Veröffentlicht: 07.03.2020
Morgens gibt's ein kurzes Fotoshooting am Wasserfall, dann machen wir uns auf nach Argentinien. Die Landschaft ist weitläufig und sehr dünn besiedelt, die Straßen sind schlecht. Da kann es schon mal passieren, dass man illegal aus Chile ausreist, weil man einen Grenzposten in einer quasi nonexistenten Stadt übersieht. Aber die argentinische Einreisebehörde hat uns nur nett darauf hingewiesen und zurückgeschickt. Wir haben die drei parkenden Autos und die auf einer Straßenseite geschlossene Schranke einfach nicht als offizielle Landesgrenze erkannt. Man ist zum Glück sehr nachsichtig mit uns dummen Touristen.
Auf der argentinischen Seite der Grenze beginnt der Spaß mit einer noch schlechteren Schotterpiste und viel Nichts drumherum. Da es so dünn besiedelt ist und nur alle paar hundert Kilometer ein Ort die Landschaft kurz unterbricht, muss man das Tanken gut planen und immer auffüllen, wenn es möglich ist. Zur Sicherheit haben wir noch 10 Liter Notbenzin dabei. Die erste Tankstelle in Argentinien ist tatsächlich nur ein kleines Wohnhaus mit einer Zapfsäule vor der Tür, und rundherum nur leeres Flachland.
Abends kommen wir in El Calafate an, einem touristischen Ort voller Konsumfallen, hippen Restaurants und Unterkünften. Hier gibt es wohl nur gähnende Leere oder Tourismus pur. Ich frage mich, wo und wie die Menschen von hier wohl leben. Der erste Stop im Ort ist eine Bank, damit wir Bargeld in Landeswährung haben. Das stellt sich jedoch als schwierig heraus, da es anscheinend einen Bargeld-Mangel gibt aktuell (oder immer?). Wir bekommen nur ganz wenig und für horrende Gebühren. Zum Glück kann man vielerorts mit Karte bezahlen. Im Supermarkt decken wir uns neu mit Obst und Gemüse, Bier und anderen Leckereien ein und suchen uns dann einen überteuerten Campingplatz, da wir eine Dusche nötig haben. Auf dem Weg wollen wir noch den Tank auffüllen, aber anscheinend fehlt es hier nicht nur an Bargeld, sondern auch an Benzin.
Vormittags haben wir das Campingplatz WLAN ordentlich ausgekostet, dann sind wir zum Nationalpark Los Glaciares aufgebrochen, in welchem sich der Perito Moreno Gletscher befindet. Nach einer Stunde Autofahrt hätten wir den Eintritt zum Park zahlen müssen, allerdings ist das Wetter am Nachmittag nicht wirklich toll und wir wollen doch einen guten Blick auf den Gletscher erhaschen. Deshalb drehen wir wieder um und suchen ganz in der Nähe einen Stellplatz im Freien. Hundert Meter neben der Straße, aber nicht von dort sichtbar, verbringen wir den Nachmittag und Abend ganz allein in einer beige-braunen, trockenen Steppenlandschaft. Wir haben eine entspannte Zeit mit Yoga, Spanisch lernen, lesen und den Wolken beim ziehen zusehen. Nachts gesellt sich noch ein zweites Auto dazu und wir haben einen netten Plausch bei einem Glas Wein mit dem deutschen Pärchen.
Unsere Nachbarn sind kurz nach Sonnenaufgang bereits aufgebrochen, während wir es etwas gemütlicher angehen lassen. Beim "Ausparken" aus dem Steppenstellplatz verfange ich mich, bzw. unseren Vorderreifen, allerdings erstmal in einem Loch, aus dem uns Ben heldenhaft befreien muss. Mit Hilfe der Fußmatte wird dem durchdrehenden Hinterreifen wieder Widerstand verschafft und wir kämpfen uns frei.
Im Nationalpark können wir fast bis an den Gletscher mit dem Auto heranfahren. Vom Parkplatz führt ein Netz an Holzwegen und Aussichtsplattformen dann bis auf wenige Hundert Meter an die Gletscherzunge heran und wir können sie von allen Seiten begutachten. Das tägliche Sportprogramm ist damit auch abgegolten, da wir zahlreiche Stufen auf den Holzwegen auf- und absteigen müssen. Die Gletscherwand türmt sich riesig vor uns auf und hat tiefe, furchterregende Furchen. Das Eis leuchtet weiß und strahlend blau und an manchen Stellen sieht man ein Marmormuster aus Ablagerungen. Immer wieder knarzt und kracht es so laut wie starker Donner, aber nur selten sieht man kleine Stückchen Eis abbrechen und ins Wasser stürzen. Die Stücke sind in Wahrheit aber gar nicht so klein und schlagen ordentliche Wellen. Die Größe der Eisbrocken verliert nur an Bedeutung vor der Mächtigkeit des Gletschers. Wir fühlen uns ganz klein.
