Salam ya Amman
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Unterwegs in den Golanhöhen

Veröffentlicht: 21.02.2020

Montag, 18. Februar

9 am. Wir wagen einen Blick aus dem großen Fenster unserer Wohnung und genießen eine wundervolle Sicht auf Majdal Shams, auf das die Morgen-Sonne nun ihre Strahlen ausbreitet. Als ich aus der Dusche herauskomme, höre ich dann von gestern Abend schon bekannte Klänge. Die Mädels haben Bushers Band auf Spotify gefunden, Hawa Dafi, zu deren Musik wir uns nun fertig machen und dann mit unserem Auto aufbrechen, die Gegend hier ein wenig zu erkunden. Unser erstes Ziel, der Berg Hermon.

In Wikipedia wird der Hermon als „der höchste Berg Syriens“ beschrieben. Allerdings befindet sich der höchste Punkt in israelisch kontrolliertem Gebiet auf den Golanhöhen, zu dem wir nun aufbrechen. Von Majdal Shams ist die Schneekuppe schon von weitem unter blauem Himmel zu sehen. Durch eine bergige Landschaft kommen wir dem Hermon immer näher, bis wir an einem Checkpoint angehalten werden. 34 Schekel pro Person leichter dürfen wir dann weiterfahren.

... allerdings nur bis zu einem großen Parkplatz. Wir sind etwas verwirrt, wollten wir doch eigentlich bis zum Gipfel gelangen. Jetzt weisen uns jedoch zwei junge Männer mit Warnwesten in eine Parklücke ein. Wir versuchen bei ihnen noch einmal unser Glück, noch weiter hochzufahren, woraufhin sie auf einen Bus deuten, der uns noch etwas näher zum Gipfel bringen würde. Wir können also nicht mit unserem eigenen Auto fahren?, fragt Lea noch einmal nach. Unser Einweiser, der offenbar nicht viel Englisch spricht, schaut uns nur verwirrt an. Sein Kollege eilt ihm dann aber zu Hilfe. „It’s very simple“, sagt er. „Just get in the bus, go up, get out. That’s it.” Er wendet sich dem nächsten Auto zu. Also gut. Klingt machbar.

Wir folgen seinen Anweisungen und finden uns etwa 10 Minuten später am Fuß des kleinen Skigebiets wieder. Wir stellen dann fest, dass die Gondel ganz nach oben noch einmal extra kosten würde, weshalb wir uns dagegen entscheiden – wir haben ohnehin keine Skiausrüstung dabei. Aber es gibt auch von hier unten schon genug zu sehen. Wir setzen uns also auf ein paar Steine neben der Rodelpiste, packen Brot und Hummus aus, und frühstücken dann dort in der Sonne mit dem Schnee-Kino vor uns. 

Neben Menschen, die in T-Shirt und Rock wacklig auf Skiern stehen und Kindern, die mit Putzhandschuhen die Rodelpiste hinunterpesen, gibt es dort wirklich allerhand zu sehen. Unter anderem auch einen Mann, der in komplett weißer Ski-Ausrüstung mit einer weißen Maschinenpistole in der Menschenmenge auf Skiern unterwegs ist. Busher wird uns später sagen, dass er ein Soldat im Dienst ist. Sie „trainieren“ hier für den Fall, dass Krieg in einem Schnee-Gebiet ausbricht. Der Art nach zu urteilen, wie er auf seinen Skiern steht, bin ich mir allerdings sicher, dass es im Extremfall eher schlecht für ihn aussehen würde. Es ist auf jeden Fall mal wieder ein Anblick, bei dem ich nicht weiß, ob ich lachen oder heulen soll.

Wir lösen irgendwann den Blick von der lustigen Ski-Piste und bahnen uns wieder den Weg vom Hermon hinunter, um die Golanhöhen noch ein wenig mehr zu erkunden. Unser nächster planmäßiger Stopp ist bei einem Wasserfall, zu dem wir idyllische Serpentinen zwischen grasgrünen Hügeln hinunterfahren. Die Idylle hält so lange an, bis wir offensichtlich an einer Art Militärcamp vorbeikommen. Auf einem grünen Hügel steht eine Reihe von Panzern, deren Kanonen-Rohre alle in dieselbe Richtung zeigen. Der Anblick ist so skurril, dass es eher wie eine Filmkulisse wirkt, als wie die Realität. Warum?, frage ich mich immer wieder. Warum.

Nach einem entspannten Aufenthalt bei einem kleinen Wasserfall fahren wir Nimrod’s Fortress an, eine mittelalterliche Festung aus dem 13. Jahrhundert. Sie hat allerdings schon geschlossen, als wir dort ankommen. Der Klassiker. Wir erkunden also einfach noch mit unserem Auto ein wenig die Gegend, und hängen eine Weile später bei einem nächsten Aussichtspunkt fest. Unser kleines Auto will nicht mehr anspringen. Nachdem wir es etwa eine Viertelstunde lang versuchen, geben wir auf. Leider haben wir nicht einmal eine hier funktionierende Sim-Karte, mit der wir den Kundenservice anrufen könnten. Ich beschließe also, den Busfahrer zu fragen, der in seinem leeren Reisebus schon eine Zeit lang hinter uns parkt. Ich klopfe an seine Tür, erkläre ihm die Situation, und frage, ob wir von seinem Handy vielleicht den Kundenservice anrufen können. „No time. I have to leave.“, seine Antwort, bevor er die Tür schließt und losfährt.

Ich bin etwas perplex. Nach all der Hilfsbereitschaft, die uns auf unserer Reise schon widerfahren ist, ist das ein Extrembeispiel aus der entgegengesetzten Richtung. Glücklicherweise halten sich auf unserem Parkplatz noch ein paar andere Menschen auf, die sich als hilfsbereiter erweisen, und wir kurz darauf weiterfahren können. Am Ende ist doch jede Erfahrung eine Erfahrung wert.

Bei untergehender Sonne finden wir uns mit unserer Blechkugel irgendwann offroad, schnurstracks auf den gesicherten Zaun zufahren, der das israelisch besetzte Gebiet der Golanhöhen von syrischem Gebiet trennt. Es ist ein wirklich komisches Gefühl, zu wissen, dass sich hinter dem nur mickrig wirkenden Zaun in Sichtweise Syrien befindet. Links und rechts von dem holprigen Weg, auf dem wir fahren, hängen gelbe Schilder, die vor Landminen warnen. In der sonst perfekten Idylle ist es wirklich schwer greifbar, in welch spannungsgeladenem Gebiet wir uns hier befinden.
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