel“ handelt es sich um ein kleines Gemäuer, in dem sich
lauter steinerne Penisse befinden. Grosse und kleine, teilweise bis
zu 1.2m lang. Lustigerweise ziert auch den Turm der benachbarten
Kirche nicht etwa ein Kreuz, sondern ein Penis. Tatsächlich ist die
ganze Sache nicht besonders spektakulär, aber doch ziemlich witzig.
Gerade als wir dort waren, kamen noch 3 Frauen unterschiedlichen
Alters hinzu, und wir alle amüsierten uns köstlich, während wir
gegenseitig Fotos von uns mit den Penissen in verschiedenen Posen
machten. Sogar die Oma traute sich nach einiger Überredungskunst
ihrer Kolleginnen, für ein Foto den Grössten zu umarmen, und dabei
lüstern die Zunge rauszustrecken.
Anschliessend genossen wir
noch die Aussicht auf den See, wanderten ein wenig im Dorf herum und
setzten uns für eine Weile in den recht hübschen Park.
Der
Besuch des Fruchtbarkeitstempels ist nicht gerade ein tagesfüllendes
Programm, aber doch noch recht unterhaltsam.
Auf dem Rückweg
besuchten wir noch den Gemüsemarkt von Puno, wo wir uns mit Früchten
eindeckten. Jörg bzw. Seine Grösse war mal wieder das Highlight vor
Ort, sämtliche Marktfrauen quatschten uns deswegen an und waren ganz
aus dem Häuschen.
Für
den nächsten Tag buchten wir einen Ausflug zur Insel Taquile. Die
Bootsfahrt von Puno nach Taquile dauert gute 3h, da die Insel auf dem
offenen See, ausserhalb der Bucht von Puno, liegt. Da wir um eine
Tour in Spanisch gebeten hatten, waren mit uns auf der Tour
ausschliesslich einheimische Touristen dabei. Interessanterweise war
eine Gruppe Leute aus Cusco dabei, die in typisch farbiger Tracht
erschienen. Genau diese Frauen, die normalerweise von Touristen ein
Trinkgeld für Fotos verlangen, waren nun selber Touristen. Wir
hatten also sozusagen das typisch peruanische Fotosujet gleich dabei.
Die Insel Taquile ist seit vielen tausend Jahren bewohnt und
wirkt wie eine eigene kleine Welt. Es ist sehr ruhig hier, es gibt
keinerlei Fahrzeuge wie Autos oder Motorräder, sämtliche Strecken
müssen zu Fuss zurück gelegt werden. Dies hat es in sich, denn der
lange und steile Aufstieg vom Bootshafen zum Dorf ist mehr als
schweisstreibend, und das auf über 4000 m.ü.M. (Der Titicacasee ist
der höchstgelegene schiffbare See der Welt). Bekannt ist die Insel
insbesondere, da hier traditionellerweise die Männer Wollwaren
stricken (UNESCO).
Bereits im Alter von 8 Jahren müssen die Knaben das Stricken
erlernen. Die einheimischen Männer tragen Strickmützen anhand derer
Farben man erkennen kann, ob sie noch zu haben oder bereits
verheiratet sind. Auf der Insel gibt es ausserdem eine lange
Tradition des Webens, dies ist allerdings Frauenarbeit. Die gewobenen
Muster und Tierfiguren sind dabei unglaublich fein und detailliert.
Als wir am höchsten Punkt der Insel angekommen waren, warteten
bereits Weberinnen auf uns, um uns ihr Handwerk vorzuführen. Wie der
Guide uns erklärte, war das ein Spezialprogramm, da die Weberinnen
aus Cusco um einen Austausch mit den hier ansässigen Frauen gebeten
hatten. Die Touris auf der Gringo-Tour bekamen das nicht zu sehen. Es
war also wiedereinmal ein riesen Vorteil spanisch zu sprechen, denn
es war sehr interessant mit anzusehen wie die Frauen zusammensassen
und über ihr Handwerk fachsimpelten. Leider fanden die
Vorstellungsrunde und die Gespräche untereinander auf Quechua statt,
und obwohl unser Guide sich bemühte, für uns zu übersetzen, haben
wir nicht allzu viele Details verstanden. Aber in der kurzen Zeit
auch noch Quechua zu lernen, wäre dann doch etwas zu viel verlangt
gewesen.
