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Rauf und runter auf der Carretera Austral

Veröffentlicht: 15.03.2020

Donnerstag, 05.03.2020

Wir lassen den Tag langsam starten und verlassen gegen Mittag den Campingplatz. Im Ort möchten wir einkaufen, da wir unsere Vorräte für den Grenzübergang ja fast vernichtet hatten. Es wäre aber zu einfach, alles im Supermarkt zu besorgen, der gleichzeitig auch Baumarkt und Elektronik-Geschäft ist. Also verbringen wir zwei Stunden damit, beim kleinen Bäcker Brot zu holen, beim Gemüsestand die frischen Sachen, bei einem kleinen süßen Laden Nüsse, Trockenfrüchte und Käse ohne Verpackung und den Rest bekommen wir in einem Minimarkt. Erschöpft setzen wir uns in ein Café, lassen uns mit leckerem Essen verwöhnen und machen ein bisschen Internet- und Fotokram.

Später geht es, wieder mit Trampern im Auto, zur Confluencia Río Baker, wo der genannte Fluss mit dem Río Neff zusammenfließt. Das ganze sieht super schön aus, da der breite, strahlend blaue Río Baker vorher noch kaskadenartig über viele kleine Wasserfälle an Höhe verliert. Ein Stückchen weiter in Puerto Bertrand schlagen wir unser Lager am Flussufer auf und lassen den Abend gemütlich ausklingen.

Freitag, 06.03.2020

Das leise, gemütliche Prasseln von Regen weckt uns am Morgen (nachdem ich den Wecker schon mehrfach gesnoozed habe). Das ist so lange schön, bis man aufstehen und pinkeln muss. Hilft aber nichts, also Regenjacke an und los. Zum Frühstück lässt der Regen netterweise kurz nach, dann ziehen wir weiter, mit neuen Trampern an Bord, nach Norden.

Der nächste Stop ist in Puerto Río Tranquilo, einem kleinen Örtchen am großen See. Der Wind geht allerdings wieder so stark, dass die Wellen den See aussehen lassen wir ein surfbares Meer. Von hier könnte man einen Bootsausflug zu den Marmorkapellen machen, allerdings ist uns das Wetter zu schlecht und Ben hat keine Lust auf das Geschaukel über die Wellen auf dem kleinen Motorboot. Vielleicht auf dem Rückweg. Wir schlendern ein wenig durch den ausgestorbenen Ort und machen dann Siesta im Van - es regnet.

Am späten Nachmittag geht's weiter nach Norden, auf dem Weg gabeln wir ein nasses, kanadisches Pärchen auf. Sie sind bereits 7 km mit Gepäck durch den Regen gelaufen und wollten gerade aufgeben und am Straßenrand ihr Lager aufschlagen. Wir unterhalten uns nett, da die meisten Tramper bisher nur wenig Englisch gesprochen haben und es so doch deutlich leichter fällt als auf Spanisch. Im nächsten Ort, Villa Cerro Castillo, ist es noch mehr ausgestorben, fast wie in einer Geisterstadt. Der Wind pustet uns kalten Regen ins Gesicht und wir wissen nicht, wohin. Bei dem Wetter macht das Draußenleben nicht mehr so viel Spaß. Wir beschließen, noch ein paar Kilometer weiter zu einem abgelegenen Campingplatz zu fahren und sind sehr glücklich mit der Entscheidung. Als einzige Gäste stehen wir zwischen Hühnern und Schafen und machen im kleinen Schutzhaus ein kleines Feuer. Durch den starken Wind verbrennt das Holz allerdings in Höchstgeschwindigkeit und die Wärme verfliegt direkt wieder. Wir kochen und essen eher schnell, dann geht es in den Schlafsack.

Die Nacht ist unruhig, weil es plötzlich unerwartet kalt ist. Trotz langer Unterwäsche, Socken, Schal und Stirnband bin ich die ganze Nacht am bibbern. Der nachträglich angezogene Fliespulli hilft etwas, mit so einer Kälte hab ich nicht gerechnet. Aber es könnte auch schlimmer sein. Das denken wir uns jedes Mal, wenn wir an den verrückten Fahrradfahrern vorbeifahren, die sich im Regen mit Gegenwind durch den matschigen Schotter bergauf kämpfen.

