Salam ya Amman
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Oh wunderschönes Nablus

Veröffentlicht: 28.02.2020

Donnerstag, 20. Februar

9 am. Sami bringt uns traditionelle palästinensische Süßigkeiten aus Gries, die wir zu einer Tasse Kaffee frühstücken, und danach zu einer Nablus-Tour aufbrechen. Ich habe schon von vielen Seiten gehört, dass Nablus die schönste Stadt in der Westbank sein soll und verstehe jetzt auch, warum. Die Altstadt ist wirklich einzigartig schön. Bunte Fähnchen wedeln von oben in den Marktgassen, die an Jerusalems Altstadt erinnern, und doch ihren ganz eigenen Charme haben. Wir passieren Stände mit saftigem Gemüse und gut duftendem Knafeh und genießen das Markttreiben, das einen Tag vor dem heiligen Freitag erwartet rege und bunt ist.

Was uns außerdem auffällt: die freundlichen Menschen. Wir müssen nur kurz an einer Ecke stehen bleiben, um uns zu orientieren, schon werden wir von verschiedenen Seiten gefragt, ob alles okay ist oder wir Hilfe brauchen. In einer unheimlich netten, unaufdringlichen Art und Weise. Ich habe mich selten so wohl an einem Ort gefühlt. 

Wir kommen an einem großen Platz heraus, über dem unzählige Palästina- und gelbe Fatah-Fähnchen fröhlich wehen. Von weitem hören wir schon Rufe durch ein Megaphon – eine kleine Demo, wie wir beim Näherkommen feststellen. Ganz friedlich und auf kleiner Fläche. Trumps „Deal of the Century“ sorgt dafür, dass die Demonstrationen auf palästinensischem Gebiet erst mal nicht weniger werden. Wir laufen daran vorbei, geradewegs auf ein Lokal zu, das Clara noch von ihrem letzten Nablus-Besuch empfiehlt. Im zweiten Stock vor einer riesigen Fensterfront sitzend haben wir dort den besten Blick auf den großen belebten Platz und nehmen dort wieder mal ein sehr leckeres Hummus-Frühstück zu uns.

Wir könnten noch stundenlang dort sitzen, aber machen uns dann irgendwann auf, Nablus noch etwas mehr zu erkunden. Den Jakobsbrunnen gibt es hier noch, haben wir nachgelesen. Auf dem Gelände, auf dem sich mittlerweile eine orthodoxe Kirche befindet, soll der israelitische Stammvater Jakob einen Brunnen gegraben haben. Außerdem ist es gemäß Überlieferung der Ort der letzten Ruhestätte seines Sohns Josef. Wir genießen den Weg unter blauem Himmel zu der hübschen Kirche mit roter Kuppel, wo uns ein netter Küster hinunter in den Keller zum Jakobsbrunnen führt. Bilder dürfen wir hier keine machen, sagt er uns. Aber er beweist uns mit einem Schwung Wasser, den er herunterkippt, dass der Brunnen 40 Meter tief ist.

Nachdem wir noch eine kurze Zeit auf dem Gelände der Kirche verweilen, gehen wir weiter zu archäologischen Ausgrabungen der Stadt Sichem, die sich hier mitten in Nablus‘ Stadt befinden. Sichem war eine antike Stadt, die im alten Testament als Ort des Durchzugs von Abraham durch das Land Kanaan Erwähnung findet. Wir müssen hier eigentlich Eintritt zahlen, dürfen uns allerdings zunächst einen kurzen Film über Sichem anschauen, der hier in einem kleinen Gebäude auf dem Ausgrabungsgelände gezeigt wird. Aus irgendeinem Grund hat der 15-minütige Film eine wirklich einschläfernde Wirkung auf uns, sodass wir alle nach Filmende mit schweren Augenlidern in unseren Stühlen hängen. Ein Mitarbeiter des archäologischen Zentrums hier sieht die Not und bringt uns ein Tablett mit schwarzem Tee und Kaffee. Wir quatschen zu Koffein-Snack also kurz mit ihm, woraufhin wir uns die Ausgrabungen von Sichem kostenlos ansehen dürfen. Auch nicht schlecht.

Per Anhalter machen wir uns zurück in die Stadt, wo wir dann in zwei verschiedenen Knafeh-Läden zu einem kleinen Snack zwischendurch einkehren. Dass wir uns nach der riesigen Knafeh-Ladung gestern Abend geschworen haben, in den nächsten Monaten erst mal kein Knafeh mehr zu essen, ist schon wieder ganz in Vergessenheit geraten. Dazu schmeckt die süße Käse-Leckerei auch einfach zu gut. Kurze darauf zurück in Samis Guesthouse hören wir uns das Abendgebet von der Dachterrasse an und machen eine kurze Entspannungspause. 

Während die anderen beiden ein Nickerchen machen, verquatsche ich mich mit Sami im Gemeinschaftsraum, wo er zunächst noch ein polnisches Pärchen empfängt, das mit dem Fahrrad unterwegs durch Israel und Palästina ist. Nablus ist ihre erste Station in der Westbank. Sie erzählen etwas verwundert, dass sie von einem israelischen Autofahrer angehalten wurden, als sie am Checkpoint zur Westbank ankamen. Sie sollten dort lieber nicht hereinfahren. Das sei gefährlich. Es ist fast schon etwas traurig, dass mich solche Geschichten aber auch so gar nicht mehr überraschen.

Mein Plausch mit Sami endet damit, dass er uns für den Abend zu seiner Familie einlädt – zu Musik eine schöne Zeit zusammen zu haben. Und das lassen wir uns nicht zweimal sagen. Nach erfolgreicher Ruhepause machen wir uns also kurz frisch und laufen dann mit Sami durch Nablus Altstadt, bis wir vor der Wohnung seiner Mutter stehen, wo er mit ihr zusammenlebt. Seine Mutter macht uns die Tür auf und begrüßt uns herzlich, ebenso wie ihre Schwester. Im Wohnzimmer sitzt schon eine andere Bewohnerin von Samis Guesthouse, außerdem seine Nichte, die uns lächelnd ihre Shisha anbietet, und zwei kleine Neffen. Wir nehmen auf der großen Couch Platz und Sami setzt sich umgehend vor sein Keyboard, von wo er uns den Rest des Abends mit arabischer Musik versüßt. Seine Mutter und Tante (80 und 76 Jahre alt), fangen nun an, die Mitte des Raumes als Tanzfläche zu nutzen. Ich habe noch nie Frauen in dem Alter sich derart bewegen sehen. Ihre Augen sprühen nur so vor Lebensfreude. Wir schauen ihnen so lange fasziniert zu, bis uns Samis Mutter selbst auf die Tanzfläche zieht und mit uns ihre Kreise dreht.

Im Laufe des Abends kommen immer neue Familienmitglieder dazu, die ebenfalls zwischen Couch und Tanzfläche pendeln. Samis Mutter hört außerdem nicht auf, uns durchgehend zu verpflegen: Kuchen, danach Tee, danach Kaffee, danach Popcorn, danach Schokolade, danach Brot mit Oliven und Tahina, danach wieder Popcorn, danach wieder Kaffee. Auch wenn wir alle anwesenden Personen hier erst wenige Stunden kennen, fühlt es sich an, als wären wir alle eine große Familie. Voller Herzlichkeit und Freude. Es ist wirklich der perfekte Abschluss unserer Reise.

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