Nichtsdestotrotz, es war sehr unterhaltsam und wir konnten ein paar
schöne Fotos machen (sogar ohne Trinkgeld). Interessanterweise
kauften die Cusco-Weberinnen den Taquile-Weberinnen nichts ab, das
fand ich irgendwie etwas schade. Soviel zum gegenseitigen Austausch,
uns wollen sie ja auch immer irgendwelchen Plunder andrehen.
Anschliessend
wanderten wir über die Insel zum Dorf. Unterwegs konnten wir die
wunderbare Aussicht auf den See, die Insel und das Dorf geniessen. Im
Dorf gab es ein Mittagessen und anschliessend bekamen wir Zeit, um
uns auf eigene Faust etwas umzusehen.
Auf dem Rückweg machten
wir noch einen Halt in Uros, dem Ort der aus Schilfinseln besteht.
Dies war für uns aber nur mässig interessant. Eigentlich wollten
wir gar nicht dorthin, weil wir nämlich für den nächsten Tag schon
eine Übernachtung auf einer solchen Schilfinsel gebucht hatten, was,
wie sich im Nachhinein herausstellen würde, auch einiges
authentischer war. Doch dazu später mehr.
Abends trafen wir dann endlich auf Jörgs Kollegen Tobias und seine Freunde Paul und Dominic. Zuerst einmal genehmigten wir uns einige Drinks und gingen anschliessend Pizza essen. Die Pizza war zwar die absolut fürchterlichse, die ich je hatte, dafür war die Gesellschaft umso angenehmer und wir verbrachten einen lustigen Abend zusammen. Es ist schon witzig, wenn man sich so zufällig am anderen Ende der Welt trifft. Lustigerweise nächtigten die Jungs im selben Hotel wie wir, so dass wir sie auch am Morgen beim Frühstück nochmals trafen und uns verabschieden konnten. Sie waren nur einige Wochen unterwegs und reisten daher gleich weiter nach Bolivien, während wir noch etwas hier am Titicacasee bleiben würden.
Nach
dem Frühstück wurden wir auch bald abgeholt. Nun gings los zu den
Uros! Dabei handelt es sich um ein Volk, welches auf künstlichen
Schilfinseln lebt, die sie seit jahrhunderten selber aus
Totora-Schilf herstellen. Die Gemeindschaft umfasst ungefähr 90
solcher Inseln, wobei jede Insel ihren eigenen Namen trägt.
Inzwischen ist der Ort leider total kommerzialisiert, aber dennoch
gibt es nirgendwo etwas vergleichbares.
Unter anderem gibt es
mehrere Schilfhotels, wo Touristen übernachten können. Wie uns aber
gesagt wurde, gehören fast alle dieser Hotels zu Agenturen in Lima
oder Cusco, also Leuten, die selber gar nicht von hier stammen. Wir
hatten unseren Aufenthalt in der Uros Samaraña UtaLodge gebucht. Das
Taxi, welches uns im Hotel abgeholt hatte, fuhr uns zu einer kleinen
Bootsanlegestelle ausserhalb Punos, wo bereits Cesar,
der Besitzer der Lodge, auf
uns wartete. Cesar und
seine Frau Lucia sind
hier geboren und haben ihr ganzes Leben hier verbracht. Cesar
hatte das Glück, dass ihn seine Eltern zum Studium nach Puno
geschickt haben, daher kennt er sich etwas mit Informatik aus, und
kann sein selbstgebautes Hotel im Internet promoten. Die Leute im
Dorf würden in dafür bewundern, was er auf die Beine gestellt hat,
ohne von den grossen Agenturen abhängig zu sein. Er erklärt uns,
dass es zwar 2 Schulen in der Gemeinde gibt, aber dass der
allergrösste Teil der Kinder lediglich die Primarschule absolviert.
