Veröffentlicht: 11.02.2019
Am nächsten Morgen fuhren wir weiter
Richtung Atyra. Der Ort gilt als Zentrum für Kunsthandwerk aus
Leder. Gefunden haben wir allerdings nur einen kleinen Markt im Paseo
Peatonal Indio Jose, der nicht allzu viel hergab. Aber wir fanden
hier tatsächlich endlich einen neuen Ledergürtel in Jörgs Grösse,
da seiner langsam den Geist aufgab. Der Weg hatte sich also schon
allein deswegen gelohnt.
Das Städtchen soll ausserdem als die
sauberste Stadt Paraguays gelten, sie war jedenfalls wirklich sauber.
Ansonsten ist es ein ruhiger, beschaulicher und sehr grüner Ort, wo
es nicht sehr viel zu tun und zu sehen gibt. Wir fuhren kurz bei der
Franziskanerkirche mit ihrem massiven Holzaltar vorbei und machten
eine kleine Zigarettenpause im hübschen Park. Das örtliche Museum
für religiöse Kunst liessen wir aus, genug der religiösen Kunst
für uns.
Anschliessend fuhren wir weiter nach Tobati. Der Ort ist bekannt für seine Lehmwerkstätten, in denen Ziegelsteine und Dachziegel hergestellt werden. Die meisten davon liegen genau an der Strasse. Die Bandbreite der Fabriken reicht von einfachster, manueller und mit Pferdekraft unterstützter Produktion bis zu grösseren halbautomatischen fabrikähnlichen Unternehmen. Da es allerdings Sonntag war, wurde nicht gearbeitet und es war dementsprechend nichts los. Aber die alten Ziegelbrennereien gaben wenigsten hübsche Fotomotive ab. Unser Besuch in Tobati warn entsprechend kurz, wir fuhren mehr oder weniger einfach nur durch.
Unser nächster Stopp war in Caacupe,
welches „bekannt“ ist wegen seiner Basilica de la Virgen de
Caacupe“. Die Kirche ist besonders wegen ihrer Grösse, die
irgendwie nicht so ganz in das kleine Kaff passt, ziemlich
beeindruckend, vom „Design“ her haben wir allerdings schon
schönere Kirchen gesehen. Trotzdem scheint dies eines der
touristischen Highlights von Paraguay zu sein, jedenfalls trafen wir
hier auf jede Menge einheimischer Touristen und sogar einen
deutschen. Man musste hier sogar ein Parkticket von einem netten,
alten Herren im Park kaufen, wohingegen man seine Karre im übrigen
Paraguay ja einfach dort abstellt, wo es gerade etwas Platz hat.
Für
Katholiken ist die Jungfrau Maria besonders wichtig, eine 60cm
grosse, prächtig gekleidete Statue auf einem überlebensgrossen
pyramidenförmigen Sockel aus Stein, der mit zahlreichen
Handabdrücken verziert war. Und tatsächlich stellten sich die
Gläubigen an, um den Sockel zu berühren und ein Gebet zu sprechen.
Die Kuppel der Kirche kann man besteigen und hat innen einen schönen
Blick auf das innere der Kirche und aussen auf das Städtchen
Caacupe. Im Treppenhaus sind die Wände bemalt und erzählen die
Legende der Virgen, die von einem zum Christentum bekehrten
Guarani-Indianers angefertigt worden war und erst nach langer Odysee
ihren Platz in Caacupe fand. Als interessante Info am Rande ist zu
erwähnen, dass die Guarani die ursprüngliche Bevölkerung in der
Gegend von Paraguay bildeten. Tatsächlich sprechen 95% der
Paraguayer noch immer die Sprache Guarani. Die Guarani-Indianer
fanden sich auch im heutigen Bolivien und Uruguay, wobei die Sprache
dort kaum noch vertreten ist.
Jörg findet es ja generell witzig,
in Kirchen irgendwelche übertriebenen „Predigerposen“
nachzuahmen, und rechtfertigt dieses Recht mit den hohen
Kirchensteuern, die er an die Katholische Kirche zahlt. Als er
allerdings auf dem Balkon der Kuppel mal wieder seine Arme in die
Höhe schwang, und so tat als wäre er der Prophet persönlich,
fanden das wohl die anderen Kirchenbesucher, die ihn natürlich von
unten her wunderbar sehen konnten, nicht ganz so lustig.
