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Paraguay: Encarnacion

Veröffentlicht: 11.02.2019

Von Villarrica fuhren wir am nächsten Morgen nach Encarnacion. Die Hotels in der Innenstadt sind allesamt unbezahlbar, also buchten wir eine Unterkunft etwas ausserhalb. Dank unserem Auto war das ja kein Problem. Und tatsächlich war dies die definitiv beste Unterkunft, die wir in ganz Paraguay hatten. Obwohl sie auch nicht grade günstig war, stimmte hier das Preis-Leistungsverhältnis definitiv. Wir erhielten ein schönes Studio mit 2 riesigen, bequemen Betten, einer kleinen Küche und Esstisch. Dort hätten wir gut und gerne noch einige Tage länger bleiben können und einfach nur im bequemen Bett kuscheln. Auch die Gastfamilie war wahnsinnig nett. Die Frau des Hauses freute sich wahnsinnig über unseren Besuch, fragte uns über unser Heimatland und unsere Reise aus. Neben ihrem eigenen Wohnhaus hatten sie dieses Gebäude mit Studios ausgebaut, die sie vermieten. 4 waren schon komplett fertig, das 5. sollte in den nächsten Tagen gerade gestrichen werden. Stolz zeigte sie mir alles und erklärte mir den Baufortschritt. Die Studios vermieten sie normalerweise an Geschäftsreisende, ausländische Urlaubstouristen gäbe es hier selten. Ihr Ehemann besitzt einen Sportladen in der Stadt und witterte sofort ein gutes Geschäft. Denn sofort kam er begeistert an mit Sportschuhen und Shorts in Jörgs Grösse. Tatsächlich waren wir ziemlich überrascht, dass es hier tatsächlich Sachen in Jörgs Grösse gab, und auch der Preis wäre gar nicht schlecht gewesen, trotzdem mussten wir dem guten Mann verklickern, dass wir ohnehin schon viel zu viel Gepäck mit uns herumtrugen (nicht zu vergessen die verdammten Keramik-Papageien) und momentan nicht wirklich Bedarf an Turnschuhen und weiteren Sporthosen hatten.


In Encarnacion fuhren wir zunächst zur Costanera. Eigentlich befindet sich ohnehin alles Sehenswerte in Encarnacion entlang der Uferpromenade zum Rio Parana. So steht dort auch der Sambadromo, wo Encarnacions berühmt berüchtigter Karneval gefeiert wird. Da die Tür offenstand und niemand dort war, sahen wir uns ein wenig um. Sicher ist der Sambadromo, der 8500 Zuschauer fasst, einiges faszinierender wenn er voll ist, und die Party abgeht. Trotzdem hinterfragt man ja schon ein wenig den Bau eines solchen riesigen Dings, das ausschliesslich für einen einzigen Zweck einmal im Jahr genutzt wird.

Ebenfalls an der Costanera liegt eine alte Mehlmühle, die man aber leider nicht betreten kann. Aber sie gibt einige schöne Fotomotive ab.
Ebenfalls gleich an der Küste befindet sich der alte Bahnhof, wo man noch einen verrosteten Zug besichtigen kann.
Gegenüber des Rio Parana liegt die argentinische Stadt Posadas, auf die man von der Promenade aus einen hübschen Blick hat.
Ausserdem gibt es einige kleine Sandstrände, wo sich die Einheimischen tummeln. Hier gibt es wohl auch den BurgerKing mit der schönsten Aussicht, die wir je gesehen haben: er liebt nämlich wirklich direkt am Strand.

Nachdem wir ein wenig die Costanera hoch- und runtergewandert waren, setzten wir uns anschliessend auf den Pier, um von dort den schönen Sonnenuntergang zu bewundern. Es war eine wunderbare Atmosphäre abends entlang der Promenade. Überall versammelten sich Einheimische, stellten ihre aufklappbaren Campingstühle auf, und tranken Terere. Tatsächlich gab es kaum jemanden der Bier oder ähnliches trank, was bei uns ja eher auf der Tagesordnung stehen würde. Hier trinkt man eben Terere.


Wir sind auch noch ein wenig durch die Innenstadt Encarnacions getigert, aber dort gibt es abgesehen von den üblichen Plätzen und Kirchen nicht viel zu sehen und die sind auch nicht besonders hübsch. Das (touristische) Leben spielt sich definitiv an der Costanera ab.


Am nächsten Tag fuhren wir zunächst nach Jesus de Tavarangue, um die dortige Jesuitenmission zu besuchen. Im Unterschied zu den Jesuitenmissionen, die wir bereits in Bolivien gesehen hatten, handelt es sich bei den hiesigen beinahe ausschliesslich um Ruinen. Die Mission wurde im Jahr 1685 gegründet, die Arbeiten wurden allerdings nie ganz fertig gestellt, bis die Jesuiten 1767 vertrieben wurden. Zur Anlage gehört auch noch ein kleines Museum, wo Stücke und Kunstwerke aus der Mission ausgestellt werden. Wie es bei den Jesuiten üblich war, wurde zunächst einmal eine einfachere provisorische Kirche erstellt, bevor mit dem Bau des eigentlichen Tempels begonnen wurde. Im Falle von Jesus begann man 1756 mit dem Bau der riesigen Kirche mit 70m Länge, 24m Länge und 12m Höhe. Die Kirche wäre eine der grössten von allen Jesuitenkirchen geworden, wurde aber niemals fertiggestellt. Nebst der Ruine der massiven Kirche kann man in der Anlage auch die Werkstätten und die „Indianerhäuser“ besichtigen, von denen allerdings nur noch die Fundamente übrig sind. Die Plaza Mayor ist heute eine baumbestandene, schattige Wiese.


