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Taschkent III

Veröffentlicht: 05.01.2020

Am Montagmorgen, den 30. Dezember 2019, nieselt es etwas, als ich das erste Mal die Knöppe aufmache. Schrottis Blechdach verstärkt das Getröpfel hörbar. Als ich gegen neun notgedrungen meine Höhle kurz verlassen muss, bemerke ich kaum etwas vom Niederschlag. In der Ferne kann ich aber zwei grüne Gestalten ausmachen, die sich zielgerichtet auf meinen Standort zubewegen. Ich ziehe mich trotzdem erneut in unsere Karre zurück. Kurze Zeit später, ich war fast schon wieder eingeschlafen, klopft es am Fenster, Rango bellt und ich muss wieder aufstehen. Zwei Milizionäre stellen sich vor und der Ältere beginnt ein scheinbar ungezwungenes Gespräch und fragt mich Dies und Das. Ganz beiläufig erkundigt er sich nach meinem Ausweis und dem Grund meines Aufenthalts. Marcus muss ich nicht aus seinem Zelt holen, meine Geschichte scheint schlüssig. So kann ich mich nochmal auf Schrottis Rückbank (halb-) lang machen, bis es gegen elf schließlich Zeit für ein kleines Frühstück ist. Dabei fällt ein plattes rechtes Hinterrad ins Auge. Wir brauchen also vor der Weiterfahrt etwas Luft. Ein paar Einheimische die vorbeifahren, können zwar nicht direkt helfen, versichern aber, dass wir in der nächsten Ortschaft fündig werden. Als wir unseren Russen wieder beladen haben, fahren wir in Richtung Karaultepa. Hier quatsche ich, an einem der ersten Häuser, ein paar junge Männer an. Wir werden gebeten mit unserem Moskvich beim Nachbarn vorzufahren. Der ist wohl gerade nicht da, aber man weiß wo die Luftpumpe liegt und kümmert sich auch direkt ums Reifen aufpumpen. Nach getaner Arbeit werden wir sogar noch zum Mittag eingeladen, es ist mittlerweile ja auch schon nach zwölf. Da unser Frühstück aber noch nicht allzu lange zurückliegt und wir bis Taschkent noch ein ganzes Stück zu fahren haben, lehnen wir dankend ab und machen uns nach ein paar Selfies wieder auf die Piste. Wir kommen im Grunde zwischenfallslos bis in die usbekische Hauptstadt. Schrotti schnurrt und auch unsere Reifen behalten ausreichend Luft. Am späten Nachmittag erreichen wir die ersten Randbezirke von Taschkent, gönnen uns ein Käffchen, organisieren etwas Bargeld und kaufen eine Kleinigkeit für den Abend ein. Dann geht es zum Ibsa Hostel, wir checken ein und ich drehe noch ein Ringel mit Rango. Dann werde ich bei einem Barbier vorstellig, ich will etwas weniger zerzaust ins neue Jahr starten. Ich muss mich einen Moment gedulden, dann nimmt sich meiner ein sehr junger Mann an. Sieht aus wie zwölf, der Bub. Wir einigen uns auf einen Haarschnitt, aber auf die Frage ob er sich auch um meinen Bart kümmern soll, reagiere ich erstmal zurückhaltend ablehnend. Nachdem ich dann ein Weilchen dabei zugeschaut habe, wie akkurat er sich um mein Haupthaar kümmert, gibt es auch die Freigabe zur Wartung meines Vollbarts. Eine gute Entscheidung, hätte ich selber nicht in der Qualität hinbekommen. Über den restlichen Abend steht ein kleines Training, eine Dusche und etwas Küchenarbeit an. Wir haben uns für Spaggetti Bolognese entschieden und dafür Gehacktes vom Schaf eingekauft. Macht sich sehr gut in dem Gericht und auch der Rest Rotwein, welcher nicht mehr in den vollen Soßentopf passte, wertet das Mahl noch ein Stück auf. Wegen einer späten Waschmaschine, bin ich dann erst weit nach Mitternacht im Nest.