Im Ort gibt es ausserdem ein «Krankenhaus», wo ab und zu ein Arzt
aus Puno vorbeikäme. Da er aber nur sehr unregelmässig kommt,
nehmen die wenigsten Leute hier seine Dienste in Anspruch. Im
allgemeinen werden die Leute hier ohnehin nicht gross krank, meint
Cesar. Krebs zum Beispiel gäbe es hier nicht. Arthrose
sei allerdings ein Problem, weil die wenigsten Leute je Schuhe tragen
und durch das ständige Gehen auf dem Schilf im Alter nicht mehr
laufen können. Daher sei es üblich, dass sich die Kinder irgendwann
um ihre Eltern kümmern müssen, wenn sich diese nicht mehr selber
fortbewegen können. Ansonsten verlasse man sich auf traditionelle
Heilmethoden. Cesar erzählt uns, dass es hier in Uros sehr viel
Korruption gäbe. Die Einheimischen seien inzwischen sehr abhängig
vom Tourismus, haben aber selber keinerlei direkten Zugang zu den
Touristen, sondern sind auf die Touristenagenuren und die
Bootsbetreiber angewiesen, die die Gäste herbringen. Dabei müsse
zum Beispiel jede Insel ein typisches Touristenboot aus Totora bauen
und bereit stellen. Wenn die Bewohner der Insel das nicht tun, wird
die Insel nicht von den Tourbooten angefahren. Um die
Uros-Gemeinschaft zu besuchen muss am Ortseingang eine Gebühr
entrichtet werden. Diese Gebühr diene aber ausschliesslich, um die
Gegend sauber zu halten, den Abfall zu entsorgen und allgemeine Ämter
(wie den Gemeinschaftspräsidenten und die Verwaltung) zu bezahlen.
Die Leute selber profitieren vom Tourismus hauptsächlich durch den
Verkauf von Kunsthandwerk und selbst dafür müssten sie noch
Provision an die Tourveranstalter zahlen. Man habe schonmal versucht,
sich gegen die Agenturen aufzulehnen und sozusagen in «Streik» zu
treten. Aber die Betreiber hätten dann einfach angefangen an anderer
Stelle selber «Fake-Inseln» zu bauen und mit den Touristen gar
nicht mehr hierher zu kommen. Tatsächlich kamen Jörg und ich zur
Überzeugung, dass eine der Inseln, die wir tags zuvor mit unserer
Taquile-Tour kurz besucht hatten, ebenfalls eine «Fake-Insel» war,
da sich nämlich die Bauart sehr von dem unterschied, was wir hier
antrafen. Das konnte auch nur bedeuten, dass der Tourbetreiber die
Uros-Eintrittsgebühr, die wir entrichten mussten, obwohl wir ja
eigentlich gar nicht dorthin hatten gehen wollen, selber
eingestrichen hat.
Nachdem wir mit dem Boot die kleine Schilfinsel erreicht hatten, die für die nächsten 2 Tage unser zuhause sein würde, wurde uns unser Bungalow zugeteilt, und wir durften uns etwas umsehen. Zu sehen gab es zwar nicht besonders viel, denn die Insel ist ziemlich winzig und rundherum gibts nur Wasser. Natürlich war die Unterkunft sehr einfach aber doch zweckmässig. Wir hatten sogar ein eigenes Badezimmer mit einem Kompostklo in unserem Bungalow. Die Dusche musste geteilt werden, das Wasser wird mit Solarzellen aufgeheizt. Tatsächlich verfügen fast alle Inseln inzwischen über Solarzellen. Dies sei noch nicht lange so, erklärt Cesar, Strom gäbe es hier noch nicht lange. Dabei ist es eine wichtige Errungenschaft für die Leute hier, denn zuvor hätte man nur Licht von Kerzen gehabt und dabei bestand die Gefahr, dass die ganze Insel abfackeln konnte, wenn eine unbeaufsichtigte Kerze umfiel.
Heizung gab es keine, aber da es in der Nacht hier arschkalt wird, gab es haufenweise Decken und nach dem Nachtessen wurden in Stoff eingewickelte Petflaschen mit heissem Wasser ausgeteilt, die das Bett überraschenderweise tatsächlich die ganze Nacht über kuschlig warm hielten.
Bald nach unserer Ankunft gings los zu unserem ersten Ausflug. Cesar fuhr mit uns mit dem Boot durch die ganze Gemeinde. Anschliessend machten wir Halt auf einer grösseren Insel, wo mehrere Familien gemeinsam leben. Dort wurde uns anhand eines süssen Modells vorgeführt, wie die Inseln gebaut werden. In der Regenzeit lösen sich Teile des Torfs, auf dem das Totora-Schilf wächst, vom Boden und beginnen an der Wasseroberfläche zu treiben. Diese Torfflächen werden eingesammelt und zusammengebunden. Anschliessend werden grosse Mengen Schilf geschnitten und in mehreren Schichten über die ganze Insel gelegt um die Feuchtigkeit von unten abzuhalten. Dieser Vorgang muss immer wieder wiederholt werden, alle 2 Wochen muss das Schilf auf der Insel erneuert werden. Dabei wird einfach immer wieder neues Schilf über dem alten ausgelegt. Die unteren Schichten würden irgendwann verfallen und zu neuer Erde werden, so dass die ganze Konstruktion stabil wird. Cesar erzählt uns, dass man in Bolivien versucht habe, ebenfalls Schilfinseln nachzubauen. Dabei habe man aber Flosse aus Aluminum genommen und diese mit Totora beschichtet. Beim nächsten Sturm sei das ganze Schilf vom Metall heruntergewindet worden. Tatsächlich ist die grösste Gefahr für die Inseln der Wind. Daher wird die Insel, nachdem sie an ihren Bestimmungsort gebracht wurde, mit mehreren Holzpflöcken am Boden befestigt. Es sei aber durchaus schon vorgekommen, dass sich Familien nach einem nächtlichen Sturm mitsamt Insel und Haus weit draussen im See wieder gefunden hätten.