Auf dem Rückweg am Nachmittag verbringen wir nochmal etwas Zeit in El Calafate und versuchen, mehr oder weniger erfolgreich, nicht den Konsumfallen zu verfallen. Danach geht es direkt weiter in den nächsten Ort, El Chaltén. Kurz vor Sonnenuntergang kommen wir dort an und schauen uns um. Der Ort ist kleiner, aber ähnlich auf Tourismus ausgelegt. Vor dem Ortseingang auf einem Parkplatz werden Camper geduldet, also gesellen wir uns zu ca. 10 weiteren Vans und wollen etwas warmes kochen. Allerdings ist der Wind auch hier wieder sehr kräftig und wirbelt zusätzlich noch eine ganze Menge Sand auf. Wir kochen also drinnen im Camper ein paar Nudeln mit Soße und fallen bald nach dem Essen sehr müde ins Bett.
Eigentlich wollten wir die etwas einfachere der zwei bekannten Wanderungen hier machen, fahren aber morgens leicht verpeilt zum falschen Parkplatz und machen doch die schwierigere, denn nochmal umparken wäre ja mit Aufwand verbunden. Heute geht es also auf dem Sendero Fitz Roy 9 km bisschen steil bergan und dann nochmal einen Kilometer sehr steil. Belohnt werden wir mit einem tollen Blick über einen blau-grau strahlenden Gletschersee auf den schneebedeckten Gipfel des Fitz Roy Massivs. Immer wieder zieht ein kalter Wind vorbei, aber die Sonne kämpft kräftig gegen die Kälte an, und wir sind ständig irgendwo zwischen schwitzen und frieren mit Gefahr auf Sonnenbrand. Der Weg ist gut besucht und wir müssen auf den schmalen Pfaden oft anderen Touristen ausweichen. Der Rückweg zieht sich und macht uns und unsere Füße müde.
Im Ort angekommen gibt's eine günstige warme Dusche in einem Campingplatz, dann geben wir einen Korb voll stinkender Outdoor-Klamotten in die Wäscherei. Danach nutzen wir eine Weile das gratis WLAN im Ort, wobei wir mit dem Auto am Straßenrand parken, Brotzeit machen und in unsere Handys gucken. Die Nacht verbringen wir wieder am selben Stellplatz, davor ist noch eine Runde Yoga für mich drin. Allerdings geht das heute sehr schwerfällig, da ich die letzten Tage unkontrolliert der Völlerei verfallen bin und mich deswegen nicht wirklich wohlfühle in meinem Körper.
Wir stehen zum Sonnenaufgang auf und werden prompt mit einem wunderschönen Blick auf den orange beleuchteten Gipfel des Fitz Roy belohnt. Früh geht es heute zum anderen Wanderweg, zur Laguna Torre, um den Touristenmassen zu entgehen. Der Weg ist eher flach, aber steinig, und führt durch Sand, Wald und ein Moor an einem Fluss entlang. Im Blickfeld ist immer der Cerro Torre - eine dünne, spitze Felsnadel, die einsam hoch in den Himmel ragt. Die Kulisse sieht aus wie ein Bob Ross Gemälde. Am Ziel ist wieder ein Gletschersee mit kleinen Eisbergen, welchen wir noch ein Stück umrunden für einen besseren Blick auf den Gletscher. Nach ein paar Fotos geht es auf dem selben Weg wieder zurück und dann zur Wäscherei, Wäsche abholen.
Auf unserem Weg treffen wir immer wieder die gleichen Autos und Menschen, da es hier im Prinzip nur eine Route gibt und alle entweder nach Norden oder nach Süden von Attraktion zu Attraktion fahren. Auch Tramper gibt es einige, also nehmen wir auf unserem Weg weiter nach Norden abends noch zwei mit und fahren bis in den Mini-Ort Tres Lagos. Hier gibt es kaum etwas zu sehen, aber eine Tankstelle und einen Geldautomaten. Die Nacht verbringen wir in einer Nebenstraße am Fluss.
