"Oh What A Circus"

Lange Spaziergänge zwischen den teilweise recht weit von einander entfernten Stadtquartieren gehörten zum Tagesprogramm. Abends ging's zumeist ins Ausgeviertel Palermo, wo bei Pizza und Fernet Branca der italienische Einfluss besonders spürbar war. Tagsüber dann wieder ins historische Stadtzentrum bis die Füße qualmten. Zwischendurch Hostelwechsel, mit Sack und Pack, oder Schlange stehen für "blue chip" Dollar. Und sollte man seinen Reisepass im Hostel vergessen haben, wurden Extrarunden gedreht. Außerdem sollte man auch die nächsten Reiseziele im Auge behalten, also Zwischenstopp am Fährterminal, um die Tickets für die Überfahrt nach Uruguay zu organisieren. Positiver Stress, den ich genoss, denn ich hatte das Gefühl, alles im Griff zu haben.

Unterbrochen wurde mein argentinischer Alltag durch den Ostersonntag. Es fügte sich, dass ich mir für den Sonntag rein gar nichts vorgenommen hatte. Das Wetter war verhalten wolkig und ich konnte erstmals seit Tagen in meinem Bett ausschlafen. Kaffee trinkend schlenderte ich entlang geschlossener Geschäfte. Ein Gefühl, sich aller Aufgaben entledigt zu haben, erfüllte mich und meine Gedanken flogen an diesem herbstlichen Ostersonntag in Richtung Heimat. Schon seltsam. 

Und trotzdem blieb genügend freie Zeit, dass sich Routine einstellte. Dabei klammerte ich mich an Stammeinrichtungen: mein Lieblingsfrühstückscafé, meine Lieblingsempanadabude und eine Restobar im Theaterviertel. An dieser Stelle sei die fantastische lokale Wortschöpfung "Restobar" hervorgehoben, in der so viel traute Heimeligkeit mitschwang.

Bei meinem Lieblingsfrühstückscafé handelte es sich um ein amerikanisches Lokal mit Spezialisierung auf Burger, Omelettes mit Bacon und Pancakes. Ausgeschmückt war der Laden mit Sportwimpeln, Nummernschildern und zwei extragroßen TV-Bildschirmen. Ein Monitor übertrug Sport, auf dem anderen liefen Nachrichten, was hin und wieder zu absurden Kombinationen führte: Basketball, Kaffee und Eiertoast, dazu Krieg in der Ukraine. Oder: French Toast mit Sirup, Amoklauf in New York und Frauenförderung im Spitzensport. Besser ließ sich Amerika für Außenstehende nicht zusammenfassen ... Mein Rückflug ging nächste Woche von New York.

Zeit für Nachrichten, Ostergrüße aus Deutschland und die freie Zeit, welche die Umtriebigkeit des Rucksackreisens ausklammerte, meine Auszeit neigte sich unweigerlich ihrem Ende zu.