Samstag, 07.03.2020

Heute gibt's die Erklärung für die gestrige Kälte. In der Nacht hat es auf dem Hügel nebenan, nur wenige hundert Meter über uns, geschneit. Die Gastgeberin des Campingplatzes bestätigt, dass es der erste Regen und Schnee seit langem hier ist. Wir verbringen den Morgen in der beheizten Gaststube mit unserem ersten Mate und hausgemachtem Kuchen. Das Mate Trinken hat hier viel Tradition und die meisten Locals laufen ständig mit ihrem Mate-Becher und einer Thermoskanne herum. In dem Becher steckt ein Metall-Strohhalm und ein Haufen Mate-Blätter, welche vorsichtig mit dem heißen Wasser aus der Thermoskanne immer wieder aufgegossen werden. Man rührt nicht um, sondern trinkt den Tee mit dem Strohhalm einfach von unten leer. Am Anfang ist dieser recht bitter, mit jedem Aufguss wird er aber milder und somit leckerer. Zum dauerhaften Mate-Trinker werden wir denke ich aber nicht. Dann geht es wieder weiter nach Norden.

Der nächste Stop ist der größere Ort Coyhaique, durch dessen Zentrum wir mehrmals hin und her laufen. Wir tappen auch wieder in die attraktiv gestellten Konsumfallen und kaufen schöne Alpaka-Strickpullis (hoffentlich echt) und Outdoor-Kram im Patagonia-Outlet. Dann gibt's einen köstlichen Veggie-Burger an der Straße und neue Lebensmittel im Supermarkt. Jedes Mal erschrecken wir wieder über die Preise für Lebensmittel. Es ist bewölkt und nieselt gelegentlich.

Am späten Nachmittag geht es weiter, in der Stadt wollen wir nicht bleiben. Für eine Weile haben wir mal wieder eine Teerstraße, was super angenehm ist. Hinter Coyhaique geht es allerdings wieder mit Schotter und einer ewig langen Baustelle weiter. Wir gabeln zwei Chilenen auf und nehmen sie für ca. drei Stunden mit, bis sich unsere Wege an einer Kreuzung trennen. Es regnet viel und bei Dunkelheit ist es zusätzlich unangenehm, sich durch die kurvigen Straßen zu schlängeln. Mit den Jungs können wir uns nett unterhalten und sie zeigen uns gute chilenische Musik. Wir schlafen diesmal unromantisch auf einem Parkplatz am Straßenrand, da sich keine bessere Möglichkeit in der Nähe bietet, haben aber eine ruhige Nacht.

Sonntag, 08.03.2020

Die Heckklappe ermöglicht uns trotz Regen ein Frühstück, dann geht es weiter über rutschige, löchrige Schotterserpentinen. Ziel ist der kleine Ort Puyuhuapi am Meer. Es wirkt jedoch eher wie ein See, da sich davor noch eine gewaltige Insel befindet und die Sicht versperrt. Mittags sehen wir uns im Ort um und flanieren am Ufer entlang, kaufen Semmeln in einem Privathaus (das macht man hier so) und suchen uns dann den gemütlichsten Campingplatz. Der Rest des Tages wird ordentlich verplempert mit Internet, im Van rumliegen und einfach mal nichts tun.

Montag, 09.03.2020

Wir haben die Ruhe wohl mal dringend nötig und lassen auch den heutigen Tag sehr langsam beginnen. Nach ausgiebigem Frühstück raffe ich mich zum Yoga auf, denn auch wenn es mir sehr Spaß macht und gut tut muss ich mich jedes Mal wieder überwinden und mir selbst in den Hintern treten. Danach geht es in den Nationalpark Queulat für eine kurze Wanderung zu einem Hängegletscher - also ein Gletscher, der hoch oben am Berg abrupt endet und mit einem langen Wasserfall seinen Weg ins Tal beendet.

Es sieht schon beeindruckend aus, aber für uns ist eher die lange Hängebrücke auf dem Weg interessant. Zum einen ist sie wesentlich fotogener, zum anderen glaube ich, dass Brücken eine magische Anziehung auf uns Menschen ausüben. Ich denke, es liegt in der Natur des Menschen, sich weiterzuentwickeln und über Grenzen hinauszuwachsen. Außerdem schaffen Brücken eine Verbindung zu bislang unbekannten Orten und Menschen, was unsere angeborene Neugierde befriedigt.

Eine Minute vor Parkschließung fahren wir durch die Schranke und tuckern noch ein Stück weiter nach Süden auf einen schönen, ruhigen Stellplatz am Fluss, weit abseits der Hauptstraße. Puyuhuapi war leider unser nördlichster Umkehrpunkt, denn wir müssen den Mietwagen wieder zurück nach Punta Arenas bringen. Ab jetzt geht es also auf der fast gleichen Route wieder zurück.

