Salam ya Amman
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Tarabot - "Zusammenhalt"

Veröffentlicht: 01.11.2019

15. – 31. Oktober. Teil 3

Nachdem sich der Beginn unseres Praktikums doch noch länger hingezogen hat, als gedacht, ist es am 17. Oktober endlich soweit: Sophia und ich beginnen unser Praktikum bei Tarabot. Pünktlich zum ersten Arbeitstag verschlafe ich zum ersten Mal, seitdem ich in Jordanien bin. Anstatt wie geplant zu Fuß zu Tarabot zu laufen, komme ich dann mit einem leider nicht ganz ortskundigen uber-Fahrer eine Dreiviertelstunde später als Sophia und als ausgemacht an. Zum Glück ist das nicht so tragisch: wir erfahren, dass früh morgens ohnehin noch keine Kinder dort sind, deren Betreuung zu unseren Hauptaufgaben gehören wird, weshalb wir gar nicht pünktlich um 8 Uhr auf der Matte stehen müssen. Dafür können wir heute direkt am Tarabot-Programm teilnehmen: am Vormittag kommt eine externe Trainerin, die für Frauen einen Kreativ-Workshop anbietet. Mit Nägeln und bunten Fäden stellen wir alle (Sophia und ich dabei unter neugieriger Beobachtung aller anderer Beteiligten) hübsche Bilder her. Danach, der Aerobic-Kurs, der hier einmal pro Woche für Frauen stattfindet. Und der ist wirklich eine besondere Erfahrung. Nachdem wir beobachten, wie diverse Frauen mit Hijab und langen Mänteln im Kurs-Raum verschwinden, bietet sich uns ein komplett anderes Bild, als wir kurz darauf selbst den Raum betreten: alle Teilnehmerinnen tragen nun offene Haare und enge Sportkleidung, die Aerobic-Lehrerin sogar ein Bauchtanz-ähnliches Outfit. Und das ist Programm: es wird mit der Hüfte geschwungen und mit dem Hintern gewackelt, was das Zeug hält. Zu lauter Musik und zur Freude aller Beteiligten. Das ist das letzte, was ich hier erwartet hätte. Das gebe ich offen und ehrlich zu. Und es gefällt mir sehr.

Alle unserer Ansprechpartner*innen und Kolleg*innen bei Tarabot sind wirklich super nett, hilfsbereit, gut gelaunt und immer für einen Spaß zu haben. Ebenso wie Dr. Amina, die Chefin. Sie hat einen total schönen, respektvollen und wertschätzenden Umgang mit all ihren Mitarbeiter*innen und schafft es immer, die Gemüter mit ihren Späßen zu erheitern. Schon nach der ersten Woche lädt sie mich und Sophia zu sich nach Hause ein, um ihr und ihrer Familie beim üblichen Familien-Zusammenkommen am Freitag Gesellschaft zu leisten. Uns wird dort ganz viel Wärme und Herzlichkeit entgegenbracht, wir singen und lachen zusammen und essen Maqluba, ein traditionelles arabisches Gericht mit Gemüse, Reis und Hühnchen. Ab jetzt ständen ihre Türen immer für uns offen, sagt uns Dr. Amina.

Wie bereits erwähnt besteht unsere hauptsächliche Tätigkeit bei Tarabot aus der Kinderbetreuung, was Sophia und ich mit Freude ausüben. Die Freude kommt dabei automatisch, bei den Zuckerkindern, die jeden Tag vor uns sitzen und mal mehr und mal weniger erfolgreich versuchen, mit uns auf arabisch zu kommunizieren. Sophia und ich versuchen umgekehrt, ihnen ein paar Wörter auf englisch beizubringen. Entweder durch zeigen, oder durch englische Kinderlieder, die auf große Resonanz stoßen. Unser Englischunterricht wird bald auch (In sha Alla!) in das Tarabot-Programm aufgenommen, sodass wir einmal pro Woche für 3 Stunden ganz offiziell als Englischlehrerinnen arbeiten werden.

Abgesehen von den Kids, die wir mit malen, basteln, singen und Duplosteinen beschäftigt halten, können wir auch weiterhin am ganz normalen Tarabot-Programm teilnehmen: Créme-Workshop für Frauen, Accessoires-Workshop für Mädels, Handpuppen-Show von älteren, und Kunst-Workshops mit kleineren Kindern, immer wieder Aerobic mit den Ladys. Zwischendurch stehen auch mal andere Aufgaben an, wie etwa Sachspenden sortieren oder Aushelfen bei der Kleiderkammer (vielmehr einer Lagerhalle voll mit neuen und gebrauchten Kleidern), die sich im Stockwerk unter Tarabot befindet. Immer samstags gibt es außerdem Musik- und Kunstunterricht von externen Trainer*innen, zu dem wir es bisher leider noch nicht geschafft haben. Als Dr. Amina spitz bekommt, dass Sophia und ich auch Instrumente spielen können, zaubert sie wie aus dem Nichts eine Gitarre und eine Geige hervor, die Tarabot kürzlich als Spende bekommen hat. Hier also unsere Motivation, uns eine eigene Gitarre zu besorgen. Jetzt müssen wir uns nur noch ein wenig Zeit zum Üben aus den Rippen schneiden.

Eine Sache sollte in Bezug auf unser Praktikum noch erwähnt werden: Abu Wahid. Abu Wahid ist ein winziges Restaurant direkt neben Tarabot, mit gleichnamigem Koch und Besitzer. Als wir uns in unserer allerersten Mittagspause auf der Suche nach etwas Essbarem gemacht haben, sind wir glatt daran vorbeigelaufen. Auf der schmalen vielleicht 12 Quadratmeter großen Fläche befindet sich im hinteren Bereich eine winzige Küche, in der Abu Wahid wahnsinnig leckere Kartoffeln, Salate, Hummus und Sandwiches zubereitet, denen wir direkt am ersten Tag verfallen sind. Abu Wahid wollte damals außerdem gerne ein Bild von uns machen, was wir ihm natürlich nicht verwehrt haben. Nur einen Tag danach haben Tarabots Mitarbeiter*innen dieses Bild dann auf seiner Facebook-Seite gefunden, mit der Bemerkung, dass sogar die Ausländer zu ihm essen kämen. Dieser Satz hat hier in East Amman jedoch tatsächlich eine Berechtigung: niemand von außerhalb, der nicht hierher muss, verirrt sich hierhin. 



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