Als wir von der Tour zurückkamen, legte gerade ein kleines Boot vollbeladen mit Schilf bei unserer Lodge an. Auf der Insel gab es einen Schaden der behoben werden musste, eine Kante war instabil geworden und drohte abzurutschen. Wir hatten also gleich die Chance zuschauen zu können, wie der Schaden behoben wurde: altes Schilf wurde entfernt, einige Holzlatten wurden untergelegt um die abrutschende Kante zu stabilisieren, anschliessend wurde mehrere dicke Schichten neues Schilf ausgelegt. Das ist wahrlich Knochenarbeit, und das alle zwei Wochen aufs Neue auf der ganzen Insel.
Nach dem Mittagessen nahm uns Lucia mit zu einer Ausfahrt auf einem kleinen Totora-Boot. Sie paddelte mit uns von Hand ein Stück weit weg von der Hotelinsel, um dort ein Fischernetz zu kontrollieren, welche sie tags zuvor ausgelegt hatte. Sie erklärt uns, dass sie dieses Netz nur noch auslegen, um den Touristen ihren Alltag zeigen zu können. Früher sei es noch möglich gewesen, rund um die Gemeinde zu fischen aber heutzutage gäbe es fast keine Fische mehr. Die Fischer müssen weit raus auf den See fahren, um genügend zu fangen. Sie erzählt uns, dass sie früher als sie klein war, mit ihrer Familie draussen bei den ausgelegten Netzen auf dem Boot übernachtet hatte, da ihr Vater stets die Netze kontrollieren wollte. Es sei sehr kalt gewesen nachts auf dem See, aber die ganze Familie habe sich auf dem kleinen Boot aneinandergekuschelt. Lucia spricht mit einer derart sanften und zarten Stimme, dass es einem kalt den Rücken runter läuft. Jeder Handgriff, den sie tut, tut sie ruhig und bedächtig. Man merkt, dass diese Frau in ihrem Leben noch nie Stress gehabt hat, noch nie unter Zeitdruck gestanden ist. Sie erzählt uns, dass sie sich nie vorstellen könnte, ausserhalb von Uros zu leben, sie sei noch nie woanders gewesen. Wenn sie samstags nach Puno fahren müsse, um einzukaufen, mache ihr die Grossstadt Angst. Sie fürchte sich vor dem Verkehr und vor der Hektik und sorge sich auch immer um ihre beiden Kinder, dass sie vor ein Auto laufen könnten. Während wir auf dem See treiben und den Sonnenuntergang beobachten erzählt sie uns von den Traditionen in Uros. Ein Paar komme in sehr jungen Jahren zusammen und mit dem einmal erwählten Partner würde man sein Leben lang zusammen bleiben, in guten wie in schlechten Zeiten, Scheidung gäbe es hier nicht. Früher wurden die Ehen noch arrangiert, heutzutage dürfen die jungen Leute selber wählen. Zuerst einmal würde das Paar einige Jahre zusammenleben, um für die Hochzeit zu sparen. Während dieser Zeit haben die Paare auch bereits Nachwuchs, es gibt hier kein Problem mit unehelichen Kindern. Das Paar kann erst heiraten, wenn es genug Geld beisammen hat, um die ganze Gemeinde zum Hochzeitsfest einzuladen. Die Zeremonie findet in einer Kirche in Puno statt, anschliessend wird auf den Inseln gefeiert. Wenn die Insel, auf dem das Ehepaar lebt, zu klein ist, würden einfach kurzerhand mehrere Inseln zusammengeschoben. Das Fest dauere 3 Tage, erzählt sie.
Am
nächsten morgen zeigte uns
Lucia, wie die Uros
Geschenke und Andenken aus Totora-Schilf für die Touristen basteln.
Wir dürfen uns auch gleich selber ein kleines Andenken basteln.