Anschliessend fuhren wir weiter nach Trinidad, wo sich Paraguays angeblich best erhaltene Mission befindet, die im Jahre 1706 gegründet worden war. Im Jahre 1728 lebten bereits 3000 Menschen hier. Nachdem die Jesuiten vertrieben worden waren, übernahm der Dominikanerorden die Mission, allerdings nur für eine kurze Zeit. Im Jahre 1776 wurde die Kirche zerstört. 1788 lebten nur noch 57 Familien in Trinidad. Nach der Vertreibung der Jesuiten verloren die Indigenen ihren Schutz und wanderten ab. 1993 wurden die Missionen von Paraguay zu UNESCO Weltkulturerbe erklärt.

Auch hier sind nur noch Ruinen auf einer grossen grünen Fläche zu bewundern, unter anderem ein Bewachungsturm, der zur Verteidigung der Mission diente. Dies ist ein neues Element, welches wir bisher an anderen Orten nicht angetroffen hatten. Auch hier gab es ein kleines Museum, wo man Steinmetzarbeiten und Skulpturen ansehen konnte. Besonders erwähnenswert in Trinidad sind die Reliefs der musizierenden Engel, die in der Kirchenwand erhalten geblieben sind. Es handelt sich um wunderschöne und sehr detailreiche Darstellungen von Engeln mit verschiedenen Instrumenten.


Am Nachmittag fuhren wir weiter nach Bellavista, wo wir eine Führung in der Yerba-Mate Fabrik „Selecta“ gebucht hatten. Yerba-Mate ist der Tee, womit die Paraguayer ihren geliebten Terere anmischen. Der Tererebecher wird dabei beinahe randvoll mit dem Yerba-Mate-Tee gefüllt. Anschliessend wird eiskaltes Wasser aus dem zuvor mit Eis gefüllten Termoskrug zugegeben. Getrunken wird mit einer Bombilla, einer Art Strohhalm mit eingebautem Teesieb. Yerba-Mate würde uns von nun an noch ein Weilchen begleiten, denn er wird nicht nur in Paraguay getrunken, sondern auch in Uruguay und Argentinien, wobei er dort nicht als Terere, sondern als Mate, also als Heissgetränk konsumiert wird.

Nach Anmeldung im Besucherzentrum wurden wir erstmal mit Schutzhelmen ausgestattet. Wozu diese dienen sollen, weiss eigentlich niemand so genau. Dann wurden wir durch ein kleines „Open-Air-Museum“ geführt, wo man alte Maschinen anschauen konnte, die früher für die Verarbeitung verwendet wurden. Anschliessend ging es in die Fabrik, wo uns der Produktionsprozess erklärt wurde. Etwa 500 Personen sind hier beschäftigt. Selecta stellt mittlerweile auch noch andere Produkte her, wie beispielsweise Reis, geröstete Erdnüsse und Tee in Beuteln.

Nach der Ernte werden die Blätter von den Farmen in die Fabrik angeliefert. Die Eigenproduktion von Selecta beträgt ungefähr 70%, der Rest wird von unabhängigen Bauern zugekauft. Etwa 9 Tonnen Teeblätter können pro Tag verarbeitet werden. Die Blätter werden bei 400° 1.5 Minuten lang dehydriert und entkeimt so dass sie nur noch 20% Feuchtigkeit aufweisen. Anschliessend werden sie in einem grossen Ofen auf einer Art riesigem Fliessband 24h lang bei 90° getrocknet, bis sie nur noch 3% Feuchtigkeit enthalten. Als nächstes folgt die Lagerung, welche mindestens 1 ganzes Jahr dauert, bei Premiumsorten sogar 2. Zum Schluss werden die Blätter gemahlen und abgefüllt. Und schon ist er fertig, der Lieblingstee der Paraguayos. Jeder Paraguayer konsumiert durchschnittlich sagenhafte 7kg Tee pro Monat, das entspricht etwa 250gr pro Tag!
Wir fragten unseren Guide, weshalb der Yerba Mate ausgerechnet in Paraguay kalt getrunken wird. Er erzählt uns, dass der Tee bereits von den Jesuiten kultiviert worden ist. Gemäss der Sage wurde mit dem „kalt Trinken“ im Chacokrieg begonnen, damit man kein Feuer machen musste, und den Feinden dadurch nicht verriet, wo man sich versteckt hielt.

Die Führung dauerte nur relativ kurz, aber war sehr informativ und interessant. Schliesslich handelt es sich hier um einen wichtigen Aspekt der Kultur Paraguays. Und jeder Paraguayer, den wir später noch antrafen, reagierte ganz erstaunt und begeistert, wenn wir erzählten, dass wir die Selecta-Fabrik besucht hatten.


Gegen Abend fuhren wir dann zurück nach Encarnacion, wo wir ein zweites Mal in den göttlich bequemen Betten in unserer Unterkunft schlafen konnten, bevor wir uns tags darauf von unserer Gastfamilie verabschiedeten und uns auf den Weg machten, die dritte Etappe der Dörfer-Besichtigung in Angriff zu nehmen.

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