Salam ya Amman
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Holy Sites und Nablus

Veröffentlicht: 27.02.2020

Mittwoch, 19. Februar

8 am. Nach Dusche und Keksfrühstück steigen wir in unseren kleinen Mietwagen, mit dem Ziel, heute noch die Gegend um den See Genezareth herum etwas zu erkunden. Unseren ersten Stopp legen wir am Ort Magdala ein, dem Geburtsort von Maria Magdalena, wo sich direkt am See eine schöne neu gebaute Kirche befindet. Wir setzen uns eine Weile davor an den See und frühstücken leckeres Gebäck, das wir uns frisch vom Bäcker geholt haben, bevor wir unsere Reise weitermachen zur Brotvermehrungskirche.

Wie schon bei unsere Reise über Weihnachten ist an diesem Touristen-Hotspot die Hölle los, sodass wir uns nur schnell das alte Mosaik-Bild vor dem Altar anschauen und dann weiter fahren nach Kapernaum. In den biblischen Evangelien spielt Kapernaum eine wichtige Rolle. Aus dem Fischerdorf sollen mehrere Jünger Jesu herkommen. Auch hier ist der Touristen-Ansturm heute enorm. Wir schauen uns also auch die dortige Kirche an, verweilen kurz vorne am See und fahren dann weiter zu einem nächsten heiligen Ort: der Taufstelle am Fluss Jordan.

Der Überlieferung nach wird die Taufe Jesu durch Johannes den Täufer zwar weiter flussabwärts bei Jericho lokalisiert. Dennoch lassen sich viele Christ*innen in Erinnerung an die Taufe Jesu hier taufen. Eine andere Touristin hatte gestern Abend im Hostel schon von dem skurrilen Anblick an diesem Ort erzählt, aber wir können uns jetzt selbst davon überzeugen. Zunächst durch einen großen Souvenir-Shop geschleust gelangen wir an das Ufer des Jordan, wo wir schon von weitem eine Gruppe Tourist*innen sehen, die in weißen langen T-Shirts, die wie Nachthemden aussehen, um einen Pfarrer versammelt stehen. Wir beobachten nun also, wie er nach einem kleinen Wortgottesdienst Person für Person zu ihm in den Jordan bittet, alle einmal unter Wasser tunkt und segnet. Wir sind uns bewusst, dass es für die Menschen viel bedeuten muss, im heiligen Jordan ein zweites Mal getauft zu werden, aber von außen ist es ein wirklich lustiger Anblick.

Wir beobachten das Treiben dort eine Weile und fahren dann zurück nach Tiberias, wo wir pünktlich unser Mietauto abgeben. Nach einem kleinen Spaziergang durch die Stadt stellen wir fest, dass es dort nichts besonderes zu sehen gibt, weshalb wir beschließen, nun bald von hier aufzubrechen. Nablus in der Westbank soll die letzte Station unserer Reise sein. Wir holen also unser Gepäck im Hostel und fragen dort vorsichtig nach öffentlichen Transportmitteln nach Nablus. Erfahrungsgemäß macht es wenig Freude, auf israelischer Seite nach Orten in der Westbank zu fragen, was sich jetzt wieder bestätigt. Es gebe keinen Transport in die Westbank, sagt uns die Rezeptionistin knapp. Sie könne uns die Google-Ergebnisse zeigen, wenn wir ihr nicht glauben wollen. Außerdem seien wir dann ab Eintritt in die Westbank auf uns alleine gestellt.

Was auch immer sie uns damit sagen möchte – wir beschließen, zunächst zur großen Bushaltestelle zu laufen und von dort zu einem anderen Ort zu fahren, an dem es Verbindungen in die Westbank gibt. Dort angekommen würden wir zu gerne noch einmal nachfragen, wie genau wir das am besten anstellen, aber sind nun wirklich unsicher, bei wem. Die vielen ultraorthodoxen Reisenden um uns herum geben uns nicht gerade das Gefühl, dass wir einen Ort, der sich in der Westbank befindet, laut aussprechen sollten.

Wir warten also zunächst an der Haltestelle nach Jerusalem, als eine Gruppe junger Mädels an uns vorbeigeht, die arabisch spricht. Das klingt wie Musik in unseren Ohren. Clara und ich laufen also schnurstracks auf sie zu und fragen nach dem Weg nach Nablus. „Nablus!!!?“ Die Mädels können offensichtlich kaum glauben, was wir sagen, und lassen Freudenschreie los. Ich fühle mich auf einmal wie zu Hause. Sie können nur wenig Englisch und holen noch zwei Sicherheitsbeamte zu Hilfe, die auch Palästinenser sind. Nachdem etwa fünf Leute herumtelefoniert haben und heftig untereinander diskutieren, stellt sich heraus, dass uns wohl wirklich nichts anderes übrig bleibt, als zunächst Richtung Jerusalem zu fahren, und von dort irgendwie weiter nach Nablus.

Also gut. Wir steigen in den großen Bus, der nun kommt, wo sich der nette Busfahrer als sehr hilfsbereit erweist. Er würde uns auf halbem Weg nach Jerusalem an einem Ort herauslassen, von wo aus wir dann in die Westbank kommen. Gesagt, getan: nach etwa einer Stunde Fahrt halten wir an einer Raststätte, wo der Busfahrer mit ein paar Palästinensern spricht, und uns ein Taxi nach Nablus organisiert. Immer noch im Bus dösend bekomme ich nichts von dem mit, was draußen passiert, aber Lea und Clara erzählen mir, dass eine ältere Frau von unserem Reiseziel mitbekommen hat, und schockiert davon war. Was wir denn in Nablus wollten, da wären dann keine Israelis mehr, sondern nur noch Araber. Das sei gefährlich. Auf Leas Antwort, dass wir schon klarkommen und vorher schon in Palästina waren, ihre Reaktion: „What is Palestine?“ Ich bin fast etwas froh, dass ich in der Zwischenzeit noch am Schlummern war.