Am Vormittag tanken wir hier nochmal voll, duschen in der Tankstelle auch gleich noch, besuchen erfolglos die örtliche Bank, und dann geht es mit drei sorgfältig gestapelten Trampern hinten drin für mehrere Stunden durch's Niemandsland. Hier ist tatsächlich einfach nichts, außer Steppe, Guanakos und einem Gürteltier. Die Tramper sind überglücklich, da sie schon drei Stunden erfolglos am Straßenrand gewartet haben. Eigentlich ist es viel zu eng und ungemütlich hinten auf den Holzbrettern, aber die Jungs richten sich ohne zu mucken ein und schlafen den Großteil der Fahrt. Ich nutze die Zeit zum lesen und Tagebuch schreiben, Ben ist heute mal wieder der Fahrer. Der Großteil des Weges ist grobe Schotterpiste, es ist laut und alle werden ordentlich durchgeschüttelt.
An einer Kreuzung mit einem 5-Häuser-Dorf lassen wir die Jungs raus, da wir die nächste Abzweigung Richtung Grenze nehmen wollen. So unscheinbar der Ort auch ist, es gibt eine Tankstelle und eine Werkstatt, die uns hilft, unsere defekte Glühbirne zu tauschen. Mangels Werkzeug können wir den Scheinwerfer nämlich nicht selbst ausbauen. Danach ist der Rest unseres argentinischen Bargelds weg, aber morgen geht es ja schon zurück nach Chile.
Nachdem wir mal wieder unser restliches Gemüse verkocht haben (Wraps mit Salat und Auberginen) geht es zum Sonnenuntergang Richtung Grenze, über weitere 70 km Waschbrettpiste. Es gibt einfach keine gute Geschwindigkeit, die das Rütteln irgendwie angenehmer macht. Das arme Auto.
Gestern Nacht haben wir kurz vor der Grenze nach Chile einen wunderschönen Stellplatz am Fluss gefunden, wo wir heute zum Sonnenaufgang aufwachen. Wir schauen uns noch ein wenig um und ich mache Yoga, dann fahren wir weiter Schotterpiste zum argentinischen Grenzposten. Wir unterbrechen den Beamten beim Mittagessen, er hält hier alleine die Stellung. Die Ausreise geht schnell über die Bühne. Das Niemandsland zwischen den Grenzposten zieht sich über 11 km und wird mit jedem Kilometer schöner. Die chilenische Grenze ist mit zwei Personen schon doppelt so gut besetzt, hier ist man sehr freundlich und hilfsbereit. Wir müssen unseren Ingwer abgeben, den haben wir nicht verbraucht. Wir hätten auch einfach lügen können, aber ich halte mich eigentlich schon gerne an die Regeln.
Auf der chilenischen Seite werden wir weiter durchgerüttelt, bis der Wagen nach einem Fotostop plötzlich stark nach rechts zieht. Der Reifen ist platt. Bis zum nächsten Ort sind es noch 70 km Schotterpiste und hier ist verdammt wenig Verkehr. Die zwei Autos, die vorbeifahren, bieten beide ihre Hilfe an. Aber wir bekommen den Reifenwechsel zum Glück selbst hin, auch wenn Ben unterdessen lauthals über den zu kurzen Wagenheber, die zu fest angezogen Schrauben und das schlechte Werkzeug fluchen muss.
Eine halbe Stunde später holpern wir weiter, gabeln noch eine Tramperin auf und landen in dem kleinen, ruhigen Örtchen Cochrane. Dort geht es direkt zur Gomeria für eine Reifenreparatur, da wir auf diesen Straßen nicht ohne Ersatzrad unterwegs sein wollen. Wir werden weitergeschickt, um einen neuen Reifen zu kaufen, da der alte Schrott ist. Im Reifenladen gibt es aber nicht die richtige Größe, also nehmen wir nach kurzem Hin und Her mit der Vermietung einen breiteren und lassen diesen in der Gomeria auf die Felge ziehen. Die Bank gibt uns schon wieder kein Bargeld und nach dem langen Tag heute liegen die Nerven ziemlich blank bei uns. Es hilft nicht, dass das ausgewählte Restaurant schlechtes und überteuertes Essen serviert, so fahren wir genervt zum Campingplatz im Ort. Die Besitzer sind freundlich und wollen uns direkt eine Babykatze andrehen, die uns schon über alles liebt - das hebt die Stimmung enorm. Wir kaufen noch Bier für Ben und süße Backwaren für mich, dann ist endgültig die Welt wieder heile.