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7. Kapitel: Noch ein Tag am Fuji-san, jede Sekunde ist anders

Veröffentlicht: 04.11.2025

Eine meiner Zimmergenossinnen hatte Albträume direkt über mir und stöhnte gar fürchterlich die halbe Nacht, aber mit einem leisen „kssss“ konnte ich sie zur Ruhe bringen.

Mit Tagesanbruch machte ich mich wieder auf zur Fuji-Bewunderung, diesmal hatte ich vor, den ganzen See zu Fuß zu umrunden, linksrum.

Als erstes kommt man da in den Yagizaki-Park, eine weitläufige Anlage direkt am Ufer mit vielen interessanten Pflanzen. Eine Art kleine Büsche haben gerade angefangen, flammend rot zu glühen. Im Spätsommer sollen hier ganze Felder von Lavendel blühen. Es gibt einen kleinem Tempel, den ein Mönch aus Bewunderung für den Fuji um 1500 gebaut hat (inzwischenist er aber schon einige Male zerstört und wieder aufgebaut worden) und weite offene Flächen mit bunt gefärbten Ahornbäumen an den Rändern, alles bietet perfekte Beigaben für den Berg, der von überall sichtbar ist. Das Morgenlicht war ganz klar, aber die leichten Wolken am Himmel heute ein wenig verwischt.

Ich konnte Graureiher und Schwäne, Kormorane, eine Art kleinen weißen Storch und sogar einen Adler beobachten. Ein Fischer teilte sich sein Brot mit einem Schwan, den er aus der Hand vom Boot aus fütterte.

Als nächstes fand ich ein Café, das lila-weißes Lavendel-Softeis anbot.

Und weiter, immer weiter. Als ich nach dreieinhalb Stunden am Ende des Sees angekommen war, gab ich den Plan auf, nun die gewundenen Wege auf der anderen Seeseite die nächsten viereinhalb Stunden zurückzuwandern und fuhr befriedigt mit dem Bus zurück. Insgesamt habe ich jeden Tag jetzt etwa 12km zu Fuß zurückgelegt, das reicht.

Im Ort fand ich ein nett aussehendes Restaurant, in dem viele Menschen gerade zufrieden an den Tischen saßen und beschloss, heute mal das berühmte japanische Wagyu-Rindfleisch zu probieren. Angeblich werden nur 500 Rinder pro Jahr auf diese Weise aufgezogen und geschlachtet. Das Fleisch ist durch und durch gemasert mit Fett, es sieht ein wenig aus wie rosa Marmor, ganz zart und weich, und es zergeht buchstäblich auf der Zunge. Man muss ein wenig Wasabi und Soya-Sauce dazugeben, sonst ist es zu fett, aber der Geschmack ist wirklich großartig. 

Als Nachtisch gönnte ich mir dann noch einen Umeshu, den gelben Pflaumenwein, und wackelte dann etwas beschwipst wieder zur Bushaltestelle, um nun den Rest des Sees auf der anderen Seite auf interessante Fuji-Photo-Motive hin zu prüfen.

Als ich fix und fertig zu Fuß wieder im Ort ankam, ging die Sonne bereits unter, die Wolken- oder Nebelwand, die sich im Laufe des Nachmittags hinter dem Vulkan gebildet hatte, färbte sich zu meiner Enttäuschung nicht rosa, sondern blieb grau, aber der wunderbare Fuji-san blieb glasklar erkennbar bis zur absoluten Dunkelheit und ich sagte ihm dankbar auf Wiedersehen. Ich weiß ja nicht, ob ich ihn noch einmal wiedersehen darf, aber irgendwie ist er jetzt in mir drin, ich trage ihn mit.

Am Nachmittag hatte ich übrigens einen großen Schulhof mit vielen Grundschülern beobachtet, die alle fröhlich durcheinanderliefen und kreischten vor Vergnügen, schaukelten, Ball spielten, Jungen und Mädchen mit- und durcheinander, nicht nach Rollen getrennt, alles ganz normal, wild und frei, das hat mich getröstet über die furchtbar gedrillten Schulausflügler beim Ginkaku.

Jetzt warte ich auf meinen Nachtbus zurück nach Kyoto, wo ich morgen früh um kurz nach 5 ankommen werde, und hoffe, dass ich ein bisschen schlafen kann.

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