Wir sitzen nun also mit unserem Gepäck bei drei Männern an der Raststätte und warten auf ein Taxi, als sich herausstellt, dass unser Fahrer schon die ganze Zeit vor uns sitzt. Wir sind uns zwar nicht sicher, ob das so wirklich von Anfang an geplant war, aber einer davon bittet uns irgendwann in sein Auto, in das wir zusammen mit seinem Freund einsteigen und losfahren. Nasser und Fadi bringen uns nun also nach Nablus.

Was eine wirklich nette Geste ist – Nablus ist nämlich noch eine gute Stunde Fahrt von hier entfernt, wie wir nun feststellen. Sie halten zwischendurch noch einmal an, besorgen uns ein paar Softdrinks, und fahren dann zu lauter arabischer Musik weiter bis zum Checkpoint in die Westbank. Wie wir schon wissen, wird man dort nur angehalten, wenn man die Westbank wieder verlässt, weshalb wir einfach an den Soldaten vorbeifahren können. Der Fahrer aus einem uns entgegenkommenden Auto steigt allerdings gerade aus. Die Soldaten drängen ihn in eine Ecke, wo er stehenbleibt und Pullover und T-Shirt hochzieht. Meine großen fassungslosen Augen können sich nicht von dem Anblick lösen. Nasser und Fadi sind nicht überrascht. Das sei eine normale Prozedur für Palästinenser*innen, die die Westbank verlassen, sagen sie uns. Es könne sein, dass sie später stundenlang am Checkpoint festgehalten werden, bevor sie wieder zurück in ihr Dorf könnten. Mir wird wirklich schlecht bei dem Gedanken daran, was wir den beiden mit der Taxi-Fahrt für uns zugemutet haben.

In Nablus angekommen lassen es sich Nasser und Fadi nicht nehmen, uns noch auf eine Runde Knafeh einzuladen – Nablus ist die bekannteste Stadt für die arabische Süßigkeit. Wie so oft nimmt unser Gespräch ein politisches Ende. Was Menschen in Deutschland über Palästina denken, wollen sie wissen. Wir sagen ihnen etwas verschämt, dass Palästina in den Nachrichten meistens wegen Konflikten oder Anschlägen erwähnt wird, was sie nicht überrascht. Sie seien sich bewusst, dass viele mit Palästina die terroristische Hamas verbinden. Der Großteil der Palästinenser*innen wolle jedoch einfach nur Frieden. Egal, wie viel Land sie im Endeffekt besitzen. Sie wollen in Frieden leben. Ich würde es ihnen und allen anderen Palästinenser*innen so sehr wünschen, dass dieser uns gegenüber so oft geäußerte Wunsch irgendwann in Erfüllung geht. 

Es ist mittlerweile schon fast 10 Uhr und wir haben noch keine Unterkunft für heute Nacht – nur eine Empfehlung von einem Freund von Lea, der vor einigen Monaten hier in Nablus war. Ohne die genaue Adresse zu kennen, irren wir ein wenig durch das dunkle Nablus, bis wir mit dem Auto nicht mehr weiterkommen. Gegen starken Protest von Nasser und Fadi, die uns gerne direkt zu unserer Unterkunft gebracht hätten, machen wir uns nun also zu Fuß auf die Suche nach Soufan's Guesthouse. Wir laufen also eine Zeit lang durch die wunderschönen aber menschenleeren Gassen in Nablus‘ Altstadt, bis wir an einem Platz herauskommen, an dem Google Maps uns den Standort des Guesthouse anzeigt. Wir sehen kein Hostel, aber dafür zwei Jugendliche auf dem Platz sitzen, die wir jetzt um Hilfe fragen. Auf einem Google Maps Bild erkennen sie den Standort und begleiten uns nun dorthin.

Kurz darauf stehen wir also vor der Eingangstür von Soufan's Guesthouse, die nicht überraschend schon geschlossen ist. Laut Google ist der Check-In nur bis um 19:30 Uhr. Einer der beiden Jungs packt allerdings kurzerhand sein Handy aus und ruft die Nummer an, die hier an der Eingangstür steht. 10 Minuten, sagt er uns, als er auflegt. Und tatsächlich: es dauert nicht lange, da kommt ein Mann auf uns zugelaufen. Sami, der Besitzer der Unterkunft, der uns herzlich begrüßt, und sich dafür entschuldigt, dass wir warten mussten – dabei sind wir es, die fast vier Stunden zu spät noch einchecken wollen. Durch einen Innenhof führt er uns in ein wunderschönes altes Gebäude. In einem gemütlich eingerichtetem Gemeinschaftsraum mit hohen Decken bittet er uns, Platz zu nehmen, und bringt uns einen Tee. Das 200 Jahre alte Haus hier sei Familienbesitz, sagt er uns, und er habe es vor zwei Jahren als Guesthouse umfunktioniert. Wir sind überglücklich, nach dem langen Tag jetzt hier bei ihm zu sitzen.

Wir quatschen noch eine Weile mit Sami, dann zeigt er uns die Räumlichkeiten und die Dachterrasse, von wo uns Nablus‘ Lichter wunderschön entgegenstrahlen. Samis Handy klingelt. Es ist Fadi, der irgendwie die Nummer von unserem Guesthouse herausgefunden hat. Ob wir gut angekommen sind, will er wissen. Angekommen.

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