Salam ya Amman
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Fleißige Bienchen

Veröffentlicht: 26.09.2019

Dienstag + Mittwoch, 24. + 25. September

7:30 am. Heute ist unser freier Tag. Hooray! Wobei „frei“ vielleicht nicht ganz der passende Ausdruck ist. Frei von Programm, sodass wir heute Zeit haben, um unsere Reflections zu schreiben. Bis zum Ende unserer Summer School (also kommenden Samstag) müssen wir 2 Reflektionsberichte über unsere Zeit hier schreiben. Einen in Bezug auf eine Hausarbeit, die wir schon vor der Summer School abgeben mussten, und in dem wir nun unsere theoretische Ausarbeitung mit der aktuellen Situation vor Ort vergleichen sollen. Einen Bericht schließlich über unsere ganz persönliche Entwicklung, die wir in den letzten drei Wochen durchgemacht, und Erkenntnisse, die wir gewonnen haben. Bevor ich mit der Arbeit starte, springe ich aber erst noch einmal in den Hotelpool, der jetzt morgens zunehmend kühler wird. Danach, ganz entspanntes, langes Frühstück. Dann geht es los.

Ehe ich mich versehe, ist es schon 18 Uhr, und ich bin mit den Reflections noch nicht deutlich weitergekommen. Meine Reiseberichte, die für die letzten Tage noch fällig waren, und die ich auch als Basis für die Reflektionsberichte brauche, hatten erst einmal noch Vorrang. Ich beneide Jesús ein wenig, als er um 19 Uhr „khalas“ sagt (arabisch für „fertig“) und seinen Laptop zuklappt. Ich weiß aber, dass ich das mit ein wenig Konzentration in den nächsten Tagen noch hinbekommen werde. Hier im 5. Stock, auf der Außenterrasse des Frühstückssaals haben wir außerdem ein sehr schönes Plätzchen zum Arbeiten gefunden: Blick auf Madaba, Nachmittagssonne im Gesicht und angenehmes Sommerlüftchen. Hier lege ich gerne noch ein paar Extrastunden ein.

Heute aber nicht mehr: Noor hat morgen Geburtstag und möchte mit uns ein bisschen reinfeiern. Ich mache mich mit Sophia also um 8 Uhr schon einmal auf in die Stadt, um noch einen Kuchen und eine Kleinigkeit zu besorgen, woraufhin wir uns dann mit den anderen in der süßen alternativen Bar treffen, in der wir mit Hannah vor einer Woche schon einmal zu unserer Za’atari-Reflection waren. Wir haben gerade angefangen, mit dem Besitzer der Bar ein paar lustige Spiele zu spielen, als wir um kurz nach 10 dann schon rausgeschmissen werden: Ladenschluss. Wir verlagern unsere Party also in unser Hotelzimmer, das wir in eine Tanzfläche umfunktionieren und Noor dann um 12 Uhr mit hübschem Tischfeuerwerk auf dem Kuchen, das uns fast unser Hotelzimmer abfackelt, ein Ständchen trällern. Dann geht es ab ins Bettchen. Morgen müssen wir wieder früh aus den Federn.

5:45 am. Rania und ich sind die einzigen der Summer School Gruppe aus Hotel Mariam, die sich heute so früh aus den Betten quälen und Madaba um 6:30 Uhr ohne Frühstück Richtung Irbid verlassen. Wir besuchen dort heute die Yarmouk University,und Rania & ich fahren schon eine Stunde früher als der Rest mit der anderen Projektgruppe los, um uns noch eine Präsentation zum Thema „Translation and Localisation of Social Work“ anzuschauen.

Die Yarmouk University ist die zweitälteste Universität in Jordanien und wird von 38.000 Studierenden besucht. Alle Fakultäten befinden sich hier auf dem Campus, dementsprechend groß ist also das Gelände. Das Gebäude, in dem die Präsentation stattfindet, ist das neuste auf diesem Campus, wie uns eine Professorin der Yarmouk University erzählt. Den Raum, den wir dort jetzt betreten, sieht eher aus wie ein moderner Co-Working Space: schwarze Bürostühle, bunte Sitzsäcke und bunte Wand-Tattoos, die zum Denken anregen sollen. Was mir außerdem auffällt: Werbe-Banner von zain, Jordaniens größtem Mobilfunkanbieter. Ich bemerke jetzt, dass das ganze Raum-Design in Einklang mit dem Design von zain ist. Zain engagiert sich für viele soziale Angelegenheiten und Projekte, wie mir Mahmoud auf Nachfrage erklärt. Dennoch finde ich es etwas seltsam, in einer Universität, in der eigentlich unabhängiges Wissen generiert werden sollte, eine so starke Privatsektor-Präsenz zu sehen. Generell sind viele Gebäude auf diesem Campus mithilfe von Geldern aus Saudi-Arabien gebaut, wie mir Rania dann noch zuflüstert. Ich bin mir nicht sicher, ob ich hier alle Verbindungen und Verflechtungen überhaupt so genau verstehen möchte.