Dienstag, 10.03.2020

Den heutigen Tag haben wir wieder in Coyhaique verbracht, wo Ben sein erstes Ceviche probieren kann. Für mich gibt es Pizza. Auf der Weiterfahrt fallen wir beide in ein ziemliches Fresskoma und steuern den nächstbesten Stellplatz an einem nahegelegenen See an - Lago Paloma. Dort können wir direkt am Ufer stehen, außer uns sind nur ein paar Angler da. Wir sind recht beeindruckt von den gewaltigen, steilen Felswänden, die den See umranden. Damit haben wir nicht gerechnet. Nachdem die Angler alle abgezogen sind haben wir den See ganz für uns alleine, spielen ein bisschen Ukulele und lesen. Leiser Regen prasselt uns in den Schlaf, die Nacht ist angenehm warm.

Wir sind sehr fasziniert von der Landschaft in Patagonien, und auch die Menschen haben uns bisher positiv überrascht. Wir können uns gut vorstellen, nochmal mit dem eigenen Auto zu kommen und uns mehr Zeit zu nehmen. Allerdings freue ich mich auch wieder ein bisschen auf den anderen (Allein-)Reisemodus, da wir so fast immer unter uns bleiben, und keine Verbindungen zu anderen Menschen aufbauen.

Mittwoch, 11.03.2020

Der See zieht mich irgendwie magisch an, ich muss da rein. Da es morgens aber doch noch recht kühl ist, wärme ich mich mit ein paar Schritten laufen auf. Und dann wage ich mich ins kühle Nass. Ein paar Züge schwimmen, dann muss ich für Ben's Fotografie wieder auf Steine klettern und von eben diesen runterspringen. Das Wasser ist kalt, aber nicht eiskalt. Der Wind draußen ist fast schlimmer. Das mit dem reinspringen bereitet mir auch mehr Probleme als gedacht. Als Kind habe ich den Hechtsprung nie so recht gelernt und hatte immer Angst vor hohen Sprungbrettern. In diesem Wissen habe ich letzten Sommer ein paar mal an meinem Hechtsprung gearbeitet, allerdings nur auf niedrigen Stegen. Der Stein ist fast zwei Meter hoch und mein Kopf blockiert. Er lässt mich da einfach nicht kopfüber runterspringen. Ich mache erstmal eine Arschbombe, das geht. Dann noch zwei klägliche Versuche für einen Hechtsprung, aber ich fühle mich technisch zu unsicher und habe Angst vor einem Bauchplatscher. Ein bisschen hat mich dieses Gefühl des nicht-Könnens überwältigt. Ein ähnliches Gefühl habe ich beim Klettern in schwierigen, exponierten Passagen oder beim Sturztraining. Ich möchte das in Zukunft durch bessere Technik und mehr Übung bekämpfen, denn so handlungsunfähig fühle ich mich gar nicht gerne.

Mit der Heizung auf Vollgas fahren wir weiter nach Puerto Río Tranquilo und überlegen hin und her, ob wir uns die Marmorgebilde per Boot oder Kayak ansehen, die der See mit dem Wind in die Felswände gearbeitet hat. Letzten Endes fahre ich alleine mit dem Boot (mit anderen Touristen, aber ohne Ben), da er Angst vor der Seekrankheit auf dem kleinen Motorboot hat. Kayakfahren wäre erst morgen wieder gegangen, allerdings bei 5°C und Regen. Ich schieße ganz viele Fotos für Ben und unterhalte mich mit den deutschen Mitfahrern. Ein bisschen für sie übersetzen kann ich auch, der Guide spricht nämlich nur Spanisch. Die Witterung hat über Millionen von Jahren schöne Kapellen und Tunnel in den Marmorfels gefressen, wir fahren mit dem Boot ganz nah ran und können die Formationen sogar anfassen. Ansonsten ist das eine sehr touristische Angelegenheit. Aber wir haben Glück mit der spärlichen Besetzung auf unserem Boot (6 Gäste). Die anderen Boote, die uns begegnen, sind mit 10-20 Gästen wesentlich voller. 

Antworten (1)

Alfred
Liebe Lena, ... ich bin zunehmend beeindruckt mit welcher Ausdauer du seit Monaten deine sehr interessant geschrieben Reisebericht postest und deine Freunde an der Reise teilhaben lässt! Dafür von mir auch mal ein herzliches Danke... und ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich diesen Dank auch für andere ausspreche von denen ich weiß, dass sie deine Reiseberichte ebenfalls mit großer Begeisterung lesen. Also, no obligation, aber wenn's geht, gerne weiter so... Bleib gesund Al

Chile
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