Am Dienstag befinden wir uns, direkt nach dem Frühstück, auf dem Weg zur turkmenischen Botschaft. Wir wollen unsere Transitvisa abholen. Leider haben wir kein Glück, das Etablissement hat heute geschlossen. So macht sich Marcus auf die Suche nach einer neuen Mütze und ich mich, nach etwas ziellosem Umherschlenderns und einem Heißgetränk, wieder auf den Rückweg zum Ibsa. Während eines Ringels mit Rango kaufe ich das Nötigste für die nächsten zwei Abende und flechte anschließend aus gefundenen Schnurstücken eine neue Leine für Rango. Während des Nachmittagskäffchens, trifft Marcus wieder im Hostel ein. Wir kochen Erbsensuppe und lassen das Jahr 2019 recht gemütlich ausklingen. Ich gehe noch eine Runde mit Rango. Zum Glück ist in der Gegend ums Hostel nicht viel los in Sachen Feuerwerk und Knallerei. Rango kann also eine recht entspannte Nacht in der Karre verbringen, während ich mit Marcus und ein paar anderen Hostelbewohnern kurz vor Mitternacht ins Zentrum von Taschkent aufbreche.

Wir erreichen die Stadtmitte pünktlich um Mitternacht. Es ist reichlich Betrieb, wobei alle Passanten bereits auf dem Heimweg scheinen. Auch in Sachen Feuerwerk hält sich der gemachte Aufwand in Grenzen. So stoßen wir mit ein paar Fremden an, wünschen hin und wieder "С новым годом!" und machen uns, während der ersten Stunde des Mittwochs (01.01.2020), auf die Suche nach einem Club oder einer Bar. Geführt von den anderen Hostelbewohnern, landen wir vor einem Club, für dessen Betreten wir 100$ bezahlen sollen. Weit weg von unserem Budget. Dieser erste Anlauf führt bei den meisten Begleitern zu spontanen, ausgewachsenen Ermüdungserscheinungen. Außer Marcus und mir, wollen plötzlich alle heim. Wir geben nicht so schnell auf und schlendern noch ein Weilchen durch das nächtliche Taschkent. Von einem jungen Familienvater erfahren wir mithilfe der Übersetzung seiner Töchter vom Temple Pub. Der Club liegt eh auf dem Heimweg. Dort angekommen können wir einkehren und ein paar Stündchen verbringen. Viel ist nicht los. Die tanzende leichtbekleidete Usbekin auf dem Barmöbiliar hat bei Ankunft mehr versprochen als die Bar dann halten kann. Trotzdem blicken wir in den frühen Morgenstunden auf eine ganz unterhaltsame Nacht zurück, als wir uns auf den Rückweg zum Ibsa machen. Die Metro hat ihren Betrieb leider noch nicht aufgenommen und wir müssen die 4 km gehen. In der Stadt ist es fast still und leer. Sehr ungewohnt, wo wir die Straßen und Wege bisher nur voller Autos, Menschen und Lärm erlebt haben. Als wir am Hostel ankommen, färbt sich der Himmel langsam blau. So kann ich mit Rango gegen sieben ein Ringel drehen, die Ruhe und die Dämmerung genießen. Wieder in der Hostelküche, warte ich noch ein paar Minuten, ob sich evtl. jemand um ein Frühstück bemüht, gehe aber schließlich kurz nach acht ungefrühstückt ins Bett. Es ist später Mittag, als es mich wieder rausdreht. Nach kleinem Brunch spaziere ich etwas mit Rango durchs sonnige Taschkent. Am Nachmittag gibt es Obstsalat und Eis zum Käffchen und wir datteln etwas rum. Nach dem Pizzabacken und deren Genuss, findet der erste Tag des neuen Jahres sein frühes Ende.

Über den Donnerstag kristallisiert sich dann endgültig heraus, dass wir Schrotti trotz einiger Anfragen wohl nicht zu einem vernünftigen Preis verkauft bekommen. Problem ist das kasachische Kennzeichen. In Usbekistan wird bei der Einfuhr von Autos ein, vom Hubraum abhängiger, Zoll fällig. Bei Modellen, älter als 20 Jahre, beträgt dieser wohl um die 3 $/cm³. Für Schrotti beträgt der zu entrichtende Einfuhrzoll also ein vielfaches des Fahrzeugwertes. Da aber sowohl der Transit durch Turkmenistan und die Einreise in den Iran mit Auto zu teuer ist, muss Schrotti weg. Wir beschließen die Karre auch im nahen Schymkent anzubieten. Auch hier melden sich innerhalb kürzester Zeit einige potenzielle Käufer. Wir beschließen also erneut einen Abstecher nach Kasachstan zu unternehmen. Dafür kümmert sich Marcus noch um unseren Problemreifen und lässt einen neuen aufziehen. Ansonsten lassen wir den restlichen Tag ganz entspannt an uns vorbeiziehen.

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