Veröffentlicht: 07.11.2018
Es war eine lange Busfahrt von La Paz nach Cochabamba, während der wir die Gelegenheit hatten, die viel gelobte Landschaft Boliviens zu betrachten. Und....nun ja....die Landschaft ist gar nicht so besonders. Jedenfalls nicht in diesem Teil Boliviens. Das Altiplano ist nämlich hoch und flach...und sonst gar nichts. Es gibt kaum Vegetation, keine Bäume, nada. Einfach nur braune, flache Einöde, soweit das Auge reicht. Ab und zu kommt düst man mal wieder durch ein kleines Kaff irgendwo im Nirgendwo und damit hat sichs an Action unterwegs.
Irgendwann kamen wir dann endlich in Cochabamba an und ich muss sagen, es handelt sich hier um ein hübsches Städtchen. Sehr viel zu tun gibt es hier zwar nicht, aber es gibt viele Grünflächen und kleine Parks, so dass man gut einen Tag verweilen kann. Besonders da in diesen Parks wie immer komische Kauze rumhängen, was die ganze Sache unterhaltsamer macht. In diesem Fall handelte es sich um einen Prediger, der inbrünstig und in voller Lautstärke stundenlang Bibelpsalme vorlas und Interpretationen zum Besten gab, dabei alles Schlechte auf der Welt aufzählte, Hungersnöte, Epidemien, sogar den 2. Weltkrieg und teilweise auch die traurige Situation Venezuelas, so lange bis eine Venezuelanerin aufstand und ihm lautstark ihrerseits ihre Meinung dazu geigte. Wir konnten uns kaum halten vor Lachen. Auf der anderen Seite des Parks, keine 30m weiter, krächzte eine alte Frau irgendwelche anderen Weisheiten in ein Megaphon, die wir aber leider nicht verstehen konnten. Immer mal wieder kommen auch Brautpaare vorbei, um ihre Hochzeitsfotos zu machen, inmitten des Trubels und der ganzen Leute. Tjaja, so geht es zu und her, nachmittags im Park überall in Lateinamerika. Die anderen Menschen sitzen da, hören dem Geschehen zu, starren Löcher in die Luft oder füttern Tauben. Was hat man denn auch sonst zu tun....
Das Highlight der Stadt ist wohl der Cristo de la Concordia, eine riesige Christus-Statue auf einem Berg neben der Stadt, die als zweitgrösste Christus-Statue der Welt gilt und damit sogar noch grösser ist als ihr Pendant in Rio de Janeiro. Eine weitere nennenswerte Differenz zum berühmteren Cristo in Brasilien ist der massiv geringere Besucherandrang, der den Ausflug hierher besonders angenehm macht. Man kann hier tatsächlich Fotos schiessen, ohne dass man jemandem auf die Füsse tritt und ohne dass noch hundert andere Menschen auf dem Foto sind. Genaugenommen sind es vor allem Einheimische, die man hier antrifft. Auch die Aussicht auf Cochabamba ist von hier oben sehr schön. Auf den Berg gelangt man mit einer kleinen Seilbahn.
Eigentlich waren wir aber in die Stadt gekommen, um eine Tour in den Nationalpark Torotoro zu buchen und dies taten wir auch. Man hätte zwar auch auf eigene Faust in das abgelegene Kaff Torotoro kommen können, aber wir hatten beim besten Willen keine Lust auf eine rumpelige 7h Busfahrt in einem Collectivo-Minibus, weshalb wir uns für eine geführte Tour entschieden. Das machte die ganze Sache zwar etwas teurer, aber wir genossen es zur Abwechslung auch mal wieder sehr, herumgefahren zu werden, vom Guide gesagt zu bekommen was, wann, wie und wo gemacht wird, und nichts organisieren zu müssen. Und spätestens als wir in Torotoro andere Reisende trafen, die uns von ihrer 7h-Rumpelfahrt erzählten und die nach den ohnehin schon anstrengenden Wanderungen im Canyon auch noch in der prallen Mittagssonne stundenlang zurück ins Dorf zurückmarschieren mussten, während unser Pickup mit Klimaanlage und Chauffeur am Ausgang des Canyons auf uns wartete, wussten wir die Annehmlichkeiten der Tour umso mehr zu schätzen.
Die Tour dauerte 3 Tage und 2 Nächte, die wir in einem einfachen aber angenehmen kleinen Hotel in Torotoro verbrachten. Unser Chauffeur (leider mal wieder Name vergessen. Er war leider nicht sehr gesprächig, anfangs dachten wir sogar, er versteht gar kein Spanisch) holte uns früh morgens in unserer Unterkunft in Cochabamba ab, und wir machten uns auf den Weg nach Torotoro. Die Fahrt im Pick-up dauerte so nur gute 4h und war ziemlich angenehm. Unterwegs staunten wir nicht schlecht, als wir auf einen kleinen VW-Bus mit Genfer Kennzeichen trafen. Wir hielten auf einen kurzen Schwatz mit unseren Landsleuten an und fanden heraus, dass es eine Familie mit 2 kleinen Kindern war, die seit 1.5 Jahren in Südamerika unterwegs sind. Leider ist unser Französisch sehr eingerostet, seit wir so intensiv spanisch sprechen, weshalb die ganze Konversation etwas holprig war. Die Begegnung war aber trotzdem sehr amüsant.
