Salam ya Amman
Salam ya Amman
vakantio.de/salam-ya-amman

Finally. Ramallah.

Veröffentlicht: 25.01.2020

Montag, 30. Dezember

8 am. Nach der letzten Nacht im Bunker besorgen Sophia und ich noch ein paar Sesamringe zum Frühstück, woraufhin wir dann unsere sieben Sachen packen und die seltsame Gatet Community verlassen. Wir verbringen allerdings den Vormittag noch in Tel Aviv. Während Sophias Eltern dem Museum einen Besuch abstatten, laufe ich mit Hanni und Sophia noch einmal zum Strand. Es ist heute sehr windig (das kommt im Winter in Tel Aviv wohl öfters vor), aber auch sehr schön. Wir tanken also noch ein bisschen Sonne, atmen die salzige Strandluft ein und verabschieden uns dann sowohl vom Meer, als auch von Tel Aviv. Zurück geht es nach Jerusalem.

Dort trennen sich dann unsere Wege. Während Sophias Eltern noch eine Nacht in Jerusalem verbringen, machen wir uns stattdessen auf den Weg nach Ramallah, West Bank. Wir laufen zunächst zur falschen Bushaltestelle, wo man uns allerdings bereitwillig Auskunft darüber gibt, wo die Busse in die West Bank abfahren. Anders als gestern noch in Tel Aviv, wo uns ein kleiner Fauxpas passiert ist. Zugegeben ein wenig unüberlegt haben wir dort einen israelischen Linienbusfahrer gefragt, ob hier aus Tel Aviv Busse nach Ramallah fahren. Seine Reaktion war ein entgeistertes „Ramallah!?? No!“. Abseits des hübschen bunten Touri-Daseins hier, in dem es einfach ist, alle Sorgen zu vergessen, wird man in solchen kleinen Momenten daran erinnert, in welchem Konflikt-beladenen Land wir uns hier befinden. Wofür ich dankbar bin. Am Ende bin ich nämlich doch nichts mehr als eine privilegierte Zuschauerin der israelischen Besetzung und all den Konsequenzen davon, denen die Menschen hier ausgesetzt sind.

An der richtigen Bushaltestelle reihen wir uns dann an der Haltestelle nach Ramallah hinter Palästinenser*innen ein, deren arabische Konversationen wie Musik in meinen Ohren klingt. Ich bin mir jetzt schon sicher, dass ich mich in der West Bank wohlfühlen werde. Nachdem wir mit unseren riesigen Rucksäcken in den engen Sitzreihen eingefunden haben fahren wir los und halten zwischendurch noch an verschiedenen Haltestellen an, sodass der Bus sich bald mit vollgestopftem Mittelgang seinen Weg über die Schnellstraße in die Westbank hinein bahnt. Nach etwa einer Stunde sind wir auch schon da. Bzw., befinden uns am Rande Ramallahs. Der Verkehr hier erinnert nämlich sehr an die Rush Hour Ammans, sodass wir noch etwa eine halbe Stunde im stockenden Verkehr stehen, bis wir schließlich die Endhaltestelle erreichen.

Wir schnallen uns unsere großen Rucksäcke auf und machen uns auf die Suche nach unserem Hostel. Wir wurden schon vorgewarnt, dass Google Maps hier nicht so gut funktioniert, was sich jetzt bestätigt. Es kostet uns einige Extra-Meter, bis wir schließlich im Hostel eintreffen. Aber mein anfängliches Gefühl bestärkt sich. Ich fühle mich auf den vollen Straßen, zwischen arabischen Rufen von Gemüsehändlern und Brotständen, vollen Fußgängerwegen, hupenden Autos und arabischen Reklamen auf den Gebäuden einfach pudelwohl.

