Salam ya Amman
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Geschichtsstunde

Veröffentlicht: 10.02.2020

Samstag, 8. Februar

9 am. Wir schlafen mal wieder länger aus und fragen nach dem Frühstück im Hostel nach ein paar Tipps, was man bei dem heutigen Schmuddelwetter am besten in Jerusalem macht. Wir bekommen bestätigt, dass das Israel Museum sehenswert ist und machen uns dann durch kaltes und regnerisches Wetter zu Fuß auf den Weg dorthin.

Es erwartet uns eine riesige Museumsanlage, die uns schon vermuten lässt, dass wir bis Ende der Öffnungszeit wohl nicht alles zu sehen bekommen werden. Wir fangen an mit den Schriftrollen vom Toten Meer, die in einem eigenen Gebäude ausgestellt werden. Es handelt sich bei den Schriftrollen, die 1947 von Beduinen in der Judäischen Wüste gefunden wurden, um die ältesten biblischen Schriften der Welt. Sie stammen aus der Zeit ab dem 3. Jh. v. Chr. und gewähren Einblicke in die jüdische Geschichte der Antike und die Entwicklung des Christentums.

Wir betreten als nächstes das Hauptgebäude, in dem sich ein weiterer Teil der archäologischen Ausstellung befindet, samt einer chronologischen Darstellung über die Geschichte des Landes seit Beginn der Menschheit. Unglücklicherweise betreten wir das Gebäude zunächst von der falschen Seite und steigen in der Mitte der Geschichte ein, was wir relativ spät erst merken. Bis wir also schließlich ganz am Anfang der Ausstellung stehen und von vorne alles zu verstehen zu versuchen, ist es schon so spät, dass wir etwas hetzen müssen, um noch so viel wie möglich zu sehen. Am Ende bleiben immer noch viele Fragen offen. Das liegt zum einen daran, dass wir uns aus Zeitmangel nicht alles anschauen konnten. Zum anderen handelt es sich hier immer noch um ein israelisches Museum, weshalb es nicht verwunderlich ist, dass bestimmte Dinge ausgelassen werden. Wenn man es genau nimmt, ist alleine schon der Name des Museums diskutabel. Was wir bisher von der alten Geschichte verstanden haben (Informationsmix von Museum und Eigenrecherche), ist folgendes:

Seit etwa 1250 v. Chr. ist es historisch bewiesen, dass sich israelitische Volksstämme auf dem heutigen Gebiet Israels und Palästinas niederließen. Die meisten Historiker vermuten (anders als in der Bibel beschrieben), dass sich die meisten Nomaden, die sich zum Volk Israel zusammenschlossen, bereits in der Gegend aufhielten und durch eine kleine Gruppe von Rückwanderern aus Ägypten verstärkt wurden. Von dort wurde möglicherweise Jahwe als neuer Gott mitgebracht. Der Monotheismus soll also hier im 11. Jh. v. Chr. entstanden sein.

Gemäß Bibel schlossen sich um 1000 v. Chr. die israelitischen Stämme zusammen, kurz darauf wurde in Jerusalem der erste Tempel gebaut. Laut biblischer Überlieferung kam es im 9. Jh. v. Chr. auf dem heutigen Gebiet Israels und Palästinas zur Spaltung in die beiden Königreiche Israel im Norden und Juda im Süden, mit Jerusalem als Hauptstadt. Das Nordreich Israel wurde im 8. Jh. v. Chr. von Assyrien erobert, woraufhin das Südreich Juda erstarken konnte. Der Monotheismus in Form des Judentums wurde dort nun weiterverbreitet.

Im 6. Jh. v. Chr. wurde dann auch das Südreich samt der Hauptstadt Jerusalem von den Neubabyloniern eingenommen und der erste Tempel zerstört. Trotz des jüdischen Exils konnten die Juden ihre religiöse Identität bewahren und bauten wegen des fehlenden Tempels erste Synagogen. Nach dem Ende des neubabylonischen Reichs wurde der Tempel wieder aufgebaut. 333 v. Chr. eroberte Alexander der Große dann Kleinasien und machte auch Palästina zu Teil seines Reichs. Unter ihm herrschte Religionsfreiheit, sodass sich das Judentum dort weiter entwickeln konnte.

Im letzten Jh. v. Chr. wurde das Gebiet schließlich von den Römern erobert. Palästina und Syrien wurden zur römischen Provinz Syria vereint. Herodes wurde 43 v. Chr. zum Herrscher von Judäa und König von Jerusalem. Unter ihm wurde der zweite Tempel um- und ausgebaut, der daraufhin herodianischer Tempel genannt wurde. 70 n. Chr. scheiterte ein jüdischer Aufstand gegen das römische Reich, was zum Fall Jerusalems und zur Zerstörung des herodianischen Tempels führte (der westliche Teil der Umfassungsmauer, die heute noch erhalten ist, ist heute als Western Wall bekannt). Bei einem späteren jüdischen Aufstand wurde die als Judäa bezeichnete römische Provinz in Syria Palaestina umbenannt. Im Zuge der islamischen Expansion 636 n. Chr. wurde die Region dann dem muslimischen Herrschaftsbereich eingegliedert.

Hier endet nun die geschichtliche Darstellung des Israel Museums. Und vermittelt (bewusst oder unbewusst) den Eindruck, dass sich arabische und muslimische Mächte unrechtmäßig das Land zu eigen gemacht haben, woraus (bewusst oder unbewusst) eine Rechtfertigung des heutigen Staates Israels folgt. Natürlich ist zwischen dem Jahr 636 und 2020 noch sehr viel mehr passiert. Es würde zu weit führen, das alles im Detail zu beschreiben, aber in der Zwischenzeit herrschten in Palästina noch die Kreuzfahrer, die Mamluken, die Osmanen und die Briten. Es ist also keineswegs eine selbstverständliche oder logische Schlussfolgerung, dass der Staat Israel so existiert, wie er heute existiert. Uns bleiben definitiv noch hunderte Fragen offen, wie der heutige Status Quo zustande kam. Aber für heute ist erst einmal genug mit dem Geschichtsunterricht.

Wir verlassen das Museum und werden von einem netten Pärchen in deren Auto mit zur Altstadt genommen. Sie lassen uns direkt am Dung Gate heraus, von wo aus man in nur 20 Minuten Fußmarsch auf den Ölberg steigen kann. Der Himmel ist noch teilweise stark bewölkt und das Wetter sehr stürmisch, aber wir entscheiden uns nach einigem Abwägen doch dafür. 

Zum Glück: auf halbem Weg nach oben hat der starke Wind alle schwarzen Wolken weggepustet und macht den Himmel frei für einen wundervollen Sonnenuntergang über Jerusalem. Schließlich am Aussichtspunkt angekommen werden wir vom eisigen und kräftigen Sturm zwar fast weggeweht, aber können uns den wunderschönen Abendhimmel anschauen.

Nach einer kurzen Verschnaufpause im Hostel schaffen wir es später dann noch einmal zum Machane Yehudah Market, wo heute Abend alle Bars und Lokale geöffnet haben, und wir nach Pasta und Knafeh noch Shisha-rauchend das Treiben hier beobachten. Wenn nicht gerade Shabbat ist, gibt es hier wirklich einiges zu sehen.

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