Nachdem wir endlich in Torotoro angekommen waren, gab es Mittagessen im Hotel und dann gings auch schon los auf die erste Tour. Unser Chauffeur fuhr mit uns zum Touristenbüro, wo wir uns registrieren und einen lokalen Guide anheuern mussten, der uns auf den Touren im Nationalpark begleiten würde. Sein Name war Eusebio und er war ein junger Kerl, der allerdings ebenfalls nicht besonders gesprächig war und überdies ständig vorausrannte.
Unsere erste Tour führte uns zum Cierro de las Siete Vueltas. Der Ort ist bekannt für angeblich grosse Fossilienvorkommen. Letztendlich wanderten wir allerdings etwa 1.5 h steil bergauf, um uns einige versteinerte Muscheln anzusehen. Die ganze Sache war also einiges weniger imposant als erwartet. Trotzdem ist es natürlich schon faszinierend, solche Fossilien hier auf dieser Höhe zu finden. Diese Gegend lag vor Urzeiten unter Wasser und die Sedimente mit ihren Fossilien waren bei der Bildung der Anden vom Druck der tektonischen Platten nach oben gestossen worden.
Am nächsten Morgen fuhren wir zur Ciudad de Itas, welche ein gutes Stück ausserhalb von Torotoro liegt. Es handelt sich dabei um eine ziemlich grosse Anlage mit vielen Steinformationen und einigen beeindruckenden, in den Fels gewaschenen Höhlen, die an eine Stadt erinnern. In den Höhlen wurden Opfer dargebracht und eine diente sogar als Kathedrale, wo die Inkas Hochzeitszeremonien abhielten. Ausserdem waren auch einige kleine Höhlenmalereien zu sehen.
Nachmittags
gings in die Caverna Umajalanta, und das war mal wieder so ein
Abenteuer, wobei ich mich mittendrin fragte: Warum zum Teufel machen
wir eigentlich immer so einen Mist? Bevor wir die Höhle betraten,
fragte unser Guide beiläufig, ob wir Platzangst hätten. Juhu, das
kommt dir auch ausgesprochen früh in den Sinn, mein Freund. Zu
diesem Zeitpunkt war ich in meiner grenzenlosen Naivität noch der
irrigen Annahme, wir würden einfach ein wenig auf einem schön
präparierten Pfad durch die Höhle wandern. Haha. Tatsächlich
drangen wir nur etwa 300m in die Höhle ein, aber der „Weg“ war
für Ungeübte eher anspruchsvoll. Wir mussten über Felsen klettern,
natürliche Steinrutschen hinuntersausen, uns an Seilen entlang
hangeln, auf rutschigem Felsen entlang steilen Abgründen
balancieren, uns durch mehr als enge Felsspalten quetschen (wo ich
mich immer noch frage, wie Jörg da durch gekommen ist) oder uns
sogar einige Meter abseilen. Und das alles natürlich ohne jegliche
Sicherung. Maximal war ein Seil an der Wand befestigt, wo man sich
festhalten konnte. Einmal gab es sogar eine kleine Trittleiter, die
ebenfalls mehr als fragwürdig in der Wand befestigt war. Und man
hatte natürlich einen Helm, das war wohl aber auch schon die einzige
sicherheitstechnische Errungenschaft der letzten 20 Jahre. Unser
Guide machte uns zwar bei jedem Hindernis genau vor, wie wir es
überwinden müssen, trotzdem wurde mir teilweise Angst und Bange
angesichts der potenziellen Unfallgefahr, wie schon so oft auf dieser
Reise stellte ich mir einmal mehr den Beamten der Suva bei der
Inspektion vor. Aber es gab kein zurück mehr, man läuft in der
Höhle einen Kreis und geht nicht wieder denselben Weg zurück. Also
sind auch alle „Hilfestellungen“ bei den Hindernissen nur für
eine „one-way-Reise“ ausgelegt. Der einzige Weg führte also
vorwärts, da mussten wir jetzt durch.
Als ich den Guide nach dem
Notfallkonzept fragte, was beispielsweise geschehen würde, wenn sich
jemand hier drin ein Bein brechen würde, meinte er leichthin, das
sei ja kein Problem, sie würden den Verunfallten dann einfach
heraustragen. Aha. Ja genau, das würde ich gern sehen, wie sie Jörg
aus dieser Höhle heraustragen würden.
