Veröffentlicht: 05.03.2020
Die erste Fahrt verschlägt uns nach Puerto Natales - einer kleinen, etwas touristischen Stadt, in der es sehr windet. Nicht viele Leute sind unterwegs, aber die Stimmung ist eigentlich ganz nett. Wir gönnen uns ein paar köstliche Empanadas, ein Bier und eine Basilikum-Limo und machen schöne Fotos. Auf der Weiterfahrt nehmen wir zwei junge Chilenen mit bis zum nächsten Ort, denn ich möchte anderen Trampern auch ein bisschen was zurückgeben, wenn ich kann. Dann fahren wir weiter bis in den Nationalpark Torres del Paine, wo wir zum Einbruch der Dunkelheit ankommen. Am Straßenrand sehen wir gelegentlich ein paar Flamingos, die in dreckigen, flachen Tümpeln rumstehen.
Es ist alles ein bisschen unübersichtlich, wo man was zahlt, wo wir hinfahren dürfen und wo die Wanderungen starten. Außerdem ist der Eintrittspreis enorm. Für stolze 33 USD pro Person dürfen wir nun drei Tage lang durch den Nationalpark laufen. Wir parken am Welcome Center, wo es Toiletten gibt und hoffen, dass uns hier nachts niemand verscheucht. Denn offiziell darf man nur auf den ausgewiesenen Campingplätzen übernachten, welche aber rar und ebenfalls teuer sind. Wir haben aber Glück und eine ruhige, entspannte Nacht.
Nach einem ausgiebigen Frühstück machen wir die bekannteste Wanderung im Park, zur Basis der drei Türme. Der Anstieg ist lang, anstrengend und windig, aber schön. Am Ende befindet sich ein Gletschersee zwischen rauen Steinen mit Blick auf die Granittürme, welche sehr an die drei Zinnen in den Dolomiten erinnern. Hier kann man sich aber wegen dem kalten, peitschenden Wind nicht lange aufhalten. Der Rückweg zieht sich ganz schön und am Ende sind wir beide recht platt, mit schmerzenden Füßen und müden Muskeln. Außerdem hungrig, also wird erstmal ordentlich gekocht. Der Innenausbau des Campervans hat sich bisher gut bewährt, alles ist recht praktisch und einfach zu benutzen. Wir sind sehr froh, hier so viele Avocados ohne schlechtes Gewissen essen zu können, da diese nicht von weit her importiert werden müssen.
Am Anfang war es tatsächlich für mich sehr ungewohnt, ständig wieder jemanden um mich zu haben, mit dem ich alle Entscheidungen teilen muss. Ich habe das alleine Reisen und meine Freiheit die letzten Monate sehr genossen, auch wenn ich selten tatsächlich alleine war. Und verändert hab ich mich natürlich auch, also ecken Ben und ich ein bisschen aneinander an und sind viel am diskutieren. Nach den ersten paar Tagen sind wir aber größtenteils wieder in einen gewohnten Rhythmus und in alte Strukturen gefallen. Ich versuche dennoch, die Veränderung und Freiheit weiterhin zu leben und mich von den alten Mustern, die wir über Jahre entwickelt haben, nicht so sehr leiten zu lassen.
Abends fahren wir weiter zum nächsten Stellplatz, ein Parkplatz an der Laguna Azul. Auch hier müssen wir nichts zahlen und haben einen super Ausblick. Der Nationalpark ist wirklich schön, allerdings waren andere Nationalparks nicht weniger schön, aber wesentlich günstiger im Vergleich. Am Straßenrand sehen wir viele Guanakos und sowas wie kleine Strauße - nennt sich Nandu.
Heute machen wir keine große Wanderung, sondern nur einen gemütlichen Spaziergang entlang der Lagune. Davor bin ich aber brav und mache ein bisschen Yoga, da das einfach immer wahnsinnig gut tut und es heute nicht ganz so kalt und windig ist. Die Landschaft ist atemberaubend, rau und mystisch, mit wehenden Gräsern vor knorrigen Baumsilhouetten, daneben der hellblaue See mit Windwellen wie auf dem Meer. Im Hintergrund ist immer der vergletscherte Cerro del Paine und die drei massiven Türme aus Granit zu sehen, die Spitzen sind heute allerdings in dichten Wolken versteckt. Ich kann es nicht lassen und gehe verbotenerweise für ein paar Minuten in der Lagune baden. Eisbaden ist es nicht, dafür ist sie zu warm, aber sehr erfrischend.
Nach der Wanderung gibt es was zu essen und eine gratis warme Dusche im Campingplatz nebenan. Um ein bisschen aus dem Wind rauszukommen, gönnen wir uns im kleinen Kiosk noch einen Muffin und ein Stück Kuchen. Es ist fast niemand hier, weder zum Camping noch zum Sightseeing, so haben wir es am liebsten.
Abends sind wir in den südlichen Teil des Nationalparks gefahren und haben uns auf dem Weg an ein paar sehr windigen Fotostops fast wegpusten lassen. Geschlafen haben wir wieder umsonst auf dem Parkplatz eines Welcome Centers, wobei uns der Wind nachts ordentlich geschaukelt hat. Leider herrscht ein bisschen Stunk zwischen uns, ein Wiedersehen nach einer so langen Trennung bringt eben doch viele Gefühle zum Vorschein und wirft auch ein paar Fragen auf. Aber da müssen wir durch.
Das Wetter passt zur Stimmung. Es regnet leicht und eiskalter Wind peitscht uns um die Nase, während wir schweigend zum Aussichtspunkt auf den Gletschersee Lago Grey spazieren. Die leuchtend blauen Eisberge, die vor einer Weile von der Gletscherzunge abgebrochen sind, stehen in starkem Kontrast zum Grau des Himmels und des Sees. Auf dem Rückweg kommen wir gegen den nassen Wind kaum an und setzen uns bis auf die Unterwäsche durchnässt ins Auto für die Weiterfahrt. An die Regenhose hat natürlich niemand gedacht.
Am Nachmittag kommt langsam die Sonne raus und eigentlich ist alles wieder beim Alten. Wir kennen uns halt doch sehr gut und fallen schnell wieder in einen angenehmen Rhythmus des Zusammenlebens. Die Kunst wird jetzt, die Freiheit im Denken und Fühlen, die ich auf dieser Reise kennengelernt habe, auch in einem Leben zu zweit beizubehalten.
Wir suchen uns einen schönen Schlafplatz in der Pampa, direkt neben einem Wasserfall, und haben abends noch entspannt Zeit zum kochen, lesen und Ukulele spielen. Weil wir über die Grenze keine frischen Lebensmittel nehmen dürfen, verkochen wir noch schnell das übrige Gemüse. Da es sich hauptsächlich um Zwiebeln handelt, gibt es eine stark knoblauchige Zwiebelsuppe, die wir am nächsten Tag vielleicht ein bisschen bereuen werden.