Veröffentlicht: 01.11.2025
Gestern hat es den ganzen Tag geregnet, das war auch vorhergesagt, und so hatte ich geplant, nach Arashimaya im Westen von Kyoto zu fahren und dort das große und sehr vielseitige Onsen zu besuchen. Glücklicherweise hatte ich vorher noch die glorreiche Idee, die live Webkamera vom Fuji anzuklicken wie jeden Morgen, und die dazugehörige Wettervorhersage zu studieren.
Zu meinem maßlosen Schrecken sah ich, dass genau an den Tagen, an denen ich eigentlich hinfahren wollte, einmal Nachtbus hin, eine Nacht dort und dann Nachtbus zurück, alles voller Regenwolken sein wird, null Sicht!
Fuji-san ist ja launisch bekannterweise und zeigt sich nur sporadisch, man muss wirklich Glück haben, wenn man ihn in seiner vollen Pracht und Größe bewundern möchte.
Also beschloss ich schweren Herzens, die beiden Busfahrkarten, die schwer zu ergattern sind und die ich vor Monaten gebucht hatte, und mein Zimmer zu canceln und machte mich auf die Suchen nach einem anderen Time Slot in meinem Reiseplan.
Dann fiel mir aber ein, dass das ja schwachsinnig wäre, weil dasselbe ja im weiteren November jederzeit noch einmal passieren könnte, und beschloss spontan zu sein: Am kommenden Montag und Dienstag sollte die Sonne strahlen! Umplanen ist aber leichter gesagt als getan! Das Hostel hatte glücklicherweise noch ein Bett frei, aber die Busse waren natürlich restlos ausgebucht. Bei einer anderen Busgesellschaft fand ich endlich für die Rückfahrt wenigstens noch einen Platz und beschloss, dann direkt zum Hauptbahnhof zu fahren, wo auch einige der Busgesellschaften einen Schalter haben, und nach Resttickets zu fragen.
Alle waren auch wirklich sehr hilfreich und gaben sich große Mühe, mir zu helfen, aber es war wirklich nichts zu machen, und so beschloss ich, in den sauren Apfel zu beißen und ganz früh am Morgen am Montag mit dem Hochgeschwindigkeitszug Shinkansen zum Fuji zu fahren, was mir zwar einen halben Tag klaut, aber wenigstens kann ich ihn (hoffentlich) nochmal sehen.
Der Bahnhof und das ganze Eisenbahnsystem in Japan sind sehr verwirrend, der Shinkansen nach Tokio fährt alle 3 Minuten, Unmassen von Menschen drängeln sich auf den Bahnsteigen und ich habe höllische Angst, dass ich meinen Zug nicht rechtzeitig finde, aber das Risiko musste ich nun eingehen, weil ich diesen Vulkan einfach zu heiß liebe, als dass ich diesen Ausflug hätte ausfallen lassen können.
Das ganze Unternehmen hatte mich schon einen halben Tag gekostet, aber dann machte ich mich, immernoch im strömenden Regen und ohne Schirm, auf zum Onsen Tenzan-no-Yu.
Diese Anlage ist sehr fein und traditionell, man wird am Eingang gefragt, ob man eine Tätowierung habe, denn dann wird man leider nicht reingelassen. Andere Onsen sind inzwischen in dieser Hinsicht nicht mehr so streng, aber Tattoos werden hier oft noch mit der organisierten Kriminalität und japanischen Mafia in Verbindung gebracht und als bedrohlich empfunden.
Die Anlage ist riesig. Es gibt 13 verschiedene Bäder, eines mit naturtrübem chloridhaltigem Thermalwasser aus 1200m Tiefe, das gegen alle möglichen Arten von Zipperlein wie Insomnia, Hexenschuss, Stress, Verspannungen, Hypermobilität und vielem anderen helfen soll. Man sitzt entspannt in einer Art Felsenhöhle im etwas über Körpertemperatur warmen Wasser, das kleine Waschhandtuch auf dem Kopf, und schließt genüsslich die Augen, während die kühleren Regentropfen etwas von der Seite hereinwehen.