Ausserdem steckte uns Lucia
auch noch in traditionelle Klamotten und flocht mir Zöpfe, um ein
paar lustige Fotos zu machen.
Anschliessend gings nochmals mit
dem Schilfboot hinaus, um das Fischernetz einzuholen. Tatsächlich
hatten sich in der Zwischenzeit 4 Fische im Netz verfangen, ein guter
Fang für die Gegend, meinte Lucia. Die einheimischen Fische sind
allerdings sehr klein. Die Forellen, die man im Titicacasee fangen
kann, sind eingeführt worden.
Auf dem Rückweg machten wir Halt
bei einem Schilffeld. Plötzlich zauberte Lucia
ein Ei aus dem Schilf hervor und zeigte uns das Nest, welches sie
hier gefunden hatte. Nebst dem Fischfang leben die Uros von der
Vogeljagd und von der Eiersuche. Landwirtschaft betreiben können sie
nicht auf den Inseln. Traditionsgemäss treffen sie sich aber
sonntags mit Indigenen aus den Bergen und tauschen mit ihnen Fisch
gegen Kartoffeln und Gemüse.
Nach
der Rückkehr auf unser Inselchen war es auch schon bald Zeit um
Abschied zu nehmen. Etwas wehmütig war uns schon zumute, Cesar
und Lucia hatten uns
sehr herzlich in ihrem Zuhause willkommen geheissen und haben sehr
viel Zeit aufgewendet, um uns ihre Kultur und ihre Lebensart näher
zu bringen. Der Aufenthalt in Uros war wirklich wahnsinnig
interessant und lehrreich. Ein zweites Volk wie dieses findet man auf
dem Erdball wohl nicht so schnell wieder. Man fühlt sich auf den
Schilfinseln so weit entfernt von der Zivilisation und der modernen
Welt, und das obwohl man in Tat und Wahrheit nur eine 30-minütige
Bootsfahrt von der grossen Stadt Puno entfernt ist. Das ist wirklich
sehr speziell.
Einerseits habe ich nach allem was wir erfahren
hatten, etwas Mitleid mit den Uros, dass sie so abhängig sind von
diesen Tourveranstaltern und Reiseagenturen und von diesen
ausgebeutet werden. Andererseits vermisse ich doch auch etwas mehr
Eigeninitiative und Tatendrang, es wäre doch für die Menschen in
Uros bestimmt auch möglich, selber eine eigene Reiseagentur mit
einem eigenen Ausflugsboot in Puno auf die Beine zu stellen und eine
eigene Tour zu vermarkten. Gerade da Öko-Tourismus heutzutage so
«in» ist, hätte ein solches Unternehmen bestimmt gute
Zukunftsaussichten, das sieht man ja auch gut am Beispiel der Lodge
wo wir waren. Aber es mangelt zum einen wohl sicher an Bildung und
zum anderen auch an Zusammenarbeit. Ein Beispiel hierfür ist, dass
es in der Gemeinde kein Schulboot gibt, welches all die Kinder
einsammelt. Lucia
fuhr jeden morgen mit dem eigenen Boot raus, um die Kinder zur Schule
zu bringen, und holte sie später wieder ab. Und so macht das jede
Familie. Das ist ja nun auch nicht gerade sehr effizient. Ausserdem
ist interessant, das wirklich an jedem Ort, auf jeder Insel, die
absolut identischen Souvenirs verkauft werden. Jeder bietet Mobiles
an und kleine Schiffchen aus Totoraschilf. Ein wenig mehr Kreativität
wäre sicher hilfreich.
Cesar
sagte, sie fühlen sich
hier ziemlich vergessen vom Peruanischen Staat. Dieser Aussage stehe
ich persönlich allerdings etwas mit gemischten Gefühlen gegenüber.
Klar, wenn man derart am Rande der Zivilisation lebt, kann man
vielleicht dieses Gefühl entwickeln. Und doch schickt der Staat
Ärzte und Lehrer, das ist doch immerhin besser als nichts. Und
letztendlich ist es auch ihre eigene Wahl, so zu leben, wie sie es
tun. Ihre eigene Wahl, ihre Kinder nicht an eine weiterführende
Schule zu schicken. Ihre eigene Wahl, nicht die moderne Medizin in
Anspruch zu nehmen. Ganz abgesehen davon bleibt vielleicht auch noch
zu erwähnen, dass die Uros keinerlei Steuern zahlen.