Das „Hostel in Ramallah“, das uns von Anas empfohlen wurde (zu ihm später mehr), befindet sich in einer unscheinbaren Seitengasse und wir müssen uns zunächst über die Sprechanlage melden, bis uns die Tür geöffnet wird. Ein sehr freundlicher Rezeptionist begrüßt uns dann im ersten Stock und winkt uns hinein in die süße Hotellobby. Die Wände dort sind bunt, von Hostelgästen beschrieben, mit Postern behängt und vermitteln uns direkt ein heimeliges Gefühl. Der Rezeptionist zeigt uns nun unser Mehrbettzimmer und den Rest des Hostels. Im zweiten Stock befinden sich weitere Schlafsäle, im dritten Stock ein wundervoll gemütlicher Raum mit Kamin, kleiner Bar und Außenterrasse, wo uns ein süßer weiß-goldener Hund begrüßt. Von hier oben hat man einen tollen Blick auf ganz Ramallah, über dem sich nun die Abendsonne immer weiter senkt. Wir sollen uns wie zu Hause fühlen, sagt uns der Rezeptionist. Der Code unten an der Tür, falls wir das Hostel noch einmal verlassen und später zurückkommen: „The wall must fall!“. Wenn das mal kein Kontrastprogramm zu unserem „1948“-Code aus der Gatet Community in Jaffa ist. Es fühlt sich so gut an, hier zu sein.

Wir machen uns noch einmal auf die Socken, um ein von dem Rezeptionisten empfohlenes Lokal aufzusuchen. Auf dem Weg dorthin rufen uns zwei Passanten, die an uns vorbeigehen, ein „Welcome to Palestine!“ hinterher. In Amman höre ich die „Welcome“-Rufe in der Downtown schon gar nicht mehr, aber hier zaubert es uns allen ein Lächeln ins Gesicht. Ich fühle mich wirklich willkommen in Palästina.

Das uns empfohlene Lokal hat offensichtlich gerade erst die Küche eröffnet und wir sind die ersten Gäste, die sich in den frisch geputzten kleinen Raum setzen. Auch hier, ein ähnliches Bild wie im Hostel: bunte Wände und extrem freundliche Bedienungen. Wir bekommen nicht ganz das, was wir bestellt haben, aber die Manaeesh, eine Art arabische Pizza, schmeckt sehr lecker und füllt schnell unsere Mägen, woraufhin wir dann noch einen Nachtisch umsonst bekommen: Knafeh. Mmhhh.

Unser nächstes Ziel, ein Community Centre im Stadtinneren, hat leider geschlossen, weshalb wir uns stattdessen auf Empfehlung hin auf den Weg in die Garage machen. Eine super süße alternative Bar, wie wir dann herausfinden, in der sich Alt und Jung mischen, und wo wir uns ein palästinensisches Bier bestellen. Mmhhh.

Zurück geht’s ins Hostel. Und siehe da: der Code funktioniert. Wir setzen uns noch einmal hoch in den letzten Stock, wo wir Chris und Diesel antreffen. Chris ist der Hostelbesitzer und Freund von Anas. Anas der palästinensische Freund von Gina, einer Kommilitonin die mit uns in Amman studiert, der aus Ramallah kommt. Diesel der Hund von Chris, den wir vorhin schon einmal gesehen haben. Diesel, weil Chris ihn als Welpe verlassen auf einem Schrotthaufen gefunden hat. 

Chris macht nun den Kamin für uns an und erzählt uns ein wenig von der organischen Farm, die er hier in der Nähe Ramallahs mit seinem Bruder betreibt, und auf der auch Anas schon ausgeholfen hat. Natürlich kann er uns auch etwas mehr zur Besetzung hier sagen. Als Palästinenser in Jerusalem geboren lebt er mittlerweile seit einigen Jahren in Ramallah, wo er dieses Hostel betreibt, und mit den Ausmaßen der Besetzung täglich konfrontiert ist. Er sieht jedoch alles sehr nüchtern. Irgendwann wird sich hier alles ändern, sagt er. Wir leben in einem stetigen Wandel. Und keine Macht wird ewig herrschen. Wann es so weit ist, vermag er allerdings auch nicht zu sagen. 

Ja. Es fühlt sich wirklich gut an, hier zu sein.

Antworten