Die anderen Becken und großen Badewannen aus Marmor oder in sehr heißem Feuer gebrannter Keramik, Aluminium oder Porzellan sind mit normalem Kyoter Wasser gefüllt, alle in angenehmen Temperaturen, so dass man sich ohne Weiteres bis zu 30 Minuten lockern und entspannen kann.
Am besten gefallen mir die vier flachen Becken, so groß wie ein Einzelbett, die draußen an der frischen Luft in den Boden eingelassen sind. Hier streckt man sich lang aus (man kann sich gar nicht vorstellen, wie bequem Steinkissen sind!) und liegt dann bis auf halber Höhe, etwa 15cm, im warmen Wasser, während der Rest oben gekühlt wird. Komischerweise ist einem dabei überhaupt nicht kalt!
Eine der runden Wannen aus Aluminium sprudelt wie warmes Mineralwasser, ich habe nicht herausbekommen, woher die bubbles kamen! Es gibt ein Kaltbecken, mehrere große Wassermassage-Pools, stille Warmwasserbasins mit Bänken, bequeme Liegestühle zum Ausruhen und dann die zwei hochinteressanten Saunas: Die eine ist eine Art Russisch-römisches Feuchtbad mit einem großen Salzfass in der Mitte, aus dem man sich fäusteweise grobes Salz holt und in den Körper einmassiert, was sehr angenehm kratzt. Das Salz schmilzt dann auf der Haut und wird zum Schluss mit lauwarmemWasser aus einem Bottich an der Tür und großen Schöpfkellen abgespült. Danach hat man eine Haut wie ein Baby.
Die andere Sauna ist riesig, eine Art Amphitheater, natürlich elektrisch, man sitzt auf breiten Bänken, die mit einer Art Schaumstoffauflage weich gemacht sind, und starrt in den großen Flachbildfernseher, von denen es auch über den Pools einige beinahe in Kinoleinwandgröße gibt.
Hier treffen sich ständig Xi und Trump, gewinnend lächelnd und selbstzufrieden, und diese unsägliche neue japanische Premierministerin vollführt neckische Tanzschrittchen, um Donald zu zeigen, wie toll sie ihn findet. Das alles in unendlichen Wiederholungen, nur unterbrochen von Berichten über den Schwarzbären, der vorgestern in Tokio in eine Grundschule eingebrochen ist (durch die Glastür und glücklicherweise nachts) und Tipps, wie man sich verhalten soll, wenn man einen Bären trifft: Man soll mit leeren Plastikflaschen ohne Korken knistern!
In der Sauna wird alle zwei Stunden eine Aufguss-Zeremonie durchgeführt: Zwei junge Frauen in voller rot-schwarzer Uniform mit dicken Saunahüten auf dem Kopf sprühen Wasser aus einer roten Gießkanne über die Steine unter vielen Verbeugungen. Dann greifen sie zu großen roten Fächern und schwingen die in drei Richtungen, erst über den Ofen, dann zur Seite und dann Richtung Publikum. Danach kommen sie dann zu jedem Einzelnen und befächeln einen zehn mal direkt, das ganze zweimal. Dann Wieder Verbeugung und zehnmal „arigatogozaimasu“ (sehr vielen Dank).
Leider goss es immernoch auf dem ganzen Nachhauseweg und ich kam pitschnass und mit sehr laufender Nase in meinem Gästehaus an, mit dem Ergebnis, dass jetzt leider das Fieber etwas steigt und ich heute im Bett bleiben muss, morgen vielleicht auch noch, denn am Montag um 6 muss ich wieder fit sein, um zum Fuji zu sausen.
Also ist jetzt erstmal Pause mit der Berichterstattung.