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6. Ausflug zum Koli von Japan oder : Schon wieder ne fast-Katastrophe

Veröffentlicht: 03.11.2025

Nachdem ich zwei Tage mit furchtbarem Schnupfen und Husten artig auf dem Futon gelegen habe, mache ich mich am Morgen fieberfrei morgens um sechs auf, um zum Koli von Japan zu fahren. Für meine nicht finnischen Freunde: Der Koli ist der einzige Berg (na ja, sagen wir Anhöhe) in Nordkarelien und wird gerne als „Nationallandschaft“ bezeichnet, weil hier alles typisch finnische zusammenkommt: Seen, Wälder, Inseln, weiße Wolken, blauer Himmel, wie Klein-Fritzchen sich eben Finnland vorstellt   (und natürlich weil die Gemälde der wichtigsten finnischen Maler stark zum Nationalbewusstsein und zur Unabhängigkeitsbewegung beigetragen haben).

Na und wie stellt sich Klein-Fritzchen Japan vor? Man kann wohl annehmen, dass hier die Ansicht vom Mount Fuji in allen Variationen von Holzschnitten über Malereien bis zu weltweit bekannten Photographien als Nationallandschaft begriffen werden.

Ich hatte schon immer ein besonderes Faible für Vulkane, von Santorini über den Vesuv und Ätna, die ich von fern und von nah bewundern konnte, bis hin zu meiner großen Liebe, dem Fuji-san.

Also wollte ich los und stolperte und fiel als erstes mal meine schöne Steintreppe vor dem Gästehaus runter , gottseidank nur eine Stufe, weil da Geröll lag und ich mich auch etwas festgehalten hatte, und auf der nächsten gab es auch etwas Gras, und landete auf einem Knie. Dass es blutete merkte ich dann erst einen halben Kilometer später, als ein Fleck auf meiner Hose war. 

Also am Bahnhof Pflaster gekauft, draufgeklebt, fertig, aber immer wieder der Schreck, was alles passieren könnte….

Gut, dass ich ein paar Tage alles am sehr vollen und verwirrenden Bahnhof Kyoto ausgekundschaftet hatte. So fand ich den richtigen Eingang zum Shinkansen, den Bahnsteig und sogar die Stelle, wo ich einsteigen musste, um meinen reservierten Platz zu finden.

Natürlich läuft in Japan alles wie am Schnürchen und auf die Minute genau. Der Bullet Train sieht aus wie eine gemeine Schlange, ist aber sehr bequem mit viel Beinfreiheit. Keiner quatscht am Handy, alles ruhig, sauber, schnell und angenehm. Alle Plätze ausgebucht, morgens vor sechs, Züge nach Tokio alle 3-5 Minuten!

Wir fahren durch viele aneinandergereihte hässliche Städte im langweiligen Flachland von Japan, wo sich die Menschenmassen stauen, mehr oder weniger graue oder beige Betonklotzansammlungen, im Hintergrund rechts und links die herrlichen grünen Berge.

Das letzte Mal, als wir vor sechs oder sieben Jahren nach Tokio fuhren, schob sich der Fuji urplötzlich riesig und ganz verschneit ins Zugfenster und ich schrie laut auf vor Überraschung, weil er so gigantisch vor uns aufragte. Diesmal sah ich ihn schon von drei Städten vorher in der Ferne, weil ich ja nun wusste, wo ich hingucken musste, ganz klar bis hinauf zur Spitze, diesmal grün mit einer kleinen Schneehaube auf dem Gipfel und viel kleiner, weil wir ja noch so weit weg waren. Trotzdem breitete sich ein verzücktes Strahlen auf meinem Gesicht aus, als wäre gerade Mick Jagger auf die Bühne gehopst. Fuji-san ist meine ganze Wonne, wie er da so riesig und alleine aus der Ebene hervorwächst. „-san“ ist im Japanischen ein Ausdruck der Ehrerbietung, und alle benennen den Berg immer auf diese Weise.

Und nun ging es immer näher heran, die Wolken zogen bedrohlich über den Himmel, und als wir in Mishima ankamen, wo ich eine Stunde auf den Bus warten musste, war er schon halb verschwunden. Im Bus saß ich dann sowieso auf der falschen Seite, aber neben einem sehr netten Herrn, der mir den Fensterplatz überließ und eine Mandarine mit mir teilte.

Sofort wenn man aus dem Flachland in die Berge fährt, wird die Landschaft dramatisch und interessant. Die Hügel und selbst die hohen Gipfel sind bis oben von dichtem Mischwald bedeckt, und hier in höheren Gegenden wird es jetzt auch schon mächtig bunt. 

Angekommen in Kawaguchiko war der Fuji völlig verschwunden, dafür sah ich hier zum ersten Mal auf meiner Reise Massen von nicht asiatischen Touristen und hörte ein Gewirr aus vielen Sprachen. Also schnell erstmal zum Hostel, das diesmal ein echter Glücksgriff ist: große helle freundliche Räume, eine riesige Küche mit Tee und Kaffee für alle 24 Stunden am Tag, ein ausgesprochen herzlicher Empfang in brilliantem Englisch (zum ersten Mal in Japan, und beide an der Rezeption sind waschechte Japaner). Ich konnte mein Gepäck dalassen, den sehr gemütlichen Aufenthaltsraum, das Klo und die Küche  benutzen, obwohl ich 3 Stunden vor Eincheckzeit ankam, und wurde gleich mit den zwei finnischen Volunteers aus Turku bekannt gemacht, die hier für einen Monat 4 Stunden putzen für freie Kost und Logis. So musste ich gleich ein bisschen finnisch sprechen, um mich nicht zu blamieren vor den Rezeptionisten…

Als ich dann wieder rauskam, waren fast alle Wolken verschwunden und mein Vulkan lag vor mir in ganzer Größe und voller Schönheit! Alle Superlative passen hier: Überwältigend, magisch, großartig, beeindruckend, wunderschön, 🤩 Ich umrundete den kleineren Teil des großen Sees in langsamen Schritten und machte wahrscheinlich wieder 150 Photos vom Fuji aus jeder möglichen Perspektive. Am Ende fand ich dann noch einen Ausflugsdampfer, der eine große Runde über den gesamten See drehte, was noch einmal andere Ausblicke versprach. 

Danach war dann schon wieder schneller Sonnenuntergang, den ich mit vielen anderen Touristen guckend an einem Bahnübergang verbrachte, immer mit den Augen auf dem Berg.

Mit viel Glück fand ich dann noch ein sehr gemütliches Familienrestaurant mit zwei schnatternden älteren Frauen, die eine in der Küche, die andere bedienend, im ersten Stock mit direktem Blick auf den sich verdunkelnden Mount Fuji, während ich genüsslich einen hier wohl sehr typischen Gemüseauflauf mit dicken selbstgemachten Nudeln, serviert in einem sehr heißen Eisentopf, schlürfte, um mich wieder aufzuwärmen.

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