Ein
anderer Aspekt, der mich zum Nachdenken gebracht hat, ist die
Definition von Wohlstand an diesem Ort. Cesar
und seine Familie zählen in der Gemeinschaft sicher als Wohlhabend,
haben sie doch ihr eigenes kleines Hotel, und verdienen gutes Geld
mit den Touristen. Aber was bedeutet eigentlich Wohlstand auf einer
Schilfinsel? Trotz allem leben sie doch immer noch in einem kleinen
Schilfhäuschen auf einer schwimmenden Totora-Insel. Sie haben ein
Boot mehr als die anderen Familien, das sie brauchen, um die
Touristen herumzufahren. Sie haben vielleicht ein paar Solarzellen
mehr, da sie mehrere Bungalows beleuchten müssen. Ein Handy, dass
sie benötigen um die Buchungen im Internet zu verwalten. Sie
verfügen vielleicht über bessere Nahrungsmittel, mehr Vielfalt auf
dem Teller. Und sie müssen die Schäden auf ihrer Insel nicht mehr
selber ausbessern. Sie stellen einen Jungen an, der das Totora-Schilf
in mühseliger Arbeit auslegt, während Cesar
die Touristen abholt und herumfährt und seine Frau für die
Touristen kocht und ihnen über die hiesigen Traditionen berichtet.
Aber sonst? Es gibt hier keine teuren Möbel, keine schicken Autos,
keine modischen Kleider, und keine Reisen in fernen Länder.
Statussymbole scheinen hier wenig Bedeutung zu haben. Ich habe wohl
noch nie einen so feinen Unterschied zwischen arm und reich gesehen,
wie hier auf den Uros-Inseln.
Es war wirklich ein sehr
faszinierendes Erlebnis, unsere Zeit hier bei den Uros, wir haben
viel neues gesehen und gelernt. Rückblickend war dies auch sicher
eines der Highlights unseres ganzen Aufenthalts in Peru.
Und das war sie auch schon, unsere Zeit hier in Peru. Am nächsten Tag würden wir weiterfahren zur bolivianischen Seite des Titicacasees.
Peru. Was soll man über dieses Land sagen? Anfangs mochten wir es ehrlich gesagt nicht so sehr. Und doch waren wir insgesamt 8 Wochen hier. Normalerweise sagt man ja, der Vorteil am lange Reisen sei, dass man einfach dort bleiben könne wo es einem gefällt, und von dort abhauen, wo es einem nicht gefällt. Meine Theorie besagt, dass es besser ist, sich dort wo es einem nicht gefällt, alles anzuschauen, was einen interessiert, denn dann hat man es gesehen und muss später nicht nochmals zurückkommen. An einen Ort, wo es einem gut gefallen hat, kommt man schliesslich gerne auch ein zweites Mal zurück. Und Peru hat wirklich wahnsinnig viel zu bieten, es gibt wahnsinnig viel zu sehen, und einige der Highlights des ganzen Kontinents sind hier zu finden. Das Land ist so reich an Kultur und Geschichte, aber auch Abenteuer gibt es zu erleben, kulinarische Höhenflüge zu geniessen und Landschaft zu bestaunen.
Und
fairerweise muss man auch wirklich sagen, dass es Richtung Süden
besser wurde. Die Leute wurden freundlicher als sie es im Norden
waren, man fühlte sich mehr willkommen und nicht nur geduldet.
Für
uns, die wir gerne Dinge auf eigene Faust unternehmen, war es nervig,
dass man viele Dinge fast nur in einer geführten Tour unternehmen
kann. Noch nerviger war es, ständig überall gehetzt und
durchgescheucht zu werden. Andererseits ist es eine sympatische
Eigenart, dass man halt überall versucht, den Touristen alles von
dem Ort zu zeigen, was es zu sehen gibt, und so einfach meist viel zu
viel an Programm in die Touren gestopft wird, so dass sich Stress
nicht vermeiden lässt.
Das alles macht Peru aber auch zu einem
Land, welches sich recht einfach bereisen lässt, selbst wenn man
kein Spanisch spricht und/oder wenig Reiseerfahrung hat. Man kommt
wirklich einfach im Land herum, die Busse sind sehr gut und es gibt
überall ein Angebot an geführten Ausflügen und Unternehmungen,
welche man sehr kurzfristig buchen kann. Wir haben uns auch
nirgendwo unsicher gefühlt.
Obwohl uns die Reise durch das Land zeitweise einiges an Nerven gekostet hat, haben wir die Zeit dennoch genossen, wir haben viel gesehen und erlebt und nehmen viele tolle Erinnerungen mit.