Mir
gefielen besonders die hübschen Buntglasfenster in der Basilica.
Anschliessend fuhren wir weiter, es kam
eine längere Etappe nach Villarica. Solche Road-Trips, vor allem in
solchen Ländern, bieten ja immer mal wieder spassige Anekdoten.
Genaugenommen kann ich gar nicht mehr zählen, wie oft ich auf dieser
Reise meinen Führerschein schon hätte abgeben müssen, wenn es nach
CH-Gesetz gegangen wäre.
Von Paraguay ist mir am meisten in
Erinnerung blieben, als wir mal wieder aus einem Dörfchen
herausfuhren und uns plötzlich mit Tempo 30 in einer scheinbar
endlosen Auto-Kolonne wiederfanden. Es dauerte eine ganze Weile, bis
wir begriffen, dass es sich beim „Verursacher“ der ganzen Misere
um einen Leichenwagen handelte, gefolgt von der Trauergesellschaft in
ihren Autos mit Pannenblinkern. Es herrschte allerdings viel
Gegenverkehr, so dass es schwierig war, an den vielen Autos
vorbeizukommen. So fuhren wir eine ganze Weile in einer langen
Schlange dahin, bis es den anderen Paraguayern langsam anfing, zu
blöd zu werden. Einer nach dem anderen scherte nach rechts aus und
überholte auf dem Pannenstreifen. Irgendwann, frei nach dem Motto
„in Rom mach es wie die Römer“, tat ich einfach dasselbe. Ich
wartete, bis sich eine Lücke auftat, fuhr auf den Pannenstreifen
raus und überholte die Trauergesellschaft. Beziehungsweise einen
Teil davon. Denn plötzlich kam eine Brücke und der Pannenstreifen
war zu Ende. Blöd. Ich weiss ehrlich gesagt nicht mehr, was ich mir
genau dabei gedacht habe, als ich einfach meinen Vordermännern
folgte, die sich einfach wieder nach links genau zwischen den
Leichenwagen und das darauf folgende Auto drängelten, dann nach
links auf die Gegenfahrbahn fuhren, den Gegenverkehr zur Seite
drängten und auf dem Mittelstreifen zwischen dem Gegenverkehr und
dem Leichenwagen denselben überholten. Bevor mir richtig klar war,
was ich gerade getan hatte, war die ganze Sache schon vorbei und mein
Puls ziemlich gestiegen. Nein, meinen Führerschein hätte ich nach
einer solchen Aktion in der Schweiz definitiv nicht mehr.
Abends kamen wir dann in Villarica an, und fuhren zu unserer Unterkunft, die einem alten, dickbäuchigem Herrn gehörte, der ständig draussen auf der Veranda sass, und seinen Terere schlürfte. Die Auffahrt auf den Platz war so steil und so eng, dass ich es, müde wie ich nach der langen Fahrt war, nicht mehr schaffte, den Hyundai durch das Eingangstor zu manövrieren, so dass Jörg das ausnahmsweise übernehmen musste. Der Typ wird sich wohl, gemäss seinem belustigten Gesichtsausdruck, als wir die Plätze tauschten, das Übliche gedacht haben: jaja, die Weiber, können halt nicht einparken. Aber das war mir egal, lieber das, als einen Schaden am Auto.
Nachdem wir das Gepäck ausgeladen hatten, spazierten wir noch ein wenig durch den Ort. Wir hatten gelesen, dass man hier Kutschfahrten mit Pferdetaxis unternehmen kann, aber wir trafen auf keine solchen. Wir kamen am Markt vorbei, wo es lastwagenweise Wassermelonen und sonstige Früchte und Gemüse zu kaufen gab. Nachdem es endlich aufgehört hatte, in Strömen zu regnen, setzten wir uns noch ein wenig in den Parque Manuel Ortiz Guerrero, wo es einen grossen Teich gab und auch 3 Capybaras lebten. Einfach zuckersüss. Gerade als wir über die kleine Brücke gehen wollten, kamen sie uns entgegen und trabten an uns vorbei. Auch ein kleines Kätzchen sass dort auf der Treppe und es war unmöglich auszumachen, wer sich ob dieser Begegnung mehr erschreckte: die Katze, die sofort einen Meter hoch aufsprang, oder die Capybaras, als sie von der Katze laut angefaucht wurden. Für alle Menschen rundherum war die ganze Sache jedenfalls ziemlich lustig anzusehen.