Veröffentlicht: 11.01.2023
21.06.22
Wir starten bei trübem Wetter und Nieselregen in Gortahork bei 14 Grad, fahren südlich um den Glenveagh Nationalpark, kommen entlang einer hübschen Kirche, machen einen kurzen Fotostopp und folgen einer Landstrasse nach Großbritannien.
Es gibt nicht einmal eine Grenzmarkierung, ein Schild oder ähnliches, als wir offenbar die Grenze passiert haben. Anhand der Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30, erahnen wir, dass wir nun im Land von Meilen, Fuß und Pfund sind. Die Tankstellen zeigen die Preise in Euro und Pfund.Die Geschichte des Bloody Sunday war der hauptsächliche Grund unseres Besuchs.
Am 30.1.1972 erschossen britische Elitesoldaten eines Fallschirmregiments und andere Soldaten der britischen Armee 14 Menschen, die an einen Friedensmarsch teilnahmen. Unter den Getöteten waren 7 Kinder unter 20 Jahren, da der angemeldete Marsch bekannterweise ohne Beteiligung der IRA stattfand, was den friedlichen Charakter der Demonstration begründete. Wenngleich kein Soldat verletzt oder von einer Kugel getroffen wurde, hat die britische Armee über Jahrzehnte behauptet, die Opfer wären "gunmen and bomber".
Die Menschen wurden in den Rücken oder Kopf geschossen und im Museum of free Derry sind die Jacken der Opfer zu sehen. Es ist unfassbar, dass es in Anschluss 38 Jahre gebraucht hat, dass die Hinterbliebenen und Verwundeten durch die Instanzen erreichten, dass im Oberhaus David Cameron zugab, dass das Militär falsch gehandelt habe und alle Opfer unschuldig und unbewaffnet waren.
Dies hatte eine langwierige Untersuchung ergeben und war ein wesentlicher Teil der Bemühungen der Angehörigen über Jahrzehnte.Eine Verfolgung der Morde durch die Justiz ergab eine Anklage gegen einen Soldaten wegen 3fachen Mordes und mehrfachen versuchten Mordes, wurde aber eingestellt und so bleiben die Morde bis heute ungesühnt. Das Museum ist genau dort, wo die Geschehnisse stattfanden und wo mehrere Menschen erschossen wurden.Sehr betroffen verlassen wir das Museum und sehen uns noch die Memorials und etliche Wandgemälde an den benachbarten Häusern an, vor denen vor 50 Jahren Menschen völlig sinnlos und auf Befehl ermordet wurden.
Überall finden sich Tafeln, die die Geschehnisse dokumentieren. Es ist sehr bedrückend und wir fragen uns, warum diese Stadt zu Großbritannien gehört und nicht zur Republik. Die Briten haben hiermit einen Standpunkt dokumentiert, den Sieg der Unionisten (Königstreuen/Protestanten) über die irischen Katholiken, deren Unterdrückung schon hunderte Jahre andauerte, inklusive der Aberkennung von Grundrechten, Wahlrecht etc. Für diese Rechte gingen die Menschen immer wieder auf die Straße, wurden mit Tränengas und Gummigeschossen von der Polizei und später der britischen Armee beschossen, bis zu diesem schicksalhaften Sonntag, 30.1.1972, der als Bloody Sunday in die Geschichte Irlands eingegangen ist.
Nachdem uns eine nette Frau ihr nicht genutztes Parkticket geschenkt hat und wir damit den Museumsbesuch abdecken konnten, finde ich beim Zurückkommen ein anderes Ticket, das noch 50min gilt. Wir laufen durch die Stadt, zufällig offenbar in die richtige Richtung der Altstadt und sind sehr angetan von der Stadt mit vielen netten, kleinen Läden, typisch britischen Briefkästen und Doppelstockbussen.
Wir finden die alte Stadtmauer, von der man einen schönen Blick hat auf typisch englische Häuser. Eine alte Kirche, St. Columba ist von außen schöner als von innen ist.
Wir laufen zum River Foyle, wo die Peace Bridge versucht seit 2011 das zu verbinden, was doch sicher schwer zu verbinden ist. Der protestantische Stadtteil Waterside der für die Krone agierte und die Bewohner Unionisten waren und den katholischen Stadteil Bogside, der die Altstadt beherbergt und wo die Unruhen und Auseinandersetzungen stattfanden.
Hier gründete sich die IRA, hier gingen die Menschen für ihre Rechte auf die Straße, die man ihnen schon vor Jahren aberkannt hatte, in mieseste Behausungen zwang, das Wahlrecht entlang, da dies nur Hausbesitzern und Firmeninhabern vorbehalten war. Wer eine Firma besaß, hatte gleich mehrere Stimmen. Die katholische Mehrheit wurde trotz der Anzahl der Menschen durch Manipulationen von Wahlen immer unterdrückt und die Minderheit der Unionisten/Protestanten regierten in Derry.Die Stadt heißt eher in Großbritannien Londonderry, in Irland und unter der katholischen Mehrheit der Stadt Derry.
Unsere restliche Fahrt führt immer nach Norden. Über eine Brücke erreichen wir die Halbinsel Inishmore und dort in Ballygorman den nördlichsten Punkt unserer Reise und fast den nördlichsten Punkt Irlands: Malin Head.
Hier wollte ich zur Sommersonnenwende sein und den längsten Tag des Jahres erleben. Wir haben hier ein abgelegenes Ferienhaus gemietet, das tatsächlich riesig ist, drei Schlafzimmer, zwei Bäder ein gemütliches Wohnzimmer hat (den Fernseher kriegen wir nicht zum Laufen und auch Internet ist hier nicht wirklich stabil). Das Esszimmer hat einen Ofen und die Küche ist super ausgestattet. Die Terrasse wäre theoretisch für das von mir erträumte Glas Wein um Mitternacht ideal, wenn die Temperaturen nicht eher knapp über 10 Grad lägen und aber auch gar nichts reizt, draußen zu hocken.
Das Wetter ist jedoch so herbstlich, dass wir nach einem kurzen Bummel in Malin Head beim Aussichtspunkt rasch abdrehen und uns eins der wenigen Restaurants in der Nähe suchen.