Es stellt sich dann heraus, dass ich den Vortrag, den wir nun hören, haargenau so schon vor zwei Monaten auf der Konferenz in Würzburg gehört habe, bei der die Referentin der Yarmouk University auch anwesend war. Ihr Vortrag über die Relevanz von qualitativen und angebrachten Übersetzungen in der sozialen Arbeit, vor allem in der Arbeit mit Geflüchteten ist jedoch so interessant, dass ich auch gerne ein zweites Mal zuhöre. Als der Vortrag zu Ende ist, stößt dann der Rest unserer Summer School Gruppe zu uns, und wir fahren mit unserem kleinen Shuttle-Bus über den Campus, während uns Sanaa und Eman (die beiden Yarmouk-Studentinnen aus unserer Gruppe), ein paar Infos zur Uni und deren Fakultäten geben.

Fertig mit dem Uni-Programm für heute: Es geht weiter mit unserem Mini-Bus Richtung Irbid, die drittgrößte Stadt im Norden Jordaniens, nur 30 km von der syrischen Grenze entfernt. Das Gebiet um Irbid herum ist umgeben von einer wunderschönen, für Jordanien ungewohnt grünen Landschaft, und unser erstes Ziel dort nun die Royal Academy for Nature Conservation. Wir bekommen dort nun eine kleine Führung und erfahren, dass das Gebäude der Akademie komplett nachhaltig und aus Steinen und Materialien der Umgebung erbaut ist. Innen riecht es frisch, nach Holz, Kräutern und frischer Seife. Alles hier wirkt sehr im Einklang mit Menschen und Umgebung. 

Als erstes betreten wir nun eine kleine Biscuit factory, in der Bio-Kekse aus frischen Zutaten hergestellt werden. Wir dürfen uns durch das Sortiment probieren und können gar nicht mehr aufhören zu naschen: Ingwerkekse mit und ohne Füllung, Schokokekse, Kekse mit Nüssen und getrockneten Früchten, und salzige Kekse mit Zatar und Käse. Eine Sorte leckerer als die andere. Kauend geht es dann in den nächsten Raum: hier wird Seife angefertigt. Es riecht genauso wie zu Hause, wenn Mama in der Küche selbst Seife herstellt. Im Gegensatz zu Mamas Seife wird diese Seife hier allerdings mit Olivenöl aus der Umgebung produziert und mit lokalen Kräutern verfeinert. Wir schauen uns nun noch den liebevoll eingerichteten Souvenir-Shop und das Restaurant mit traumhaftem Außenbereich an, in dem lokale Speisen serviert werden, dann geht es draußen ein paar Fuß-Meter entfernt zu einem Community Garden. Hier pflanzen über 50 syrische und jordanische Frauen Bio-Gemüse und – Kräuter an. Women empowerment. Marvelous.

Jetzt, der schönste Programmpunkt für heute: Sanaa, die aus der Nähe von Irbid kommt, hat uns zu sich nach Hause eingeladen. In einem riesigen Haus, mitten in der wunderschönen bergigen Landschaft, begrüßt sie uns dort mit ihrem Mann, ihrer Mutter und anderen Familienmitgliedern, und serviert uns ein unglaubliches Mittagessen. Unter anderem Mansaf, das wir schon mit Noor in Amman probiert haben, und das wirklich unglaublich lecker schmeckt. Nach dem Essen bekommen wir frischen Honig serviert, singen Noor noch einmal ein Geburtstagsständchen mit einem frischen Kuchen, dann das heutige Highlight: Sanaas Mann, der Imker ist, nimmt uns mit zu seinen Bienen. Wir dürfen jetzt also alle in einen lustigen weißen Astronautenanzug schlüpfen und schauen dann staunend zu, wie die summenden Bienchen fleißig ihre Honigwaben füllen.

Zurück geht es ins Hotel, wo ich mich heute Abend dann noch um meine Reflektionsberichte kümmern will. Als ich um 1 Uhr ins Bett gehe, bin ich damit allerdings immer noch nicht fertig. Gut Ding will Weile haben...


Ich habe in den letzten turbulenten Tagen ganz mein Arabisch-Vorhaben vergessen:

pflanzen- زرع

optimistisch- تفاؤليَ

Ich verspreche es dir- انا بوعدك

Ich weiß nicht, was wir machen- ما بعرف شو بنعمل

I am free- حرة انا


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