Veröffentlicht: 05.03.2022
Karibische Trägheit, tropische Melancholie oder schlicht Schwermut unter Palmen, selten war ich so antriebslos unterwegs wie in diesen Tagen. Selbst diese wenigen Zeilen rangen mir viel Überwindung ab. Anfangs war ich der Überzeugung, dass sich Körper und Gemüt lediglich anpassen müssten. Jetzt nach fünf Tagen an der kolumbianischen Karibikküste hing ich noch immer herum, in Hängematten, auf Poolliegen oder jedweder Sitzgelegenheit, die zum längeren Verweilen einlud.
Temperaturen im mittleren 30stelligen Bereich bestimmten das Tagesgeschehen. In Cartagena konnte ich mich an meinem zweiten Tag erst gegen Mittag aufraffen. Eine halbe Stunde zielloses Umherwandern und ich flüchtete mich ins Mittagessen, zu mehr reichte meine Motivation nicht. Und für mehr als eine richtige Mahlzeit am Tag reichte mein Appetit nicht.
Nachmittags hatte ich mich für einen zweiten Stadtrundgang durch das Viertel Getsemani angemeldet. Anders als das historische Zentrum Cartagenas war Getsemani etwas chaotischer, weniger perfekt. Graffiti, Straßencafés und Farbe auf verfallenden Fassaden versprühten Kreativität und Charakter. Höhepunkt der Tour war der Besuch im sehr bescheidenen Stadtpark, der durch ein einzigartiges Ensemble freilebendender Wildtiere bestach: Leguane, Faultiere, Äffchen, Papageien, Geier und sogar ein rotes Eichhörnchen!! Cartagena ließ wirklich kein karibisches Klischee aus.
Den Abend verbrachte ich wieder in meinem Hostel. Die Schwingungen erinnerten mich an Merida auf Yucatan. Zahlreiche Gäste aus Deutschland, die eher auf Premiumurlaub in Costa Rica oder Panama eingestellt waren. Wenig Soloreisende, viele Jüngere, Gruppen, Paare, eine Stimmung wie auf einer Klassenfahrt für Bessergestellte. Ich freute mich auf die Weiterreise.
Freitag ging es dann entlang der Küste nach Santa Marta im Osten. Ich genoss die vierstündige klimatisierte Busfahrt und ließ mich mit Musik und Serien vom Mobiltelefon berieseln, hin und wieder döste ich weg. Den Nachmittag in Santa Marta verbrachte ich mit Günes, den ich nach Guatemala in Cartagena wieder getroffen hatte. Außerdem riss ich mich soweit zusammen, dass ich die freie Zeit in meine Online-Sprachkurse investierte, bevor ich noch einmal in eine Bar aufbrach. Es war schließlich Freitagabend.