Ich meine, man kann das
ja machen, für junge, fitte, sportliche Abenteurer ist das auch
sicher kein Problem, wir haben es ja auch geschafft, aber es wäre
doch immerhin eine gute Idee, die Leute schon bei der Buchung der
Tour auf das Ganze hinzuweisen. Es wurde uns nicht mal gesagt, wir
sollen gute Schuhe anziehen. „Habt ihr Platzangst?“ kurz bevor
man die Höhle betritt, ist definitiv keine ausreichende
Sicherheitseinweisung.
Die Höhle an sich war ganz nett, aber ich
hatte definitiv auch schon Imposanteres gesehen. Viele der
Stalaktiten und Stalakmiten waren leider von Einheimischen abgesägt
worden, bevor die Gegend zum Nationalpark ernannt und damit geschützt
wurde. Wir sind sogar zu einem unterirdischen See gelangt, wo sogar
Fische in der absoluten Dunkelheit drin leben.
Trotz allem hat
mir der Ausflug in die Höhle rückblickend gefallen, wenn ich mich
auch währenddessen das eine oder andere Mal für meine blöden Ideen
verflucht habe. Es war mal wieder etwas Nervenkitzel und das tut auf
einer solch langen Reise ab und zu ganz gut, um ein wenig Abwechslung
in die Sache zu kriegen.
Am nächsten Morgen fuhren wir zum Canyon Vergel. Nachdem wir die wirklich wunderbare Aussicht vom Mirador genossen haben, hiess es dann, hunderte Treppenstufen in die Schlucht hinunter zu klettern. Unten angekommen, wanderten wir ein Stück durch den Canyon zu einem mässig beeindruckenden Wasserfall, wo man hätte schwimmen können. Haben wir aber nicht, angesichts der Eiseskälte des Wassers. Anschliessend hiess es, dieselben hunderten von Stufen wieder hinauf zu klettern, das war der eher unschöne Teil des Programms.
Auf dem Rückweg kamen wir dann endlich zum Highlight in Torotoro, dem Grund weswegen wir eigentlich hierher gekommen waren: der Nationalpark Torotoro wird „das Land der Dinosaurier“ genannt, weil man hier versteinerte Dinosaurierspuren sehen kann. Man hatte hier auch Fossilien der riesigen Urzeittiere gefunden, diese wurden allerdings ausser Landes gebracht und sind heute in Museen im Ausland zu bewundern. In Torotoro sind lediglich einige versteinerte Knochenfragmente zurückgeblieben.
Zu
sehen sind Spuren von verschiedensten Dino-Spezies, sowohl
pflanzenfressende als auch fleischfressende. Die Spuren entstanden,
als die Dinosaurier nach längeren Regenperioden über den nassen,
sandigen Boden gelaufen sind. Zu dieser Zeit waren die Intervalle
zwischen Regenzeiten viel länger, so dass auf den Regen eine längere
Trockenperiode folgte. Während dieser Zeit versteinerte der Boden zu
Sandstein und wurde mit weiteren Sedimenten überlagert. Mit der Zeit
entstanden so mehrere Schichten, welche durch den Druck der
Kontinentalplatten während der Entstehung der Anden nach oben
gedrückt wurden. Die Fussabdrücke können kaum konserviert werden,
aufgrund von Witterung und Erosion werden die Gesteinsschichten nach
und nach abgetragen. Den Bewohnern von Torotoro bleibt nur zu hoffen,
dass auf den darunterliegenden Schichten ebenfalls Spuren zum
Vorschein kommen werden. Dies hinsichtlich der Tatsache, dass fast
alle Einwohner vom Tourismus leben, als Führer, Fahrer, Hotel- oder
Restaurantmitarbeiter tätig sind. Entsprechend ist auch alles im Ort
auf Dinosaurier getrimmt, im kleinen Stadtpark sind sogar mehrere
riesige Dinosaurierfiguren aufgebaut.
Es ist schon sehr
eindrücklich, wenn man neben den teilweise riesigen Spuren steht,
und sich vorstellt, wie genau hier vor Millionen von Jahren diese
riesigen Tiere durchmarschiert sind.
Die Besichtigung der
Dino-Spuren ist zwar nicht gerade ein tagesfüllendes Programm,
trotzdem war es eine interessante Abwechslung, nach den ganzen
Inka-Ruinen der letzten Zeit. Und wir haben zuvor wirklich noch nie
Dinosaurierspuren gesehen, von daher eine „First-Time-Experience“.
Nach einem weiteren Mittagessen im Hotel ging es dann auch schon langsam auf den Rückweg nach Cochabamba, welcher dank unseres Chauffeurs und seinem riesigen Jeeps ziemlich angenehm verlief, trotz der Holperpiste, die sie hier „Strasse“ nennen.